Queeres Leben unter Druck: Wir müssen weiter­kämpfen“ 

Datum
23. Juni 2025
Autor*in
Norea Rüegg
Redaktion
politikorange
Thema
#JPT2025
sophie-popplewell-r6kYj8Ai8zc-unsplash

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Seit Jahren steigt die Zahl der queer­feind­li­chen Angriffe. Was die Teilnehmer*innen des Work­shop Queere Geschichte(n)“ für die Zukunft mitnehmen.
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Der Slogan Pride is a protest“, abge­druckt auf einer Tasche (Foto: Unsplash/​Sophie Popp­le­well)

Es ist Juni, offi­zi­eller Sommer­be­ginn. Für queere Menschen ist die sechste Seite im Kalender aber noch aus einem ganz anderen Grund beson­ders: Es ist wieder Zeit für Regen­bo­gen­flaggen, Drag-Shows auf der Straße und lange Partys – und alle scheinen mitzu­feiern. In den letzten Jahren malen immer mehr Unter­nehmen ihre Logos bunt, Promis und Politiker*innen lassen sich überall ablichten, wo es Pride-Flaggen gibt. Doch das war nicht immer so. 

Milena Seidl sagt dazu: Pride war nicht immer eine kunter­bunte Parade.“ Sie leitet bei den Jugend­Po­li­tik­Tagen einen Work­shop zu queerer Geschichte und erzählt dabei auch von den Anfängen der Pride-Bewe­gung. Begonnen hatte alles in einer der wenigen queeren Bars in New York, dem Stone­wall Inn“, wo sich vor allem POCs, Drag­queens und trans Frauen trafen. Regel­mäßig kam es dort zu Poli­zei­raz­zien, bei denen die Gäste diskri­mi­niert und schi­ka­niert wurden. So auch in der Nacht auf den 28. Juni 1969. Doch dieses Mal begannen die Besucher*innen der Bar, sich zu wehren. Diese Nacht löste eine so große Welle an Soli­da­rität aus, dass die Ausein­an­der­set­zungen mit der Polizei fünf Tage dauerten. Genau ein Jahr später fand in New York in Erin­ne­rung an den Aufstand der erste Chris­to­pher Street Day (CSD) statt. 1979 war die Pride-Bewe­gung auch in West-Deutsch­land ange­kommen und hunderte Teilnehmer*innen zogen durch die Straßen. 

All das erscheint auf den ersten Blick weit weg. Schließ­lich haben queere Menschen heute viel mehr Rechte als früher. Die Ehe für alle und das Selbst­be­stim­mungs­ge­setz sind nur wenige Beispiele für die großen Errun­gen­schaften der letzten Jahre. 

Doch die regen­bo­gen­far­bene Fassade scheint zu bröckeln: Erst letzte Woche unter­sagte Bundes­tags­prä­si­dentin Klöckner (CDU) dem queeren Netz­werk der Bundes­tags­ver­wal­tung die Teil­nahme am CSD mit Verweis auf eine gebo­tene Neutra­li­täts­pflicht“. Auch eine Regen­bo­gen­flagge wird am Reichs­tags­ge­bäude dieses Jahr nicht wehen. 

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Work­shop­lei­tung Milena Seidl (Foto: Jugend­presse Deutsch­land / Katja Siva­cheva)

Die Teilnehmer*innen des Work­shops berichten außerdem von einer zuneh­menden Anspan­nung mit Blick auf den CSD. Ja, es ist jetzt anders als die Jahre zuvor, defi­nitiv“, meint Feli­citas. Sie kommt aus Ostdeutsch­land und erzählt, dass bei einem Chris­to­pher Street Day rechte Grup­pie­rungen aufmar­schiert seien. Giulio bemerkt Ähnli­ches: Mein erster CSD war vor zwei, drei Jahren. Das war sehr fried­lich, sehr entspannt.“ Die Feier­laune habe sich verän­dert, als im vergan­genen Jahr Neonazis versucht hätten, die Parade anzu­greifen. Auch das BKA verzeichnet einen starken Anstieg queer­feind­li­cher Angriffe: Im Vergleich zu 2022 stiegen Straf­taten gegen queere Personen im Jahr darauf um die Hälfte an. 

Als Antwort auf den Rechts­ruck werden immer wieder Stimmen laut, die fordern, dass der CSD wieder mehr unter dem Motto stone­wall was a riot“ statt­findet. Die Errun­gen­schaften aus der queeren Szene wurden uns nicht einfach so gegeben“, sagt Milena Seidl. Sie wurden durch Aufstände schwarzer und queerer Personen gegen Poli­zei­schi­kane erreicht. Seidl meint: Diese insti­tu­tio­na­li­sierte Form von queerem Feiern gäbe es heute nicht, wenn sich die Leute damals nicht enga­giert hätten.“ Dass poli­ti­sches Enga­ge­ment und Wider­stand immer noch brand­ak­tuell sind, findet auch Paul: Wir müssen noch weiter dafür kämpfen, dass wir Rechte bekommen oder unsere derzei­tigen Rechte beibe­halten.“ Den CSD als reine Party zu begreifen, helfe dabei nicht. Feli­citas ist ähnli­cher Meinung: Stone­wall was a riot“ ist immer aktuell.“ Gerade die letzten Jahre hätten gezeigt, wie schnell queere Rechte wieder abge­schafft werden könnten. Deshalb sei es so wichtig, zu zeigen, dass die queere Commu­nity groß sei und sich nicht verdrängen lasse. 


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