Wegwerfen – aber richtig!

Datum
29. Oktober 2015
Autor*in
Adrian Arab
Redaktion
politikorange
Thema
#ZukunftsTour 2016
Handy

Handy

Handy kaputt? Klar – ab in die Wert­stoff­tonne und Gutes tun! Oder lieber nicht?

Wer sein Handy in die Wert­stoff­tonne gibt, tut viel­leicht was Gutes damit. Er könnte aber weitaus nach­hal­tiger handeln, mit glei­chem Aufwand“. Ralf Häußler berichtet in ruhiger Stimme. Er versprüht eine tief­grün­dige Kompe­tenz, unter­füt­tert seine Argu­mente glaub­haft – stets mit Zahlen und Statis­tiken. Der Pfarrer – Häußler arbeitet für das Zentrum für Entwick­lungs­be­zo­gene Bildung der Evan­ge­li­schen Landes­kirche in Baden-Würt­tem­berg – spricht monoton, aber poin­tiert. Keine Sekunde entstehen Zweifel, der Mann wisse nicht, wovon er spricht.

Handy kaputt? Wert hat es trotzdem!

Auf der Zukunfts­tour steht Ralf Häußler am Stand des Projekts Handy-Aktion“. Die Nummer eins auf der Liste der Konflikt­gründe im Kongo ist der Abbau von Rohstoffen aus der Erde“, so Häußler. Menschen­rechts­ver­let­zungen würden bei der Abbau der Rohstoffe billi­gend in Kauf genommen, meist seien Milizen illegal für den Abbau verant­wort­lich. Mit dem landes­weiten Projekt Handy-Aktion“ möchten Häußler und sein Team die schon abge­bauten Rohstoffe durch Recy­cling wieder­ver­werten. Das Ziel: Den allge­meinen Rohstoff­ver­brauch senken und die massen­hafte Ausbeu­tung von Arbeits­kräften stoppen. Ein hehres Ziel, das Häußler da hat.

Die Handys kann man in Sammel­boxen abgeben, die an vielen Orten – etwa in Schulen und Behörden – aufge­stellt sind. Die Daten werden gelöscht, das Handy in seine Einzel­teile zerlegt. Mit unserem Projekt führen wir die Handys Fach­stellen zu, die die Rohstoffe einzeln trennen“, erklärt Häußler und fügt hinzu: Die sorten­reine Tren­nung wird im Wert­stoff­handel nicht gewähr­leistet“.

Das Handy – Filet­stück des Elek­tro­schrotts

Knapp eine Million Handys werden pro Jahr entsorgt. Gleich mitent­sorgt werden 2,5 Tonnen Gold, 25 Tonnen Silber und 800 Tonnen Kupfer. Dass diese auch besser genutzt werden könnte, ist für Häußler klar: Wir möchten, dass die geschöpften Rohstoffe in den Kreis­lauf zurück­ge­führt werden.“. Die Frage, ob mit dem redu­zierten Abbau auch Arbeits­plätze in den Ursprungs­län­dern verloren gingen, pariert Häußler souverän: Wir möchten nur eine Reduk­tion sicher­stellen. Unser Ziel ist nicht, dass der Abbau von Rohstoffen gänz­lich einge­stellt wird“.

Das ginge auch gar nicht. Nur ein kleiner Teil der heute abge­bauten Rohstoffe wird für Mobil­te­le­fone genutzt. Nahezu alle tech­ni­schen Geräte enthalten allein durch ihre Platinen Rohstoffe. Trotzdem gilt das Handy als das Filet­stück“ des Elek­tro­schrotts, da es verhält­nis­mäßig viele Rohstoffe enthält. Ein Umdenken könnte hier schon einiges bewirken“, gibt sich Häußler zuver­sicht­lich und fügt hinzu:„Unser Ziel ist, dass einfach weniger Rohstoffe benö­tigt werden. Das hätte direkte Auswir­kungen auf die Arbeiter“.

(K)ein kleiner Beitrag für mehr Gerech­tig­keit

Da der Preis für Rohstoffe so gering ist, müssen die Arbeiter ihrer Tätig­keit auch unter widrigen Bedin­gungen nach­gehen – der Lohn ist dürftig. Häußler und sein Team möchten sicher­stellen, dass die Rohstoffe gezielter einge­setzt werden und so auch vernünf­tige Löhne bezahlt werden können. Wir möchten, dass endlich wieder ein Markt besteht, in dem auch die soziale Kompo­nente eine Rolle spielt. Das geht nur, wenn den Arbei­tern auch mehr bezahlt wird.“, so der Pfarrer.

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Pfarrer Ralf Häußler vor seinem Stand der "Handy-Aktion" (Foto: Adrian Arab)

Mit dem Geld, das das Projekt durch die recy­celten Rohstoffe erwirt­schaftet, unter­stützen die Initia­toren zudem gezielt Klein­schürfer. Momentan wird beispiels­weise im Kongo alles hervor­ge­holt, was geht. Der Klein­schürfer hat da keine fairen Chancen.“, so Häußler. Durch die Unter­stüt­zung soll zumin­dest ein kleines biss­chen Chan­cen­gleich­heit herge­stellt werden.

Auch die Wirt­schafts­riesen machen mit

Häußler scheut nicht davor zurück, die Mess­latte hoch zu legen. Wenn für die Rohstoffe das Doppelte an die Arbeiter bezahlt würde, hätte das auf den Verbrau­cher de facto keine Auswir­kungen“, sagt er. Denn der Anteil, den die Rohstoffe im Endpro­dukt ausmachten, sei sehr gering.

Die Sammelbox, in der die Handys im ganzen Land gesam­melt werden, ziert das Logo eines magen­ta­far­benen Tele­fon­dienst­leis­ters – der Telekom. Auch Fragen, wie christ­lich die Motive eines börsen­no­tierten Unter­neh­mens seien und welcher Wille dahinter stecke, den Abbau der Rohstoffe zu senken, umschifft Ralf Häußler elegant. Das kann man auch wirt­schaft­lich nach­voll­ziehen. Viele Unter­nehmen, so auch die Telekom, haben erkannt, dass sich der Verbrau­cher zuneh­mend für die Produk­ti­ons­kette inter­es­siert. Man nimmt nicht mehr einfach hin, dass soziale Miss­stände als Kolla­te­ral­schaden abgetan werden“, so Häußler. Deshalb glaubt er, dass das Enga­ge­ment der Telekom auch eine wirt­schaft­liche Berech­ti­gung hat.

Die Telekom stellt die Sammel­boxen und die gesamte Logistik zur Verfü­gung. Das ist ein Haufen Arbeit. Ohne die Telekom würde das Projekt nicht so gut laufen“, so Häußler. Doch nicht nur die Telekom ist betei­ligt. Viele Unter­nehmen, Jugend­ver­bände und auch die Kirchen unter­stützen das Projekt. Dass das für viele Betei­ligte auch eine Image­kam­pagne ist, bestreitet Ralf Häußler – der Prag­ma­tiker – nicht: Das kann sein. Und wenn sie dann auch noch sozial ist, dann haben alle was davon!


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