Ich habe mir viel vorge­nommen.“

Datum
14. September 2021
Autor*in
Anna Rumpf
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Wahlen
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Jessica Rosen­thal (28), Bundes­vor­sit­zende der SPD-Jugend­or­ga­ni­sa­tion Jusos, kandi­diert in Bonn für den Bundestag. poli­ti­ko­range-Redak­teurin Anna Rumpf hat mit ihr über eine gerech­tere, von jungen Stimmen geprägte Zukunfts­po­litik und den Wahl­kampf gespro­chen.

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Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal möchte, falls sie ein Bundestagsmandat erhält, vor allem die Stimmen junger Menschen hörbar machen / Foto: S-H. Schroeder

Im Januar haben Sie den Vorsitz der Jusos über­nommen. Ihr Vorgänger Kevin Kühnert war deut­lich weiter links posi­tio­niert als die eigent­liche SPD. Planen Sie in seine Fußstapfen zu treten oder sehen Sie auch Möglich­keiten oder sogar Notwen­dig­keiten für Kompro­misse mit der Mutter­partei?

Wir haben eine lange Tradi­tion bei den Jusos. Wir haben das Ziel, die SPD stark auf unseren Links­kurs mitzu­ziehen. Für uns heißt das, dass wir eine andere Vertei­lung in der Welt brau­chen. Bei den oberen 10% werden die Vermögen immer größer, während ein großer Teil der Bevöl­ke­rung gar kein Vermögen hat. Wir können eine gerech­tere Vertei­lung schaffen. Dazu zählt auch, dass während der Corona-Pandemie hier bald das dritte Mal geimpft wird, aber manche Länder noch über­haupt keinen Impf­stoff haben. Neu ist, dass wir als Jusos ein großer Macht­faktor inner­halb der SPD geworden sind. Weil wir uns eben abspre­chen, weil wir als Team Politik machen, weil wir auch klare Vorstel­lungen haben, wo es inhalt­lich hingehen soll. Diesen Weg werde ich weiter­gehen. Dafür braucht es junge Menschen – vor allem Jusos – im Bundestag.

Während der Jugend­Po­li­tik­Tage meinte Jens Spahn sinn­gemäß, dass natür­lich Politik für ältere Menschen gemacht wird, da ein Groß­teil der Wähler­schaft älter sei. Für wie wahr­schein­lich halten Sie es, dass in der nächsten Legis­la­tur­pe­riode wirk­lich Politik für junge Menschen gemacht wird?

Das ist ziem­lich wahr­schein­lich. Wir garan­tieren als Jusos Politik für junge Menschen. Wir haben natür­lich auch bei anderen Parteien Bündnispartner*innen, die jungen Themen spielen wollen. Aber ich sage auch klar: Es ist schwer, sich durch­zu­setzen, vor allem als junger Mensch. Ich gehe auch auf die Straße und werde auch weiterhin auf der Straße sein. Aber die Gesetze werden im Bundestag gemacht. Und das heißt, wir müssen in den Parteien aktiv sein. Ich wünsche mir sehr, dass viel mehr junge Menschen das auch tun.

Was hat dazu geführt, dass dieses Jahr so viele junge Erwach­sene für den Bundestag kandi­dieren?

Einmal ist es die Initia­tive von uns jungen Leuten. Aber es geht auch um Macht­po­litik. Es ist nicht so, dass einem eine Kandi­datur geschenkt wird. Leute, die schon in bestimmten Macht­po­si­tionen sind, versu­chen, diese Macht­po­si­tion zu vertei­digen. Und man hat es als Neuer, beson­ders als junge Person und dann noch als Frau oder als Mensch mit Zuwan­de­rungs­ge­schichte viel schwerer. Das muss sich ändern. Es müssen alle verstehen, dass es die Jugend“ nicht gibt. Wir sind viel­fältig. Um nochmal auf das Thema junge Frauen einzu­gehen: Wir müssen uns klar machen, dass nur 30% der Menschen in Parteien Frauen sind! Wir müssen uns diese Macht irgendwie nehmen. Sie steht uns zu. Die Hälfte der Welt gehört uns Frauen.

Denken Sie, dass man junge Menschen, die die AfD wählen wollen, für die SPD gewinnen kann?

Es kommt darauf an, mit was für einem AfD-Wähler man es zu tun hat. Es gibt einen bestimmten Prozent­satz an Menschen in diesem Land, die rassis­ti­sches Gedan­kengut vertreten und dem müssen wir entschieden entge­gen­treten. 

Natür­lich geht es uns aber auch darum, einen anderen Poli­tik­stil zu prägen. Es gibt so viel Verän­de­rung und man hat das Gefühl, dass man selber keine Stimme hat, Andere für einen entscheiden und man nichts bewirken kann. Wir können Dinge aber so verän­dern, dass Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen und am Ende trotzdem kaum Geld haben, auch profi­tieren und sich nicht entwür­digt fühlen oder das Gefühl haben, dass sie wenig Wert in der Gesell­schaft haben. 

Bildung gehört zu Ihren Kern­themen. Mit welchen Maßnahmen und Mitteln kann man die soziale Spal­tung in Schulen durch­bre­chen?

Wir müssen aufhören, nur in Partei­pa­piere zu schreiben, dass Bildung Prio­rität hat, sondern endlich danach handeln. Das bedeutet: Mehr Geld für Bildung. Beispiels­weise muss der Bund die Kommunen unter­stützen dürfen und es muss eine natio­nale Bildungs­platt­form geben, damit alle Zugriff auf dieselben Ressourcen haben. Ich frage mich aber, ob das reicht. Wir müssen auch darüber spre­chen, wie Schule sich verän­dern soll. Brau­chen wir eigent­lich noch starre Fächer? Brau­chen wir Unter­stüt­zungs­gruppen, Lern­gruppen, Sozialarbeiter*innen? Es wird Zeit für ein ganz anderes System von Schule, das Neugier nicht mehr abtötet. Das wird ein hartes Brett auch in meiner eigenen Partei – ich habe mir viel vorge­nommen.

Klima­schutz ist ein zentrales Thema in diesem Wahl­kampf. Mit Klima­schutz werden Verän­de­rungen zwin­gend einher­gehen. Auf welche Verän­de­rungen sollte sich jede*r einstellen?

Erst einmal darauf, dass ein Bus oder eine Bahn auch fährt. Denn in der Mehr­zahl der Fälle ist das, gerade auf dem Land, nicht der Fall. Die SPD wird sich für alle Unter-18-Jährigen einsetzen, dass man umsonst fährt. Das finde ich genau richtig. Darüber hinaus muss sich in der Auto­in­dus­trie und auf dem Arbeits­markt etwas bewegen. Wenn ich natür­lich, das will ich nicht verschweigen, in einem sehr reichen Haus­halt groß werde, dann wird man sicher­lich nicht mehr so viel Geld zur Verfü­gung haben, weil ich finde, dass Menschen mit einem sehr hohen Einkommen auch einen größeren Teil zum Gemein­wohl beitragen sollten. Es wird eine Umver­tei­lung geben mit der SPD. Vermögen werden belastet und der Spit­zen­steu­er­satz wird erhöht werden. 

Sie haben bereits den ticket­freien Nahver­kehr ange­spro­chen, der auch im SPD-Wahl­pro­gramm steht. Es gibt aber Menschen, die sich ihr Ticket ohne Probleme leisten können. Trägt ticket­loses Fahren wirk­lich zu sozialer Gerech­tig­keit bei oder könnte das Geld besser inves­tiert werden?

Der grund­sätz­liche, geplante Wechsel sieht vor, dass nicht mehr die Nutze­rinnen und Nutzer den Nahver­kehr finan­zieren, sondern alle. Denn alle profi­tieren vom Nahver­kehr, inklu­sive Auto­fahrer. Ticket­frei können wir besser regu­lieren, welche Gruppe wie viel leisten kann. Man kann den Jahres­bei­trag vom Einkommen abhängig machen. Und manche Gruppen kann man dann komplett entlasten. Ich glaube, dass das wesent­lich fairer ist. Vor allem macht es deut­lich, dass wir alle verant­wort­lich sind – für das Klima und für unsere Fort­be­we­gungsart. 

Sie haben Anfang des Jahres in einem Inter­view im SPIEGEL gesagt, dass Sie einen Mindest­lohn von mindes­tens 13 Euro für notwendig halten. Im SPD-Wahl­pro­gramm und im 100 Tage Programm steht eine Anhe­bung des Mindest­lohns auf 12 Euro. Werden da nicht gerade die Jobs von jungen Leuten gefährdet, die ohnehin durch die Pandemie in Finan­zie­rungsnot geraten sind?

Wir haben ja, bevor wir den Mindest­lohn einge­führt haben, sehr viele Horror-Storys gehört. Da wurde gesagt, dass quasi 50% der Jobs wegfallen. Passiert ist: Nichts. Es braucht Löhne, die auch absi­chern und von denen man leben kann. In den letzten Jahren sind Unter­neh­mens­ge­winne und die Produk­ti­vität wahn­sinnig gestei­gert worden. Die Löhne sind aber kaum gestiegen, das heißt, nur bestimmte Bevöl­ke­rungs­gruppen profi­tieren. Deswegen braucht es diese 12 Euro Mindest­lohn. Ich sehe nicht, dass dadurch wesent­lich Jobs verloren gehen. Das ist aus meiner Sicht ein Argu­ment, was einfach heran­ge­führt wird, um Angst zu machen.

Es ist gut, dass die Merkel-Ära zu Ende geht.“ Das ist ein Zitat von Ihnen. Warum sehen Sie das so?

Wir haben 16 Jahre lang erlebt, dass Dinge alter­na­tivlos sind. Man hat irgendwie eine Krise, durch die man durch­steuern muss und alle halten am besten die Füße still. Das ist für mich ein desas­tröser Poli­tik­an­satz. Es geht dabei eben nicht um Klima­schutz oder Lohn­ent­wick­lung. Wir brau­chen endlich eine Debatte über die großen Fragen und wirk­liche Lösungen. Das ist poli­ti­sche Kultur, die wir jetzt erleben können.

Herr Scholz ist zum Thema Koali­tionen nicht beson­ders konkret. Wie stehen Sie denn zu einem Bündnis mit der Links­partei?

Wir haben als SPD und Jusos bestimmte Ziele. In einigen Punkten können wir sehr gut mit den Linken zusam­men­ar­beiten. Aber es gibt auch Punkte, die sind nicht mit uns verhan­delbar. Und das ist die Frage von außen­po­li­ti­schen Bünd­nissen und Verant­wor­tung in der Welt. Die SPD steht einem Bündnis gegen­über offen, weil ich glaube, dass wir viel zusammen gestalten könnten. Aber ohne, dass sich die Linke in solchen Fragen bewegt, ist mit der SPD auch nichts machen.

Wenn sich die Linke also in ihren außen­po­li­ti­schen Posi­tionen und der Einstel­lung zur NATO nicht bewegt, würden Sie einer Koali­tion wider­spre­chen?

Natür­lich, das ist doch klar. Wir können und sollten als Deutsch­land auf keinen Fall aus Bünd­nissen austreten. Das wird unserer inter­na­tio­nalen Rolle nicht gerecht. Das geht einfach nicht.


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