Einfach wird’s nicht

Datum
02. September 2024
Autor*in
Christian Lütgens
Redaktion
Jugendpresse Deutschland
Themen
#LTWTH #Wahlen
Zwei Daumen und ordentlich Jubel können nicht kaschieren, dass für die CDU trotz voraussichtlicher Regierungsbeteiligung nun schwierige Sondierungsgespräche anstehen.

Zwei Daumen und ordentlich Jubel können nicht kaschieren, dass für die CDU trotz voraussichtlicher Regierungsbeteiligung nun schwierige Sondierungsgespräche anstehen.

Foto: Jugendpresse Deutschland/ Christian Lue

Die CDU erzielt in Thüringen ein starkes Ergebnis. Doch rich­tige Feier­stim­mung kommt bei der Wahl­party nicht auf. Kein Wunder: Jetzt dürfte es erst so richtig anstren­gend werden.

Die Menschen klat­schen wie beim Count­down eines Boxkampfs, dazu dröhnt Einlauf­musik aus den Laut­spre­chern. Mario Voigt, CDU-Spit­zen­kan­didat in Erfurt läuft ein, schüt­telt ein paar Hände und tritt auf die Bühne – ohne gegne­ri­schen Kämpfer. Der befindet sich aus Sicht Voigts woan­ders und hat sich zudem multi­pli­ziert: Zum einen, nur wenige Kilo­meter Luft­linie, entfernt der Faschist und eindeu­tige Wahl­ge­winner Björn Höcke. Ein paar Kilo­meter weiter, Berlin, die Ampel­re­gie­rung. Und dann sind da auch noch zwei Kame­ra­männer. Doch von Anfang an. 

Eine knappe Vier­tel­stunde vorher erwei­tert ein freund­li­cher Herr von der CDU die Absper­rung für die Presse. Die Foto­gra­finnen und Foto­grafen standen ungünstig, man will ja um Punkt 18 Uhr, also zur Bekannt­gabe der ersten Wahl­pro­gnosen, gute Bilder produ­zieren. Jubel. Freude. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Vorzei­chen sind, nun ja, wech­sel­haft. Die AfD stark wie nie. Von der errun­genen Sperr­mi­no­rität wird die Partei Gebrauch machen. Ohne Höckes Gnaden wird es fortan häufiger nicht gehen. Die AfD etabliert sich bei den Wähle­rinnen und Wählern. Die AfD eine reine Protest­partei? Das war mal. Und irgendwie passt es, dass der Veran­stal­tungsort im letzten Jahr­hun­dert erst eine Gewehr­fa­brik war, dann ein Heiz­werk. Später produ­zierte man hier Schreib­ma­schinen und mitt­ler­weile lässt sich die Zentral­heize“ als hippe Event­lo­ca­tion mieten, hohe Decken und Indus­trial Look inklu­sive. Alles etwas wech­sel­haft und diffus, wie auch der gesamte Wahl­kampf.

Immerhin der Applaus ist im Kasten: Die Thüringer CDU während der Verkündung der ersten Wahlprognosen.

Immerhin der Applaus ist im Kasten: Die Thüringer CDU während der Verkündung der ersten Wahlprognosen.

Foto: Jugendpresse Deutschland/ Christian Lue

Da waren beispiels­weise die Themen: Allem voran die Migra­tion, Krieg und Frieden in der Ukraine bestimmten den Wahl­kampf, garniert mit einer mehr­fa­chen Portion an Ampel-Unzu­frie­den­heit. Blöd, dass die bishe­rige wie auch künf­tige Landes­re­gie­rungen darauf nur mäßig Einfluss hat. Und es ist ja nicht so, als ob das nicht schon ausrei­chend kompli­zierte Themen seien. Verkürzt wurde trotzdem ordent­lich: Rechnen statt Gendern“ las man auf BSW-Wahl­pla­katen von einer Poli­ti­kerin, die in Thüringen gar nicht zur Wahl steht, ein mehr als dünnes Wahl­pro­gramm präsen­tiert und kaum über Inhalte reden mochte, vor wenigen Wochen noch gar nicht exis­tierte, aber durch ihren Namen und Gesicht trotzdem zum Macht­faktor werden dürfte. Und es ging ja noch weiter: Der bis dato amtie­rende Minis­ter­prä­si­dent Bodo Ramelow, beliebt wie kein anderer, doch in einer Partei im bemit­lei­dens­werten Zustand, wurde abge­wählt. Die Wider­sprüche waren also zahl­reich bei dieser Wahl. 

Springt die CDU lieber ins Unge­wisse als über den eigenen Schatten?

Mario Voigt jeden­falls, mitt­ler­weile auf dem Weg zur Wahl­party seiner Partei, der CDU, muss gleich irgendwie erklären, dass man mit der stärksten Partei nicht koalieren will. Zu extrem. Dass das in den letzten Wochen und Monaten nicht alle in seiner Partei so sahen, vor allem auf kommu­naler Ebene, das erwähnt er natür­lich nicht. Der, nach seiner CDU, dritt­stärksten Kraft, dem BSW, hatte sein Vorge­setzter, CDU-Chef Fried­rich Merz, eigent­lich links- wie rechts­extre­mis­ti­sche Züge vorge­worfen. Voigt will trotzdem mit dem Protest-Startup spre­chen, den Spagat wagen. Und mit der viel demo­kra­ti­scheren Links­partei hat die CDU einen Unver­ein­bar­keits­be­schluss formu­liert. Also lieber ins Unge­wisse springen als über den eigenen Schatten? Für Inter­views steht der Spit­zen­kan­didat leider nicht zur Verfü­gung. Bleibt noch die SPD, der Voigt seinen Respekt ausspricht. Doch selbst als Drei­er­bündnis zwischen CDU, BSW und SPD wäre eine Mehr­heit im Landtag nicht sicher. Von den inhalt­li­chen Klüften mal ganz zu schweigen. Und vom Rand winkt Björn Höcke freund­lich, streckt in späteren Inter­views seine Hand aus, spricht schel­misch von einer geschei­terten Brand­mauer-Stra­tegie.

Das Medieninteresse an den Wahlen in Thüringen und Sachsen ist enorm hoch. Hunderte Journalistinnen und Journalisten hatten sich vorab akkreditiert.

Das Medieninteresse an den Wahlen in Thüringen und Sachsen ist enorm hoch. Hunderte Journalistinnen und Journalisten hatten sich vorab akkreditiert.

Foto: Jugendpresse Deutschland/ Christian Lue

Mario Voigt jeden­falls steht nun auf der Bühne und bedankt sich bei seinen Wahl­kämp­fe­rinnen und ‑kämp­fern, lässt sich beju­beln. Er sieht sich und seine CDU als die stärkste Kraft der poli­ti­schen Mitte“, auch wenn seine Mimik und Gestik nicht ganz so eupho­risch dabei sind. Was die beiden Kame­ra­männer im Pres­se­be­reich ein wenig verzwei­felt wirken lässt, bis zum Schluss Mario Voigt es tatsäch­lich wagt, beide Daumen in die Höhe zu stre­cken. Klick, klick, klick. Na, endlich!“, murmelt einer der beiden. 

Unter den hohen Decken der Zentral­heize“ wird es jetzt ruhiger, Spit­zen­kan­didat Voigt düst direkt weiter in den Landtag. Die Presse rückt ab nach einigen Inter­views ab und zurück­bleibt das unge­wisse Gefühl: Jetzt wird’s erst so richtig kompli­ziert. 

Die CDU bei ihrer Wahlparty in der chicen Eventlocation "Zentralheize" – einer ehemaligen Waffenfabrik.

Die CDU bei ihrer Wahlparty in der chicen Eventlocation "Zentralheize" – einer ehemaligen Waffenfabrik.

Foto: Jugendpresse Deutschland/ Christian Lue


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