Bodenlos: Land­wirt­schaft zwischen Klima­krise und Profit 

Datum
22. Juni 2025
Autor*in
Hannah Wignanek
Redaktion
politikorange
Themen
#Interview #JPT2025
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caroline sauter
Dürren, Stark­regen, Ernte­aus­fälle und stei­gende Lebens­mit­tel­preise zeigen längst: Unser Ernäh­rungs­system befeuert nicht nur die Klima­krise, sondern ist auch beson­ders stark von ihren Folgen betroffen.

Die Land­wirt­schaft und Klima­wandel sind eng mitein­ander verflochten. Sophie Hamm geht in einem Work­shop auf das Thema genauer ein. (Foto: Jugend­presse Deutschland/​Caroline Sauter)

Sophie Hamm von der Agrar Koor­di­na­tion leitete bei den Jugend­Po­li­tik­Tagen 2025 einen Work­shop über den Zusam­men­hang zwischen Ernäh­rung, Klima und globaler Ungleich­heit. Sie disku­tierte mit jungen Menschen über Hand­lungs­mög­lich­keiten und Konse­quenzen für unsere Umwelt– und darüber, warum sich Enga­ge­ment lohnt.

politikorange: Frau Hamm, wieso sind Ihnen die Themen Klima­wandel und Land­wirt­schaft so wichtig? 

Sophie Hamm: Ich liebe diese Themen, weil sie uns alle betreffen: Beides sind Dinge, die uns tagtäg­lich in irgend­einer Form beein­flussen. Wir leben in einer Welt, haben ein Klima­system und brau­chen nun mal Essen. Das sind zwei Systeme, die so wichtig sind, aber auch so schief liegen, dass ich mich dafür begeis­tere. 

Schon jetzt ist die Land­wirt­schaft für 18,4 Prozent der globalen Treib­haus­gas­emis­sionen verant­wort­lich. Wohin bringt uns die Art und Weise, wie wir im Moment Land­wirt­schaft betreiben? 

Wir würden den Boden verlieren. Wir würden die Grund­lage unseres Lebens verlieren und damit auch unser Leben selbst. Unser Boden ist eine wert­volle Ressource und die Grund­lage von Land­wirt­schaft und Essens­pro­duk­tion. Wir beuten diese auf vielerlei Ebenen aus. 

Welche Folgen hat das für den Klima­wandel? 

Wir würden die Klima­krise weiter anheizen, weil wir hohe Treib­haus­gas­emis­sionen ausstoßen. Auf globaler Ebene ist die Land­wirt­schaft einer der größten Emit­tenten. Wenn wir die Land­wirt­schaft in diesem Maße beibe­halten und immer weiter ausbauen, dann würde der Anteil der Land­wirt­schaft an den gesamten Emis­sionen weit über 50 Prozent hinaus­gehen. Die Folgen wären Dürre, Extrem­wet­ter­er­eig­nissen, Wasser­knapp­heit und Über­schwem­mungen. Damit würden wir unsere Umwelt desta­bi­li­sieren und nicht nur ihr in massivem Umfang schaden, sondern auch Kriege weiter anheizen. 

Ausfälle in der Ernte und Versor­gungs­schwie­rig­keiten wirken als Kata­ly­sator für Kriege und Konflikte. Ein ganz promi­nentes Beispiel ist hier Syrien. Dort entfal­tete sich die größte Dürre seit vielen Jahren, die Konflikte zwischen den Akteuren weiter provo­ziert hat. Diese Phäno­mene werden in Zukunft immer häufiger auftreten und uns auch hier in Europa und Deutsch­land errei­chen.

Wie müssen wir die Land­wirt­schaft gestalten, um solche Szena­rien zu verhin­dern? 

Wir müssen wegkommen von konven­tio­neller, hoch­in­dus­tria­li­sierter Land­wirt­schaft, die unsere Böden ausnutzt und nicht aufbaut, die klima­schäd­lich ist, unsere Umwelt und die Biodi­ver­sität zerstört. Dadurch entsteht vor allem Unsi­cher­heit – und was wir jetzt brau­chen, ist Sicher­heit. 

Wir müssen viel dezen­traler werden und das Macht­ge­fälle im globalen Norden hinter­fragen. Wir müssen dezen­trale und lokale Systeme instal­lieren und aufhören, Neoko­lo­nia­lismus zu betreiben. Wir müssen regional anbauen und diese Güter dann umver­teilen. Wir brau­chen eine rege­ne­ra­tive, viel­fäl­tige, klein­tei­li­gere Land­wirt­schaft mit Boden­aufbau, weil das das Einzige ist, was zukunfts­fähig ist.

Wieso gehen wir diesen Weg nicht schon? 

Es ist ganz inter­es­sant, da wir ja aus evolu­tio­närer Perspek­tive als die intel­li­gen­testen Wesen dieser Erde gelten. Wir sind auch sehr intel­li­gent, aber wir sind nicht so klug. Klug­heit ist etwas anderes als Intel­li­genz in dem Sinne, dass man auf Erfah­rungen basie­rend, lebensnah und zukunfts­ori­en­tiert handelt. Es gibt große, macht­volle Akteure, denen es nicht darum geht, lebens­ori­en­tiert, soli­da­risch und zukunfts­fähig zu handeln, sondern die ihren Profit­stei­gern wollen. Dieser Profit ist aber sehr kurz gedacht und endlich. 

Die Proble­matik zeigt sich auch im kultu­rellen Diskurs. In Deutsch­land gibt es nun mal einen hohen Fleisch­konsum und es gibt unglaub­lich viel Massen­tier­hal­tung, die verwerf­lich ist – nicht nur ethisch, sondern auch klima­to­lo­gisch und ökolo­gisch. Wir machen aber trotzdem weiter. Damit sich das ändert, müssen wir am gesell­schaft­li­chen Diskurs arbeiten.

Welche Ände­rungen muss es auf inter­na­tio­naler Ebene geben?

Auf EU-Ebene muss die gemein­same Agrar­po­litik drin­gend refor­miert werden. Es gibt so viele Verbände, die seit Jahr­zehnten dafür kämpfen, dass auch nach­hal­tige land­wirt­schaft­liche Ansätze durch euro­päi­sche Mittel finan­ziert werden können. Global sehen wir die großen Global Player wie die Chemie- und Nahrungs­mit­tel­in­dus­trien, die die Mensch­heit und die Natur durch ihr Handeln zerstören und zum eigenen kurz­fris­tigen Profit wirt­schaften. Diese müssten gericht­lich zur Rechen­schaft gezogen werden. Es gibt auch bei Geset­zes­ver­stößen kaum Konse­quenzen.

Was können wir als Zivil­ge­sell­schaft und beson­ders wir als junge Menschen für eine Verän­de­rung in der Land­wirt­schaft tun? 

Ich möchte die Proble­matik ungern indi­vi­dua­li­sieren, denn das ist auch, was die großen Konzerne machen, um sich selbst aus der Verant­wor­tung zu ziehen. Den größten Einfluss haben die Indus­trie und die Politik. Die müssten sich ändern. Aller­dings basiert dieses System auch auf uns. Ich bin hier, weil ich Menschen ermu­tigen will, sich einzu­mi­schen und zu hinter­fragen. Sie sollten auch in kriti­schen und unbe­quemen Momenten Haltung zeigen. Unsere Macht ist gering, aber nicht null. 


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