Weißer Femi­nismus ist für mich eigent­lich gar kein Femi­nismus“ 

Datum
21. Juni 2025
Autor*in
Norea Rüegg
Redaktion
politikorange
Themen
#Interview #JPT2025
JPT25_KatjaSivacheva_20-06-25-01805

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tja.life
Kann Femi­nismus selbst diskri­mi­nie­rend sein? Menina Ugwuoke findet schon. Im Inter­view spricht die Wissen­schaft­lerin über die Grenzen von Main­stream-Femi­nimus und bessere Alter­na­tiven. 

Kann Femi­nismus selbst diskri­mi­nie­rend sein? Menina Ugwuoke findet schon. Im Inter­view spricht die Wissen­schaft­lerin über die Grenzen von Main­stream-Femi­nimus und bessere Alter­na­tiven. 

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Refe­rentin Menina Ugwuoke (Foto: Jugend­presse Deutschland/​Katja Siva­cheva)

Menina Ugwuoke verteilt Post­karten auf einem Tisch. Die braucht sie später für ihren Work­shop, den sie dieses Jahr bei den Jugend­Po­li­tik­Tagen hält. Ugwuoke ist Dokto­randin an der Univer­sität Münster und arbeitet für verschie­dene Orga­ni­sa­tionen zu den Themen Rassismus, Femi­nismus und Inter­sek­tio­na­lität. In dem Work­shop, den sie leitet, wird es um inter­sek­tio­nalen Femi­nismus gehen. Für poli­ti­ko­range hat sie sich kurz Zeit genommen, um über das Thema zu spre­chen. 

politikorange: Frau Ugwuoke, was ist über­haupt inter­sek­tio­naler Femi­nismus?  

Menina Ugwuoke: Inter­sek­tio­naler Femi­nismus versucht, alle Diskri­mi­nie­rungs­er­fah­rungen mitzu­denken, nicht nur die von weißen Mittel­klas­se­frauen. Ich kämpfe also dafür, dass alle Menschen frei sind und nicht nur eine einzelne Gruppe. 

Neben dem inter­sek­tio­nalen wird in diesem Zusam­men­hang oft von weißem Femi­nismus“ gespro­chen. 

Weißer Femi­nismus ist für mich nicht nur auf Weiß­sein beschränkt, er ist für mich vor allem Sinn­bild für einen beschrän­kenden Femi­nismus. Damit ist ein Femi­nismus von weißen Frauen für weiße Frauen gemeint, in dem Themen wie Migra­tion, Klas­sismus oder Ableismus vernach­läs­sigt werden. Inter­sek­tio­naler Femi­nismus ist einfach eine bessere, korrek­tere Form von Femi­nismus. Weißer Femi­nismus ist für mich eigent­lich gar kein Femi­nismus. 

Welche Perspek­tiven werden denn im weißen Femi­nismus vergessen?  

Als Juristin denke ich da zuerst an Sexu­al­straf­recht. Weiße Femi­nis­tinnen fordern oft, dass alle Sexu­al­straf­taten härtere Strafen nach sich ziehen und konse­quenter verfolgt werden müssen. Grund­sätz­lich bin ich natür­lich auch dafür, dass Sexu­al­straf­taten konse­quent verfolgt und über­haupt als Straf­taten wahr­ge­nommen werden. Aber dabei werden oft die nega­tiven Folgen für migran­ti­sierte und prekär lebende Personen ausge­blendet.

Die wären? 

Das Sexu­al­straf­recht ist eng mit dem Aufent­halts­recht verknüpft. Das kann für Menschen, die keinen sicheren Aufent­halts­status haben, bedeuten, dass höhere Strafen gefor­dert werden, weil die Person dann leichter abge­schoben werden kann. Migran­ti­sierte Personen trauen sich wiederum oft nicht, Anzeige zu erstatten, weil sie nicht wollen, dass der Täter abge­schoben wird. Solche Verknüp­fungen werden oft nicht erkannt oder miss­achtet. 

Welche Reak­tionen begegnen Ihnen, wenn Sie Rassismus in femi­nis­ti­schen Räumen anspre­chen?  

Die prägendste Erin­ne­rung war, als ich auf einer Konfe­renz das Thema Inter­sek­tio­na­lität einge­bracht habe und dann von einer weißen Frau gesagt wurde, ich würde nur für den Femi­nismus kämpfen, der mich etwas angeht. Das war wohl das deut­lichste und proble­ma­tischste State­ment dazu. Oft wird Inter­sek­tio­na­lität außerdem als Iden­ti­täts­po­litik und als zu wenig radikal abgetan. Nach dem Motto, das ist nicht genug Kapi­ta­lis­mus­kritik, ihr macht alles nur für Schwarze Frauen. 

Wir haben viel über den Mangel an Inter­sek­tio­na­lität gespro­chen. Aber Diver­sity und auch Inter­sek­tio­na­lität sind mitt­ler­weile durchaus im Main­stream-Femi­nismus ange­kommen. Werbe­kam­pa­gnen werden immer viel­fäl­tiger, Unter­nehmen auch. Ist das nicht gut? 

Ja, das ist ein sehr wich­tiger Punkt. Ich glaube, Reprä­sen­ta­tion und Ausein­an­der­set­zung ist grund­sätz­lich wichtig. Aber wenn etwas im Main­stream ankommt, ist das oft ein Zeichen dafür, dass es entpo­li­ti­siert wurde und nicht mehr so radikal ist. Deshalb würde ich sagen, eine verkürzte Version von diesen Theo­rien kann teil­weise sogar schäd­lich sein. Es wird dann gesagt, wir sind divers aufge­stellt, wir haben hier eine Schwarze Frau an der Macht, wir haben hier eine trans Frau. Aber wenn das selbst Personen sind, die konser­va­tive Werte weiter vermit­teln, dann kommen wir auch nicht weiter. 


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