Die Linke-Traum­blase ist zerplatzt

Datum
05. Oktober 2021
Autor*in
Lucie Keller
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Politik
Ein Ballon der Partei "Die Linke" welcher dicht am Boden schwebt.

Ein Ballon der Partei "Die Linke" welcher dicht am Boden schwebt.

Jugendpresse Deutschland e. V./Christopher Folz

4,9 Prozent. Die drei Direkt­man­date in Person von Gesine Lötsch, Gregor Gysi und Sören Pell­mann wurden also doch zur Lebens­ver­si­che­rung der Linken“. Ihr Greifen, wie bei echten Lebens­ver­si­che­rungen sicher auch – nur ein schwa­cher Trost. Ist die Partei am Sonn­tag­abend zurecht abge­stürzt? Lucie Keller kommen­tiert.

Die Moderator*innen der Wahlparty der Linken auf der Bühne.

Die Wahlparty der Linken am Sonntagabend. Nachdem sie unter die 4,9% rasselte, sollte sie „Jetzt!" den Gesamtcheck wagen. Foto: Jugendpresse Deutschland / Christopher Folz

Man bemüht sich kollektiv um ein gegen­sätz­li­ches Bild. Die Partei habe einen Auftrag, für soziale Sicher­heit im Land zu sorgen, so Janine Wissler. Gregor Gysi feiert die Tatsache, dass es über­haupt eine Partei links der SPD gibt, als Erfolg für sich, sei dies doch 1998 noch undenkbar gewesen. Klar, was soll man auch sonst sagen in so einer Situa­tion. Im Zweifel lieber gar nichts, denn 23 Jahre sind verdammt lang her, verdammt lang. So trägt man zum Teil des Problems und nicht der Lösung bei.

Das Tragi­sche ist, dass der Nähr­boden eigent­lich bestellt ist, um in ihm linke Ideen einzu­pflanzen. Bezahl­bares Wohnen, Rente und Bildung sind neben dem Klima viel disku­tierte Themen. Das Problem: In der Wahr­neh­mung Vieler ackern die Linken immer noch in einem Fantasie-Feld – während die Deut­schen eher Visi­onstyp Bundes­gar­ten­schau sind.

Dabei ist das Programm der Linken oft reali­täts­naher, als es ihnen zu kommu­ni­zieren gelingt. Zum Beispiel in Punkto Mindest­lohn, den sich Scholz respekt­voll” als einzigen Inhalt auf die Plakate drucken ließ. Denn die von SPD, und im Übrigen auch Grünen, gefor­derten 12 Euro Mindest­lohn reichen nicht aus, um Menschen tatsäch­lich vor Alters­armut zu schützen. Das hat auch die Regie­rungs­ant­wort auf Anfrage der Linken ergeben. Will man eine Rente, die gerade einmal genauso hoch ist wie die Grund­si­che­rung, müssen Menschen schon heute 12,21 Euro die Stunde verdienen. Die Linken-Forde­rung von 13 Euro hatte das im Blick. Auch bei der Klima­neu­tra­lität waren sie am ambi­tio­nier­testen. Kamen mit ihrem Programm dem – man kann es nicht genug betonen – vertrag­lich verein­barten 1,5 Grad-Ziel am nächsten. 

Am Ende sind das aber nur Zahlen. Schwer zu vermit­teln, ohne Gesichter. Susanne, wer? Für Menschen, die nicht aus Thüringen kommen, ist Hennig-Wellsow wenn über­haupt die Blumen­strauß-Wurf-Frau“. Noch schwie­riger wird es natür­lich, wenn bekannte Gesichter, wie Sahra Wagen­knecht, auch noch quer­schießen. In der Partei ist aktuell so manches offen. Wollen sie die ewige Oppo­si­tion, Pazi­fismus, die Life­style-Linke? All das sind Diskus­sionen, die zu lange unge­führt sind und von Gysi nur verdeckt statt mode­riert wurden. Am Ende ist die Linke damit wie jeder gute Millen­nial: Was wehtut, wird einfach in die nächste Yoga-Session geatmet. Man kann nur hoffen, dass der Partei die 4,9% als blaues Auge reichen, um endlich den Gesamt­check beim Arzt zu wagen. Dann braucht sie auch keine Lebens­ver­si­che­rung. 


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