Ampel-Aus, Vertrau­ens­frage, Neuwahlen. Aber wie könnte die nächste Koali­tion aussehen? 

Datum
27. Februar 2025
Autor*in
Nadgemi Bonanga
Redaktion
politikorange
Themen
#Interview #BTW2025
Beitragsbild_Nadgemi

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Ein neuer Wahl­kampf beginnt. Geprägt wird dieser von Vielem. Die Abstim­mung zum Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz“ der Frak­tion der CDU/CSU mit Stimmen der AfD, der Besuch des US-Vize­prä­si­denten JD Vance in München, Alice Weidel und Elon Musk im Inter­view, mehrere Anschläge in Deutsch­land. Aber was bedeutet das alles für die Bundes­tags­wahl und mögliche Koali­tionen hinterher? 

©️ Carlo Rückamp / Jugend­presse Deutsch­land e.V.

Im November 2024 zerbrach die Ampel­ko­ali­tion aus SPD, FDP und Bündnis 90/​Die Grünen. Das Ergebnis: Bundes­kanzler Olaf Scholz stellt die Vertrau­ens­frage am 16. Dezember 2024. Das Vertrauen wird ihm mit einer Mehr­heit von 394 Abge­ord­neten verwei­gert. Am 23. Februar 2025 finden Neuwahlen statt. Ein neuer Wahl­kampf beginnt. Geprägt wird dieser von Vielem. Die Abstim­mung zum Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz“ der Frak­tion der CDU/CSU mit Stimmen der AfD, der Besuch des US-Vize­prä­si­denten JD Vance in München, Alice Weidel und Elon Musk im Inter­view, mehrere Anschläge in Deutsch­land. Aber was bedeutet das alles für die Bundes­tags­wahl und mögliche Koali­tionen hinterher? 

Dazu hat poli­ti­ko­range-Redak­teurin Nadgemi Bonanga unter­schied­liche Stimmen gesam­melt. Zunächst wurden Einschät­zungen aus der Bundes­po­litik einge­holt, zu den zwischen­par­tei­li­chen Bezie­hungen, Ereig­nissen, die diese in letzter Zeit geprägt haben, und mögli­chen Koali­tionen. Geäu­ßert haben sich Akteure auf der Wahl­party von der Partei die Linke, Armand Zorn von der SPD, Anton Hofreiter von Bündnis 90/​Die Grünen, Sören Henschel von der FDP und Lasse Hansen von der CDU. Vom Bündnis Sahra Wagen­knecht gab es keine Zusage für ein Inter­view und von der AfD keine Antworten auf Inter­view­an­fragen. Hinzu kommt eine Einord­nung des Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Dr. Michael Kolkman von der Univer­sität Halle und Stimmen junger Menschen aus ganz Deutsch­land. 

Einschät­zungen aus den Parteien 

Nach jedem Anschlag gab’s immer irgend­welche Lippen­be­kennt­nisse“, so Lasse Hansen von der CDU zum Thema Migra­tion, als er die poli­ti­ko­range-Redak­tion für ein Inter­view besucht. Zum Zuwan­de­rungs­be­gren­zungs­ge­setz‘ fügte er an, dass Fried­rich Merz ja auch bedauert habe, dass die AfD mitge­stimmt hat. Dann kommt von Seiten der Redak­teure eine Frage zu den thema­ti­schen Ähnlich­keiten der Union und der AfD. Sonst wären nicht so viele Wähler dahin abge­wan­dert“, antwortet er. Die Brand­mauer sei am Ende auch ein Instru­ment, um die CDU kleiner zu halten. Die nächste Regie­rungs­bil­dung schätze er folgen­der­maßen ein: Eine Minder­heits­re­gie­rung ist natür­lich eine Option“ Eine Koali­tion mit der AfD würde er kate­go­risch ausschließen. Ansonsten würde ich vom demo­kra­ti­schen Ansatz her keine ausschließen“ Dann fügte er noch hinzu: Gut also, die Linke muss auch nicht sein“ 

Wir kommen rein“: So zuver­sicht­lich schien Sören Henschel (FDP) einen Tag vor der Bundes­tags­wahl zu sein, dass die FDP in die nächste Regie­rungs­ko­ali­tion kommt. Als seine Wunsch­ko­ali­tion“ gibt er Schwarz-Gelb an. Dies hält er aller­dings für unwahr­schein­lich, von Seiten der Union. Das betonte er mit einem Zitat von Fried­rich Merz: 4% sind 4% zu viel für die FDP“ Henschel vermutet: Wenn wir rein­kommen, gibt es eine Deutsch­land­ko­ali­tion“ Am 23. Februar dann die Ernüch­te­rung auf der Wahl­party der FDP, laut der Prognosen wird sie nicht in den Bundestag einziehen. 

Anton Hofreiter von der Partei Bündnis 90/​Die Grünen äußerte sich dahin­gegen so: Die FDP hat durch ihren fatalen Vertrau­ens­bruch letzt­lich das Bündnis unhaltbar gemacht. Ein kate­go­ri­sches Ausschließen poten­zi­eller Partner – wie es die Union, insbe­son­dere die CSU, prak­ti­ziert hat – schadet der Demo­kratie. Gleich­zeitig gibt es klare rote Linien: Die Linke vertritt in Fragen der sozialen Gerech­tig­keit vernünf­tige Posi­tionen, ihre Außen­po­litik hingegen ist fatal und stellt eine große Gefahr für die Ukraine sowie die euro­päi­sche Sicher­heits­ar­chi­tektur dar. Eine Koali­tion mit ihr wäre daher schwierig. Die AfD ist der innere Feind Deutsch­lands. Sie biedert sich Russ­land an, ist in Spio­na­ge­af­fären mit China verstrickt und zeigt klare faschis­ti­sche Charak­te­ris­tika. Ihr Einfluss stellt eine direkte Gefahr für unser Land dar.“ 

Armand Zorn von der SPD schätzt die Lage am Vormittag des Wahl­tages so ein: Ich glaube, dass das poli­ti­sche Klima in letzten Jahren und letzten Monaten sich erheb­lich verschlech­tert hat. Und das ist natür­lich auch eine Belas­tung für die Zusam­men­ar­beit zwischen den Parteien. Ich glaube, dass dieser Wahl­kampf sehr intensiv geführt wurde und, dass er auch eher geprägt war von Aussagen, die meines Erach­tens pola­ri­sie­rend waren und das macht es natür­lich schwierig zusam­men­zu­ar­beiten.“ In Bezug auf mögliche Koali­tionen teilt er mit: Aber ich würde auch sagen, Deutsch­land basiert darauf, dass Parteien zusam­men­ar­beiten müssen. Am Ende kann man das sich auch gar nicht so aussu­chen, weil der Wähler oder die Wähler entscheiden. Ich persön­lich würde mir eine rot-grüne Regie­rung wünschen. Mit der AfD kann ich mir gar keine Zusam­men­ar­beit vorstellen.“ 

Am 23.02 kurz vor 18 Uhr sagte der Bundes­ge­schäfts­führer Janis Ehling auf der Wahl­party der Linken, dass es seit dem Ampel-Aus mehr neue Mitglieder als alte Mitglieder“ gab, Die Eintritte gibts grad überall, das gibt Hoff­nung“. Als dann um 18h die Prognosen verkündet wurden, lag die Linke bei 8,5 Prozent. Der Jubel war groß. Kurz danach verkün­dete Spit­zen­kan­didat Jan van Aken auf der Bühne: Wir werden die Regie­rung von Fried­rich Merz richtig kontrol­lieren.“ Ines Schwerdtner: Wir sagen, wir sind die Brand­mauer und wir werden gegen die Faschisten im Parla­ment kämpfen. Wir sind jetzt eine starke soziale Oppo­si­tion im Bundestag und wir werden es nutzen, um eine starke gesell­schaft­liche Kraft zu sein und um wirk­lich etwas in der Gesell­schaft zu verän­dern.“ 

Einord­nung des Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Dr. Michael Kolk­mann  

Am Morgen des 24. Februar hielt der Poli­tik­wis­sen­schaftler Dr. Michael Kolk­mann von der Univer­sität Halle einen Vortrag zur Einord­nung der Wahl­er­geb­nisse im Redak­ti­ons­raum der poli­ti­ko­range-Redak­tion zur Bundes­tags­wahl. Heute morgen werden ein paar Konturen klar“, schätze er ein. Der Wahl­kampf sei geprägt von einem Spagat der Parteien zwischen Wechsel- und Stamm­wäh­lern, zudem gäbe es die unpo­pu­lärsten Kanz­ler­kan­di­daten, die wir jemals hatten‘. Mit der FDP sei eine ganze Frak­tion weg und auch das BSW sei am Bundes­tag­einzug geschei­tert, so Kolk­mann. Die Union mag gewonnen haben, aber das macht das Regieren jetzt nicht unbe­dingt einfa­cher“ Er betont dies damit, dass Fried­rich Merz zum Beispiel im Bundesrat auf Stimmen von anderen Parteien ange­wiesen sei. In Bezug auf mögliche Koali­tionen sagte er: Wir finden Minder­heits­re­gie­rungen immer sehr unstabil und wir brau­chen Stabi­lität“ Er folgert: Da wird man als Union der SPD sehr weit entge­gen­kommen müssen. Wenn das schei­tert, wird viel­leicht der Bundes­prä­si­dent inter­es­sant.“ Man müsse zwischen den Parteien zusam­men­ar­beiten, so Kolk­mann. Das wird nun auch die neue Regie­rung unter Fried­rich Merz prägen“ 

Junge Stimmen 

Eine Person betont den Rechts­ruck: Ehrli­cher­weise macht mir die ganze poli­ti­sche Situa­tion zurzeit echt Angst und ich frage mich oft, wie es weiter­gehen wird. Der Rechts­ruck ist etwas, was ich ganz einfach nicht verstehe, weil ich nicht wirk­lich begreife, wie Menschen nicht sehen können, wie schlimm solche radi­kalen Ansichten und die daraus folgenden Taten sind. Ich hoffe einfach, dass nach der Wahl eine Regie­rung gebildet wird, mit der eine gute Zukunft möglich ist, auch wenn ich selber nicht genau weiß, wie so eine Regie­rung aussehen soll, außer dass die AfD defi­nitiv nicht Teil davon sein sollte.“ 

Ein anderer stellt Wider­sprüche im Parla­ment in den Vorder­grund: Deutsch­land mag zwar als sicheres Land“ gelten, aber ange­sichts der Politik und der jüngsten Ereig­nisse, mag ich dies bezwei­feln. Wenn sich Mitglieder des Bundes­tags so sehr wider­spre­chen (insbe­son­dere Merz bezüg­lich der Koali­tion mit der AfD) frage ich mich persön­lich, wie wir jemanden wählen sollen, bei dem wir nicht wissen, was er nun eigent­lich will.“ 

Ein Weiterer erhofft sich eine gute Zusam­men­ar­beit: Ich hoffe, dass wir mal eine Koali­tion bekommen, die in eine klare Rich­tung geht. Das hat mir bei der Ampel­re­gie­rung gefehlt. Es waren Parteien, die an sich nicht wirk­lich zusam­men­passten, wodurch keiner wirk­lich etwas durch­setzen konnte und die Regie­rungs­par­teien wie drei Hunde an einer Leine in verschie­dene Rich­tungen zogen.“ 


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