Was haben wir denn von Wohl­stand? 

Datum
22. Juni 2025
Autor*in
Mathilde Fuhr
Redaktion
politikorange
Thema
#JPT2025
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Alle disku­tieren darüber, wie Deutsch­lands Wirt­schaft wachsen kann – aber brau­chen wir über­haupt mehr Wachstum? Arratz Stammen vom Verein Konzept­werk neue ökonomie“ will, dass sich Wirt­schaft mehr an den mensch­li­chen Bedürf­nissen orien­tiert.

Arratz Stammen hat in deren Work­shop auf den JPT über Degrowth und Utopien aufge­klärt. (Foto: Jugend­presse Deutschland/​Caroline Sauter)

Wirt­schaft ohne Wachstum klingt für viele erstmal schwer vorstellbar, viel­leicht sogar unmög­lich. Die Vertreter*innen von Degrowth sehen das anders. Wirt­schaft verfolgt ihrer Meinung nach das Ziel, die mensch­li­chen Bedürf­nisse zu befrie­digen. Seit den 1970er Jahren warnt die Bewe­gung vor den Folgen von unbe­grenztem Wachstum und möchte Alter­na­tiven leben. Denn Armut, unfaire Vertei­lung von Ressourcen, Umwelt­zer­stö­rung und über­las­tete Arbeiter*innen spre­chen wohl kaum für gestei­gerte Lebens­qua­lität.

Arratz Stammen hat Degrowth wort­wört­lich studiert. Eigent­lich in einer konser­vativ-libe­ralen Familie aufge­wachsen, hat dey sich früh für Politik und Wirt­schaft inter­es­siert. Wie die meisten Menschen, dachte dey lange, dass genug Fort­schritt den Klima­wandel und weitere Krisen lösen wird. Auch für Kunst hat sich Arratz immer begeis­tert. Im Studium musste dey fest­stellen: Es gibt keinen nach­hal­tigen Kunst­sektor. Aber wozu Kunst auf einem toten Planeten?“

Für die Degrowth-Bewe­gung heißt Wohl­stand nicht unbe­dingt viel Geld zu haben

Mit diesem Gedanken zog es Arratz nach Barce­lona, in die einzige Stadt in der Degrowth damals als Master ange­boten wurde. Hier haben sich Bänker*innen, IT-Menschen und Aktivist*innen zusam­men­ge­funden, um über Wachs­tums­kritik und Alter­na­tiven zu disku­tieren. Degrowth rückt eine ganz andere Vorstel­lung von Wohl­stand ins Zentrum.“ Das kann zum Beispiel bedeuten, wieder genug Zeit für die persön­li­chen Inter­essen, Freund*innen und Familie zu haben. Arratz ist davon über­zeugt, dass eine andere Form des Zusam­men­le­bens als die der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft möglich ist. Es ist das System, dass uns egois­tisch und konkur­renz­ge­trieben macht, nicht unsere mensch­liche Natur.“ 

Nach diesem Gedanken lebt Arratz seit einiger Zeit. Zwei Jahre wohnte dey in der Wüste Alme­rías in Süd-Ost-Spanien, um gegen die Ausbeu­tung der anda­lu­si­schen Region zu kämpfen. Ich habe dort zwar gear­beitet, aber eben nicht für Lohn“, berichtet dey. Wir haben von anderen Ressourcen gelebt als von Geld.“ Essen hat die Gruppe teils selbst ange­baut, teils in der Nach­bar­schaft ertauscht. Es war span­nend zu sehen, wie viel Raum die zwischen­mensch­li­chen Bezie­hungen und auch die Bezie­hungen zum Fluss und zur Natur dort einge­nommen haben.“

Ein Verein klärt in Schulen und Kultur­ein­rich­tungen über Degrowth auf

Seit zwei Jahren arbeitet dey beim Konzept­werk neue ökonomie“, um deren Wissen und Erfah­rungen weiter­zu­geben. Das basis­de­mo­kra­ti­sche Kollektiv besteht aus 25 Mitarbeiter*innen und setzt sich in Arbeits­kreisen mit verschie­denen Aspekten von Degrowth ausein­ander. In Schulen, Unis, Kultur­ein­rich­tungen und auf Festi­vals gibt das Konzept­werk Work­shops. Außerdem produ­zieren die Mitarbeiter*innen einen Podcast über femi­nis­ti­sche Ökonomie. 

Die Degrowth-Bewe­gung hat die klare Vision einer Zukunft in Gemein­schaft und Balance mit den natür­li­chen Ressourcen. Wie der große Wandel geschehen kann, bleibt offen. In Form von Protest, soli­da­risch orga­ni­sierten Events oder eben in der Wüste Anda­lu­siens lassen sich kleine Degrowth-Gesell­schaften bereits jetzt in der Realität finden. 


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