Geht Rente generationengerecht? Der demografische Wandel sorgt für eine verschobene Altersstruktur, die Politik muss unweigerlich handeln. Eine Einigung ist aktuell jedoch noch nicht in Sicht.
Andreas Legner steht jeden Tag um 8 Uhr auf. Er steigt in seinen braunen Toyota und fährt zur Fabrikhalle. Seit 55 Jahren fährt er diese Strecke – zehn Jahre länger als geplant. Andreas Legner ist 73 Jahre alt und Rentner. Er ist einer von etwa 13 % der hierzulande noch erwerbstätigen Rentenempfänger im Alter von 65 bis 74 Jahren. Diese laufen immer mehr Gefahr, in Altersarmut zu rutschen. Gleichzeitig müssen jüngere Generationen mit weiter ansteigenden Sozialversicherungsbeiträgen rechnen, ohne selbst eine vergleichbare Rentensicherheit erwarten zu können – eine Folge des demografischen Wandels.
„Die Rentenreform ist stabil, die ist solide, die ist gut finanziert.“ – oder doch nicht?
Für die generationengerechte Rente bedarf es einer zielgerichteten Koordination vieler voneinander abhängiger Einzelfaktoren. Rentenforscherin Prof. Dr. Camille Logeay von der HTW Berlin nennt vier Stellschrauben der Rentenversicherung: den Beitragssatz, die Bundeszuschüsse, das Rentenniveau und das Renteneintrittsalter. In der schwarz-roten Koalition besteht bis dato der Konsens, an den beiden letzten Stellschrauben nicht zu drehen. So soll laut dem neuen Koalitionsvertrag ein Rentenniveau von 48 % bis 2031 festgeschrieben werden. Zusätzlich sollen die Beitragssätze stabil gehalten werden, was die Flexibilität einer weiteren Stellschraube hemmt. Weiterhin wird von beiden Parteien eine Erhöhung des Renteneintrittsalters abgelehnt, wodurch schließlich nur noch die Bundeszuschüsse zur Diskussion stehen. Diese müssten dann wiederum durch die Steuergelder der aktuell erwerbstätigen Jahrgänge finanziert werden, was „gerade innerhalb der jüngeren Generation im Parlament Kritik auslöst“, meint Kai Whittaker, MdB, CDU/CSU. Betrachtet man nun das zuvor erwähnte Modell der vier Stellschrauben, lässt sich feststellen, dass keine davon mehr frei beweglich ist. „Deswegen wird das eine echte Herkulesaufgabe, sich auf einen gerechten Konsens zu einigen“, so Sabine Dittmar, MdB, SPD.
Die Koalition im Zwiespalt
Zurzeit wird in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales und im Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend an Alternativlösungen gearbeitet, die die Folgen des demografischen Wandels abfedern sollen. Dazu zählt unter anderem die stark umstrittene Miteinbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenkasse. Innerhalb der Koalition bestehen hierzu fundamentale Meinungsverschiedenheiten. Whittaker hält es „in der Frage der Gleichbehandlung für denkbar, die Beamten langfristig in das System zu überführen“. Dem entgegnet Bernd Rützel, MdB, SPD, dass „90 % aller Beamten in Deutschland Landesbeamte sind“, für die Beschlüsse auf Bundesebene nicht gelten. Der versprochene Effekt dieser Maßnahme sei laut ihm weitaus geringer, als man es sich in anderen Fraktionen erhoffe. Vorschläge wie die Aktivrente, die Mütterrente und die Frühstart-Rente werden jedoch von beiden Parteien begrüßt.
Auch in der Opposition herrscht Uneinigkeit über die gemeinsame Zielsetzung. Das Wahlprogramm der Grünen lehnt sich an die Pläne der Koalition an, übt aber Kritik an den Entwürfen der Aktiv- und Mütterrente. Dagegen weist das Konzept der AfD einige fundamentale Unterschiede zu den Ansätzen anderer Parteien auf. Die geforderte Erhöhung des Rentenniveaus auf 70 % würde laut Prof. Dr. Logeay einen extremen Schock für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt bedeuten. Die Linke verlangt eine Regelaltersgrenze von 65 Jahren und ein Rentenniveau von 53 %. Ein Absenken des Renteneintrittsalters würde aufgrund des aktuellen Arbeitskräftemangels jedoch ebenfalls zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen, erklärt Logeay.
Zukunftsaussichten
Fakt ist, einen generationengerechten Konsens zu finden ist eine harte Nuss. Aufgrund der vielen, voneinander abhängigen Faktoren wird es schwer sein, sie zu knacken. Für Leute wie Andreas Legner bedeutet das viele weitere Fahrten zur Fabrikhalle – aber auch eine lange Wartezeit auf endgültige Entscheidungen aus Berlin. Diese könnten vielleicht in Zukunft dafür sorgen, dass Herrn Legners Enkel sich keine Sorgen mehr um ihre finanzielle Situation machen müssen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Jugendmedienworkshops im November 2025 entstanden. Das Projekt wird von der Jugendpresse Deutschland, dem Deutschen Bundestag und der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert.
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