Von Grünen zur Linken: Die Stimme der Links­lie­gen­ge­las­senen

Datum
01. März 2025
Autor*in
Jette Greve
Redaktion
politikorange
Thema
#BTW2025
Action2-1

Action2-1

Die Linke feiert nach den Ergeb­nissen der Bundes­tags­wahl, bei den Grünen deutet sich ein Perso­nal­wechsel an. Die Begrün­dung von Robert Habeck für den Boom der Linken: Junge Menschen wollten nicht Fried­rich Merz, also haben sie die Linke gewählt. Ich habe mich bei jungen Menschen umge­hört: Wie viel ist an dieser Erklä­rung wirk­lich dran?
Action2-1

©️ Lennart Jördens / Jugend­presse Deutsch­land e.V.

Die Linke feiert nach den Ergeb­nissen der Bundes­tags­wahl, bei den Grünen deutet sich ein Perso­nal­wechsel an. Die Begrün­dung von Robert Habeck für den Boom der Linken: Junge Menschen wollten nicht Fried­rich Merz, also haben sie die Linke gewählt. Ich habe mich bei jungen Menschen umge­hört: Wie viel ist an dieser Erklä­rung wirk­lich dran?

Hoch­ge­ris­sene Hände, strah­lende Gesichter, Jubel­schreie: Es ist der Abend der Bundes­tags­wahl auf der Wahl­party der Linken. Das vorläu­fige Ergebnis von 8,8% ist über­ra­schend für viele. Beson­ders auffällig ist, dass die Linke von vielen jungen Menschen gewählt wurde. In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen ist die Linke bei dieser Bundes­tags­wahl stärkste Kraft. Mit Blick auf die Wähler­wan­de­rung zeigt sich, dass der größte Zuwachs der Linken von den Grünen kommt.

Gegen rechts, links?

Noch am Wahl­abend erklärt Robert Habeck im heute journal: Durch das Abstimmen von Fried­rich Merz mit der AfD haben sehr viele, wahr­schein­lich vor allem junge, Leute gesagt: So, gegen rechts, links.“ Man habe keine Möglich­keiten gehabt, gegen diese Wähler­wan­de­rung anzu­gehen. Doch der Trend deutete sich schon vor der Wahl an. Auch in meinem Bekann­ten­kreis über­legten zahl­reiche junge Menschen, statt den Grünen bei dieser Wahl die Linke zu wählen. Im Gespräch mit ihnen entsteht jedoch ein anderes Bild als das, welches Habeck zeichnet: Die Stimme für die Linke war für die wenigsten eine reine Protest­stimme gegen rechts. Der Klima­schutz, für den die meisten die Grünen 2021 gewählt hatten, war in den letzten Jahren von anderen Themen über­la­gert worden. Die Linke habe glaub­haft gemacht, dass sie soziale Ungleich­heit bekämpfen möchte. Dieses Thema hat für viele an Rele­vanz gewonnen. Eine Freundin sagte mir, man merke ja schon im Super­markt, dass alles teurer geworden sei. Die Grünen haben bei der sozialen Gerech­tig­keit und Umver­tei­lung nicht ernst­haft vermit­teln können, dass sie sich für diese Themen einsetzen. Auch wenn Robert Habeck während des Wahl­kampfs schon im Dezember eine Milli­ar­därs­steuer gefor­dert hatte.

Zudem haben mir viele junge Wähler*innen erzählt, dass es sie enttäuscht habe, wie sich die Grünen in der Migra­ti­ons­de­batte posi­tio­niert haben. Die Kompro­miss­be­reit­schaft der Grünen in der Migra­ti­ons­po­litik, z.B. der GEAS Reform, habe den Eindruck geweckt, die Partei sei insge­samt weiter nach rechts gerückt. Ein Groß­teil der jungen Menschen, die sich bei dieser Wahl für die Linken entschieden haben, schil­derten mir ihren Eindruck, dass die Grüne sich in der Ampel-Regie­rung nicht genug durch­setzen konnte und zu viele Kompro­misse zu Lasten der eigenen Werte gemacht habe.

Kompro­miss­be­reit­schaft statt linker Themen

Auf gerade diese Kompro­miss­be­reit­schaft setzten die Grünen jedoch in ihrem Wahl­kampf. Zusammen“ war auf den grünen Plakaten zu lesen. Der Versuch, Bereit­schaft für eine weitere Regie­rungs­be­tei­li­gung zu signa­li­sieren? Leon Matella, Spre­cher der jungen Grünen im Kreis­ver­band München-Land, findet das war der rich­tige Weg für die Grünen. Die Grünen sind die Partei, die am verläss­lichsten eine Linie fahren“, meint er. Dabei ginge es jedoch nicht darum das eigene Partei­pro­gramm durch­zu­drü­cken, sondern Kompro­misse zu schließen. Beson­ders der voran­ge­trie­bene Ausbau der erneu­er­baren Ener­gien sei den Grünen zu verdanken. Dass Klima­schutz nicht mehr das zentrale Thema im Wahl­kampf war, hat den Stim­men­fang für die Grünen erschwert. Eigene Erfolge waren so kaum nach außen zu tragen. Im Gegen­satz zur Linken habe sich die Grüne in ihrem Wahl­kampf stärker daran orien­tiert, welche Themen die Gesell­schaft bewegen. Die Wahl­kampf­stra­tegie der Linken findet er mutig. Die Linken haben über­legt: Was sind unsere Themen – und damit gehen wir groß raus“, so Matella. Damit sei man ein Risiko einge­gangen, was sich jedoch ausge­zahlt habe.

Linken-Boom: Momentum oder Trend­wende?

Die Gespräche, die ich mit jungen Menschen geführt habe, zeigten jedoch: die meisten, die zu den Linken gewan­dert sind, haben sich nicht komplett von den Grünen abge­wendet. Damit sie ihr Kreuz wieder bei den Grünen setzen, forderten jedoch viele, dass die Partei wieder zu ihren sozi­al­po­li­ti­schen Themen zurück­kehre und sich auch glaub­würdig dafür einsetze. Ob dies passiert, ist frag­lich. Die Jour­na­listin Tanja Trica­rico, Leiterin des Politik-Teams der wochentaz, hält die Linke aktuell für die größte Konkur­renz der Grünen. Die beiden Parteien konkur­rieren größ­ten­teils um dasselbe Wähler*innenmilieu. Trica­rico kann sich vorstellen, dass nun inner­halb der Grünen sich ein erneuter Streit zwischen dem linken Lager der Partei und den soge­nannten Realos entwi­ckeln wird, in dem es darum geht, in welche Rich­tung sich die Partei nach der Bundes­tags­wahl entwi­ckeln soll. Auch der Poli­tik­wis­sen­schaftler Dr. Michael Kolk­mann hält dies für möglich. Entschei­dend sei vor allem, welche Personen in Zukunft das Gesicht der Partei sind. Kolk­mann sieht jetzt insbe­son­dere die Partei­vor­sit­zenden Fran­ziska Brantner und Felix Banaszak in der Verant­wor­tung. Sie haben die Aufgabe den Diskurs inner­halb der Partei zu führen und mögliche Unstim­mig­keiten zu kana­li­sieren. Denkbar wäre laut dem Poli­tik­wis­sen­schaflter von der Univer­sität Halle Dr. Michael Kolk­mann, dass erfah­rene Politiker*innen aus der Landes­ebene auf Bundes­ebene geholt werden. Zudem hält er es für möglich, dass Ricarda Lang eine zentrale Rolle in der Partei über­nimmt.

Wie sich die Grünen entwi­ckeln, bleibt abzu­warten. Klar ist: Robert Habeck wird keine führende Rolle im mögli­chen Rich­tungs­streit führen. Er hat am Tag nach der Bundes­tags­wahl ange­kün­digt, sich aus der Spit­zen­po­litik zurück­zu­ziehen.


Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild