Bodo Ramelow: Beliebter Minis­ter­prä­si­dent einer unbe­liebten Partei – wie passt das zusammen?

Datum
02. September 2024
Autor*in
Leonardo Dimeo
Redaktion
politikorange
Themen
#Wahlen #LTWTH
Leo TB

Leo TB

Minis­ter­prä­si­dent Bodo Ramelow ist der belieb­teste Poli­tiker in Thüringen. Seine Partei landet bei der Wahl aller­dings auf dem vierten Platz. Warum wollen die Menschen ihn, aber nicht die Linke? 

Minis­ter­prä­si­dent Bodo Ramelow ist der belieb­teste Poli­tiker in Thüringen. Seine Partei landet bei der Wahl aller­dings auf dem vierten Platz. Warum wollen die Menschen ihn, aber nicht die Linke?

Freitag Nach­mittag auf dem Anger im Zentrum von Erfurt: Die Sonne scheint, die Leute freuen sich auf ihr Wochen­ende und genießen den Tag. Die Links­partei ist mit einer Bühne vor Ort und begeht ihren Wahl­kampf­ab­schluss mit poli­ti­scher Promi­nenz. Linken-Ikone Gregor Gysi spricht über die Lage in der großen Welt, über Krieg in der Ukraine und in Nahost. Bodo Ramelow hingegen redet über die Themen im kleinen Thüringen: Den Schul­garten, den Borken­käfer und die kommu­nale Wärme­pla­nung. Das mag die Leute etwas weniger mitreißen als die Rede seines Vorred­ners, aber so kennen und mögen die Thüringer*innen ihren Minis­ter­prä­si­denten. Prak­tisch, realis­tisch, volksnah. 

Diese Zustim­mung zu Bodo Ramelow zeigt sich auch in Umfragen. Laut infra­test dimap sind 51% der befragten Menschen zufrieden mit seiner poli­ti­schen Arbeit. In seiner Regie­rungs­zeit baute sich Ramelow einen Ruf als Prag­ma­tiker auf, mit dem man reden kann, auch wenn er poli­tisch andere Posi­tionen vertritt. Das brachte ihm partei­über­grei­fend und in Teilen der Gesell­schaft, die sich norma­ler­weise nicht mit der Partei iden­ti­fi­zieren können, Aner­ken­nung ein. Unter den 51%, die zufrieden mit der Arbeit von Bodo Ramelow sind, sind auch 92% der SPD-Wähler*innen. Ein Wert, der fast so hoch ist wie die 96% der zufrie­denen Linken-Wähler*innen. Ramelow würde weniger in Verbin­dung mit seiner Partei gesehen, heißt es zur Erklä­rung aus Mitglie­der­kreisen der Linken. Während der Partei noch ihre Geschichte als SED-Nach­fol­ge­partei anhänge, kennen und schätzten die Menschen Bodo Ramelow persön­lich.  

Im Wahl­er­gebnis der Linken bei der jetzigen Land­tags­wahl zeigt sich diese Aner­ken­nung aller­dings nicht. Mit mageren 13,1% und einem gigan­ti­schen Verlust von 17,9% liegt sie weit abge­schlagen auf dem vierten Platz hinter AfD, CDU und BSW und ist damit von einem realis­ti­schen Anspruch auf das Amt des Minis­ter­prä­si­denten meilen­weit entfernt. Aber woran liegt das? Warum mögen so viele Leute Bodo Ramelow, aber wählen dann nicht seine Partei?  

Die Linke: Kanni­ba­li­siert durch das BSW

Der Jour­na­list Henry Bern­hard sieht eine eindeu­tige Erklä­rung hierfür: Das BSW hat haupt­säch­lich die Linke kanni­ba­li­siert“, erklärt er im Gespräch mit der Jugend­presse. Das zeigt sich auch in der Wähler­wan­de­rung. Die Verluste der Linken an das BSW sind mit 84.000 verlo­renen Stimmen mehr als an alle anderen Parteien zusammen. Dass Viele statt der Linken das BSW gewählt haben, muss aller­dings nicht heißen, dass die Menschen auch unzu­frieden mit Bodo Ramelow sind. Laut infra­test dimap sind 65% der BSW-Wähler*innen zufrieden mit seiner Arbeit.  

Warum wählen sie dann trotzdem das BSW und nicht die Linke? Bei der thürin­gi­schen Land­tags­wahl ginge es mehr um Bundes- als um Landes­po­litik, erklärt Henry Bern­hard. Unzu­frie­dene Wähler*innen würden mit ihrer Stimm­ent­schei­dung die etablierten Parteien in Berlin abstrafen. Themen wie Migra­tion und innere Sicher­heit wurden durch den Anschlag in Solingen im August für viele Menschen noch rele­vanter als ohnehin schon: Laut Wahl­be­fra­gung waren Krimi­na­lität, innere und soziale Sicher­heit sowie Zuwan­de­rung die Inhalte, die für die Menschen bei ihrer Wahl­ent­schei­dung am wich­tigsten waren. Das BSW spricht diese Wähler*innen, denen sowohl Sozi­al­po­litik als auch die Begren­zung von ille­galer Migra­tion wichtig ist, besser an als die Linke. 

Politikwissenschaftler*innen bezeichnen das BSW deshalb häufig als links-konser­vativ“, als eine Mischung aus linker Sozi­al­po­litik und konser­va­tiver Gesell­schafts­po­litik. Die Linke hingegen gilt als links-progressiv“ und steht für viele Wähler*innen für eine ausge­prägte Sozi­al­po­litik und eine weniger harte Migra­ti­ons­po­litik. 

Auch die Posi­tion des BSW zum russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukraine schätzen viele der befragten BSW-Wähler*innen. 83% befür­worten, dass sich das BSW gegen weitere Waffen­lie­fe­rungen an die Ukraine einsetzt. Der Linken spre­chen die Befragten mit 8% nur halb so viel Kompe­tenz bei diesem Thema zu wie dem BSW mit 16%. 

Die Linke nicht wählen, um die AfD zu schwä­chen?

Neben dem BSW haben aller­dings auch andere Parteien der Linken erheb­liche Verluste zufügen können. Insbe­son­dere die CDU konnte von der Linken zahl­reiche Stimmen abwerben. Mit rund 39.000 Stimmen fällt die Menge der über­ge­lau­fenen Wähler*innen zumin­dest fast halb so hoch aus wie beim BSW. Das dürfte neben dem konser­va­tiven Profil der Partei, etwa bei der Migra­ti­ons­po­litik, vor allem an dem Zwei­kampf zwischen dem CDU-Kandi­daten Mario Voigt und AfD-Bewerber Björn Höcke gelegen haben. Bei der vergan­genen Land­tags­wahl 2019 prognos­ti­zierten schon Monate vor der Land­tags­wahl Umfragen Die Linke als stärkste demo­kra­ti­sche Partei und somit als aussichts­reichste Kandi­datin, um die AfD als stärkste Kraft zu verhin­dern. Das war eine mögliche Moti­va­tion für Wähler*innen die Linke zu wählen.  

Bei der dies­jäh­rigen Land­tags­wahl kam diese Moti­va­tion aller­dings der CDU zugute. 55% der befragten Wähler*innen stimmten der Aussage zu, dass sie die Partei nur gewählt hätten, damit die AfD nicht zu viel Einfluss bekommt. Der CDU war dieses erheb­liche Wähler­po­ten­tial durchaus bewusst, nicht ohne Grund plaka­tierte sie: Höcke stoppen. CDU wählen.“  

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Die CDU warb um Anti-AfD-Stimmen. Foto: Caroline Sauter

Den Eindruck zu erzeugen, nur die CDU sei eine eben­bür­tige Gegnerin der AfD, dürfte auch ein stra­te­gi­sches Ziel der CDU gewesen sein. So insze­nierte Mario Voigt bereits im April in einem Fern­seh­duell einen Zwei­kampf zwischen ihm und Björn Höcke. Das Medi­en­echo war gigan­tisch. Voigt konnte sich als seriösen Poli­tiker mit starker Verwur­ze­lung in Thüringen insze­nieren. 

Mit blauem Auge davon­ge­kommen

Trotz der schweren Nieder­lage in Thüringen scheint die Kata­strophe im Vergleich mit anderen Ergebnis der Linken in Deutsch­land im Rahmen zu liegen. In Sachsen ist die Partei bei der zeit­gleich statt­fin­denden Wahl unter die 5%-Hürde gefallen und nur durch das starke Abschneiden in zwei Wahl­kreisen noch in den Landtag gekommen. In zahl­rei­chen anderen Landes­par­la­menten ist die Linke mitt­ler­weile gar nicht mehr vertreten und auch der Einzug in den nächsten Bundestag ist nicht sicher. Der beliebte Spit­zen­kan­didat Bodo Ramelow konnte diesen bundes­weiten Abwärts­trend für Thüringen zwar nicht aufhalten, aber zumin­dest eindämmen.  

Hierin liegt jedoch auch eine Gefahr: Ob die Linke in Thüringen auch ohne Bodo Ramelow weiter­be­stehen kann, ist unklar. Immerhin sagen 60% der Linken-Wähler*innen, dass sie ohne Bodo Ramelow die Linke nicht gewählt hätten. Noch will Ramelow auch im nächsten Landtag poli­tisch aktiv sein, doch was kommt danach? Es bleibt abzu­warten, ob die Linke sich in Thüringen auch ohne ihn poli­tisch beweisen kann oder nicht doch zu einem Bündnis Bodo Ramelow“ verkommt.  

Anmer­kung: Alle der im Artikel verwen­deten Zahlen beziehen sich auf das vorläu­fige Endergebnis und die Befra­gung durch infra­test dimap und sind unter https://​www​.tages​schau​.de/​w​a​h​l​/​a​r​c​h​i​v​/2024 – 09-01-LT-DE-TH/index.shtml auffindbar. 


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