Verlo­renes Vertrauen: Warum junge Wähler*innen in Thüringen zur AfD abdriften

Datum
02. September 2024
Autor*in
Selina Komarek
Redaktion
politikorange
Themen
#Wahlen #LTWTH
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Immer mehr Jungwähler*innen in Thüringen kehren den demo­kra­ti­schen Parteien den Rücken und wenden sich der AfD zu. Wieso ist die junge Gene­ra­tion so unzu­frieden mit der Landes­po­litik?

Immer mehr Jungwähler*innen in Thüringen kehren den demo­kra­ti­schen Parteien den Rücken und wenden sich der AfD zu. Wieso ist die junge Gene­ra­tion so unzu­frieden mit der Landes­po­litik? 

Wahl­kampf­ab­schluss der AfD auf dem Domplatz in Erfurt, einen Tag vor der Land­tags­wahl. Die Stim­mung ist aufge­heizt. Während auf der einen Seite Anhänger*innen der Partei Deutsch­land­fahnen schwingen und auf Alice Weidel warten, demons­trieren Tausende gegen die AfD und den Rechts­ruck in Thüringen.

Bild Selina

Protestierende auf der Demo gegen die AfD. Foto: Caroline Sauter

Die Sonne knallt auf den Platz, derweil verhin­dern vermummte Polizist:innen als schwarze Wand das direkte Aufein­an­der­treffen von Unterstützer*innen und Gegner*innen der AfD. Demonstrant*innen halten Plakate mit der Aufschrift Höcke, halt dein dummes Wessi­maul!“ oder Nie wieder 1933“ in die Luft, Protest­schreie erfüllen die Stadt.  

Junge, aufge­brachte Demons­trie­rende vor Ort finden:

Als Jugend­li­cher fühlst du dich schon irgendwo allein gelassen von der Politik

– die AfD zu wählen sei für sie aber keine Alter­na­tive. Doch Zahlen zeigen etwas anderes: Laut der U18-Wahl des Kinder- und Jugend­pro­jekts Netz­werk U18“, welche jedes Mal kurz vor den Land­tags­wahlen durch­ge­führt wird, würden mehr als 37 Prozent der unter 18-jährigen die AfD wählen; im Vergleich zu den letzten Land­tags­wahlen 2019 knapp doppelt so viele. Den Grund für dieses Ergebnis sehen die Jugend­li­chen auf der Demons­tra­tion auch in der Poli­tikun­zu­frie­den­heit. Die AfD hingegen würde mit ihren Wahl­pla­katen auch gezielt junge Menschen anspre­chen – ein Plakat zeigt den Slogan Ja! Zur Jugend!“ mit Björn Höcke im Hinter­grund. 

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Im Gespräch mit Christian Schaft. Foto: Caroline Sauter

Chris­tian Schaft, Landes­vor­sit­zender der Links­partei, sei bei Diskus­sionen mit jungen Menschen in letzter Zeit beson­ders aufge­fallen, dass diese sich oftmals nicht ernst genommen fühlen. Er glaubt, es brauche mehr Kontakt mit Jugend­li­chen auf Augen­höhe: Dann schaffen wir es auch mehr Vertrauen der Jugend­li­chen in die demo­kra­ti­schen Parteien zu gewinnen“. In seinen Gesprä­chen sei für viele die größte Sorge:

Ist eigent­lich die Zukunft, die mich erwartet, noch lebens­wert und vor allem auch bezahlbar?

Auch Laura Wahl, bislang Abge­ord­nete der Grünen im Thüringer Landtag, beob­achtet nega­tive Zukunfts­aus­sichten von Jugend­li­chen. Geringe Ausbil­dungs­löhne und Kosten­stei­ge­rungen, die beson­ders junge Menschen betreffen, erhöhen das Armuts­ri­siko unter Jugend­li­chen deut­lich. Und eine neue Studie des ifo-Insti­tuts zeigt: Je größer die Armuts­ge­fahr, desto höher die Bereit­schaft, rechts zu wählen – vor allem in ostdeut­schen und struk­tur­schwa­chen Regionen, wo sich ein Vertrau­ens­ver­lust in die demo­kra­ti­schen, etablierten Parteien durch den Aufstieg der AfD bemerkbar macht. Die Wahl der AfD wird somit immer mehr zum Stan­dard in Thüringen. Eine andere Partei zu wählen, würde vor allem in länd­li­cheren Regionen als seltsam ange­sehen, meint Henry Bern­hard, thürin­gi­scher Landes­kor­re­spon­dent des Deutsch­land­funks. Das betreffe aller­dings nicht nur junge Menschen, sondern alle Alters­gruppen. Bern­hard beschreibt, dass poli­ti­sche Bildung gar nicht, oder eben am Abend­brot­tisch“ statt­finde. Davon profi­tiere vor allem die AfD. 

Am Wahltag meint eine junge AfD-Wählerin aus Suhl als Antwort auf die Frage, ob sie unzu­frieden mit der aktu­ellen Politik sei, nur: Also ehrlich gesagt beschäf­tige ich mich da nicht viel mit“. Sie kenne viele in ihrem Umfeld, die die AfD unter­stützen. Wieso sie selbst sich entschieden hat, dieser Partei ihre Stimme zu geben, möchte sie aber nicht sagen.  

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Die Wahl­er­geb­nisse zeigen letzt­end­lich nochmal deut­lich: Jungwähler*innen sind über­zeugt von der AfD – 37 Prozent der 18 bis 24-Jährigen in Thüringen haben diese Partei gewählt. Die etablierte Politik steht nun vor der Heraus­for­de­rung, das Vertrauen Jugend­li­cher zurück­zu­ge­winnen, um der zuneh­menden Pola­ri­sie­rung entge­gen­zu­wirken und die poli­ti­sche Land­schaft nach­haltig zu verän­dern. Beson­ders auf dem Land muss es mehr Austausch zwischen Politik und Wähler*innen geben – damit diese Menschen sich auch gesehen fühlen und Jugend­liche sich ihre eigene Meinung bilden, ohne die ihres Umfelds einfach zu über­nehmen. 


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