Das Wahl­pro­gramm der Union – Eine Bremse für die Klima­trans­for­ma­tion

Datum
29. Januar 2025
Autor*in
Meret Busch
Redaktion
politikorange
Thema
#Politik
kohlekraftwerk_pexels-jwvein

kohlekraftwerk_pexels-jwvein

Foto: pexels/jwvein
Unter dem Titel Poli­tik­wechsel“ verspricht die Union einen grund­le­gend neuen Regie­rungs­kurs. Im Ange­sicht multi­pler Krisen, wie dem Klima­wandel, entlarven sie damit jedoch ihre eigene poli­ti­sche Plan­lo­sig­keit.

Womög­lich stehen wir mit dem Klima­wandel der aller­ersten exis­tenz­be­dro­henden Krise der Mensch­heit gegen­über und obwohl die Christ­de­mo­kraten dies dem Anschein nach erkannt haben, fehlt es ihnen an Lösungen und Gestal­tungs­kom­pe­tenz. Im neuen Wahl­pro­gramm verblassen Bekennt­nisse zum Pariser Klima­schutz­ab­kommen und zur Klima­neu­tra­lität 2045 dank unkon­kreten und nicht finan­zier­baren Programm­punkten zu bloßen Flos­keln. Der Wirt­schaft und dem*r Verbraucher*in wird das Blaue vom Himmel verspro­chen – mehr Geld, weniger Pflichten, keine Verbote. Unan­nehm­lich­keiten oder Verant­wor­tung mutet die Union hier niemandem, auch sich selbst nicht zu.

Mehr Markt, weniger Staat“

Retten soll es die Markt­wirt­schaft. Die Union verspricht Steu­er­ent­las­tungen von 89 bis zu 99 Milli­arden Euro jähr­lich und den Abbau von büro­kra­ti­schen Auflagen. Ganz nach dem Motto Mehr Markt, weniger Staat“ – so steht es im Wahl­pro­gramm – soll jene Markt­wirt­schaft den Wohl­stand retten, für soziale Gerech­tig­keit sorgen, Umwelt und Klima schützen. Also all das tun, was sie bislang nie getan hat! In der Klima­wis­sen­schaft ist man sich dagegen einig: Für eine gelun­gene Klima­trans­for­ma­tion braucht es einen ausge­wo­genen Poli­ti­kenmix, bestehend aus CO2- Preis, Ordnungs­recht und staat­li­cher Förde­rungen. Die Union aber setzt gewis­ser­maßen alles auf eine Karte.

Das Leit­in­stru­ment für die Umset­zung der Klima­schutz­ziele soll nach der Union einzig und allein der euro­päi­sche Emis­si­ons­handel sein. Die sehr hohen Preise, die dadurch ohne ergän­zendes Ordnungs­recht prognos­ti­ziert werden, will sie mit Hilfe eines Klima­bonus“ auffangen. Es gibt jedoch keine Pläne, ab wann dieser ausge­zahlt werden soll. Allen­falls erst nachdem die Union mit den Einnahmen aus der CO2-Steuer Strom­preise und Netz­ent­gelte gesenkt habe. Ob dann über­haupt noch Geld für einen sozialen Ausgleich übrig bleibt, ist unge­wiss.

Kommt am Ende keine Rück­ver­tei­lung des Geldes aus dem stei­genden CO2-Preis befürchten Expert*innen so hohe Lebens­hal­tungs- und Stand­ort­kosten, dass die Emis­si­ons­han­del­sys­teme, die ökono­mi­sche Anreize zur Reduk­tion von Schad­stoff­emis­sionen setzen, aufge­weicht oder gar ganz aufge­geben werden müssten. Damit droht der Union ihr einziges Instru­ment für die Klima­trans­for­ma­tion aus der Hand zu gleiten.

Miss­ra­tene Ener­gie­wende

In Sachen Energie setzt die Union in allen Berei­chen – Netz, Wohnen und Verkehr – auf soge­nannte Tech­no­lo­gie­of­fen­heit“ und einen diskri­mi­nie­rungs­freien“ Markt. Darunter verstehen CDU/CSU auch die Möglich­keit der Kern­energie. Im Wahl­pro­gramm der Union heißt es, sie wolle prüfen, ob sich eine Wieder­auf­nahme der jüngst abge­schal­teten Atom­kraft­werke finan­ziell und tech­nisch lohne. Da dies bereits von Expert*innen und ehema­ligen Betreiber*innen demen­tiert wurde, wirkt der Vorstoß eher wie ein unnö­tiges Vorhaben, das es wohl vor allem auf Bestreben des inner­par­tei­li­chen Atom­ener­giefans und des feder­füh­renden Gene­ral­se­kretär der CDU, Carsten Linne­mann, ins Wahl­pro­gramm geschafft hat. Inner­par­tei­lich wurde er, zusammen mit Thomas Bareiß und Joachim Pfeiffer, lange als Bermu­da­dreieck der Ener­gie­wende“ bezeichnet, dass der fossilen Lobby nahe­ste­hend in der Vergan­gen­heit immer wieder klima­po­li­ti­sche Vorhaben verschluckt habe.

Auch hinsicht­lich des Kohle­aus­stieges über­be­tont die Union die Versor­gungs­si­cher­heit gegen­über der drän­genden Ener­gie­wende. Weitere Kohle­kraft­werke sollen nur im Zuge von Ersatz­bauten in Form von Gaskraft­werken abge­schaltet werden. Deutsch­land hat derzeit in etwa 32 GW instal­lierter Leis­tung an Kohle­kraft­werken. Schät­zungen von Aurora Energy Rese­arch zufolge würden bis 2050 5 bis 10 GW als soge­nannte Back-Up-Kraft­werke“ ausrei­chen. Jedes Kohle­kraft­werk durch ein Gaskraft­werk zu ersetzen, ist demnach nichts anderes als Geld­ver­schwen­dung.

Ergeb­nis­offen statt Tech­no­lo­gie­offen“

Bei der häus­li­chen Ener­gie­ver­sor­gung setzt die Union auf die Rück­ab­wick­lung klima­po­li­ti­scher Fort­schritte. Das soge­nannte Heizungs­ge­setz“ will sie ganz abschaffen, dafür mehr klima­freund­liche Wärme­ver­sor­gung tech­no­lo­gie­offen“ fördern. Die Union sollte jedoch aufpassen, dass aus tech­no­lo­gie­offen“ nicht ergeb­nis­offen“ wird.

Denn heute ist bereits klar: Mit Öl‑, Gas‑, oder Holz­hei­zungen lässt sich keine Klima­neu­tra­lität errei­chen. Durch die Abschaf­fung des Gebäu­de­en­er­gie­ge­setzes liefern die CDU/CSU anstelle von Klima­schutz, Verun­si­che­rung und fehlende Inves­ti­ti­ons­si­cher­heit. Am Ende werden die Hausbesitzer*innen darunter leiden, die auf die Förde­rungen des Gebäu­de­en­er­gie­ge­setzes finan­ziell ange­wiesen sind. Also Menschen ohne Spit­zen­ein­kommen.

Fehl­in­ves­ti­tionen auf der Straße

Zudem wolle die Union in der nächsten Regie­rung ebenso das Verbren­ner­verbot für PKW Neuzu­las­sungen ab 2035 wieder rück­gängig machen. Neben E‑Autos sollen auch mit klima­neu­tralen PtL (Power to Liquid) – Treib­stoffen, soge­nannten E‑Fuels, oder Wasser­stoff betrie­bene Wagen weiter auf den Markt kommen. Damit setzt die Union nicht nur im Heizungs­keller, sondern auch auf der Straße Anreize für Fehl­in­ves­ti­tionen. Verbraucher*innen werden in dem Glauben gelassen, sie könnten mit so einem nach­hal­tigen“ Verbrenner weiter wie gewohnt zur Tank­stelle fahren. Dabei ist absehbar, dass aufgrund begrenzter Produk­ti­ons­ka­pa­zi­täten E‑Fuels und grüner Wasser­stoff kaum für die Anwen­dungen reichen werden, die keinen elek­tri­schen Betrieb als Alter­na­tive haben.

2035 werden voraus­sicht­lich 60 bis 100 TWh an grünen“ Wasser­stoff­im­porten zur Verfü­gung stehen. Allein die Chemie‑, Flug- und Schiff­fahrts­in­dus­trien bräuchten wahr­schein­lich 140 – 200 TWh. Wer heute nicht klar ausspricht, dass der PKW der Zukunft elek­trisch ist und zeit­gleich den Indus­trie- und Luft­ver­kehrs­standort Deutsch­land retten will, der fährt mit Sicher­heit mindes­tens eins davon an die Wand.

Ein Lobby­ver­band, der sein eigenes Geschäft zerstört

In Punkto Treib­stoff würde, wenn es nach der Union geht, auch die Agrar­die­sel­rück­ver­gü­tung voll­ständig wieder einge­führt werden. Das hieße konkret etwa 480 Millionen € klima­schäd­liche Subven­tionen pro Jahr. Weitere Zuge­ständ­nisse an den Deut­schen Bauern­ver­band folgen: Unter der Union soll es keine Reduk­tion der Tier­be­stände und keine Auskunfts­pflichten über Stoff­strom­bi­lanzen im Acker­boden mehr geben. Folg­lich lassen sich ohne Daten­er­he­bung dann auch keine Grenz­werte von schäd­li­chen Stoffen im Boden mehr durch­setzen.

Durch falsche Bewirt­schaf­tung und Klima­folgen sind in Deutsch­land bereits mehr als ein Drittel der land­wirt­schaft­lich genutzten Flächen durch Boden­ero­sion gefährdet, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass die Böden über Jahr­zehnte hinweg unfruchtbar werden. Gerade für Landwirt*innen wäre ein effek­tiver und entschlos­sener Klima- und Umwelt­schutz, zu dem sie nicht nur einen großen Teil durch Ökodienst­leis­tungen beitragen können, sondern auch von besseren Erträgen profi­tieren würden, beson­ders wichtig. Statt­dessen betreiben die Christ­de­mo­kraten Lobby­ar­beit und hören auf den Deut­schen Bauern­ver­band, der seine eigene exis­ten­zi­elle Betrof­fen­heit durch die aktu­ellen ökolo­gi­schen Krisen noch nicht begriffen zu haben scheint.

Plan­lo­sig­keit par excel­lence

Immer wieder zeigt sich im Wahl­pro­gramm der Union eine Kluft zwischen gemachten Verspre­chen und geplanten Maßnahmen, was von nichts anderem zeugt als poli­ti­scher Plan­lo­sig­keit. Im reinen Glauben an die Macht des CO2-Preises, bzw. getrieben von der fossilen Lobby in den eigenen Reihen versäumen es CDU und CSU, resi­li­ente Klima­schutz­maß­nahmen aufzu­stellen, die nicht wie ein Karten­haus in sich zusam­men­zu­fallen drohen.

Gerade jetzt, wo es um eine sozial gerechte und wirt­schaft­liche Umset­zung der Klima­schutz­ziele geht, zeigt die Union damit ihr eigent­li­ches Motto auf: Im Zweifel gegen Klima­schutz.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redak­tion entstanden. Bei Fragen, Anre­gungen, Kritik und wenn ihr selbst mitma­chen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@​jugendpresse.​de 


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