Jung, weib­lich, poli­tisch – Wird die Bundes­tags­wahl 2025 femi­nis­tisch?

Datum
27. Februar 2025
Autor*in
Chiara Starcke
Redaktion
politikorange
Thema
#BTW2025
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Obwohl Aktivist*innen und Politiker*innen junge Frauen empowern wollen, sich zu enga­gieren und nicht nur alle vier Jahre ein Kreuz zu setzen, kann die poli­ti­sche Land­schaft Deutsch­lands keines­wegs als femi­nis­tisch und gleich­be­rech­tigt bezeichnet werden. Das gilt auch, wenn sich der Regie­rungs­chef selbst als Femi­nist bezeichnet. Kurz vor der Bundes­tags­wahl hoffen viele Frauen*, dass die Wahl einen femi­nis­ti­schen Wandel in der Politik bewirken wird. Aber ist diese Hoff­nung realis­tisch? 

©️ Carlo Rückamp / Jugend­presse Deutsch­land e.V.

Meine Groß­mutter hat mich bewegt in die Politik zu gehen, sie wollte Unge­rech­tig­keiten nie wieder hinnehmen“. Auf der Podi­ums­dis­kus­sion am Donnerstag vor der Bundes­tags­wahl 2025 enthüllt die Direkt-Kandi­datin der SPD Berlin-Mitte Annika Klose ihre Beweg­gründe für ihr poli­ti­sches Enga­ge­ment. Auf einen Vermerk des Mode­ra­tors in Bezug auf Scholz‘ Antwort auf die Frage, was er von Frauen* lernen könne, antwortet Frau Klose, dass er Femi­nist sei. 

Obwohl Aktivist*innen und Politiker*innen junge Frauen empowern wollen, sich zu enga­gieren und nicht nur alle vier Jahre ein Kreuz zu setzen, kann die poli­ti­sche Land­schaft Deutsch­lands keines­wegs als femi­nis­tisch und gleich­be­rech­tigt bezeichnet werden. Das gilt auch, wenn sich der Regie­rungs­chef selbst als Femi­nist bezeichnet. Kurz vor der Bundes­tags­wahl hoffen viele Frauen*, dass die Wahl einen femi­nis­ti­schen Wandel in der Politik bewirken wird. Aber ist diese Hoff­nung realis­tisch? 

Mehr Kandi­die­rende, weniger Viel­falt? Ein Blick auf die Bundestagswahl-Bewerber*innen 

Ob femi­nis­ti­sche Ziele mit der Bundes­tag­wahl umge­setzt werden können, ist gar nicht so leicht zu beant­worten. Die verschie­denen Posi­tio­nie­rungen und Quoten müssen unter­sucht werden, um dies fest­stellen zu können. 

Laut der Bundes­wahl­lei­terin Dr. Ruth Brandt traten am 23.02 insge­samt 4.506 Wahlbewerber*innen an. Davon nur 1.422 Frauen – das sind knapp 31,6 Prozent. Noch 0,4 Prozent­punkte weniger als vor 4 Jahren zur Bundes­tags­wahl 2021

Während Bündnis 90/​Die Grünen mit einem Frauen*anteil von 52,7 Prozent an der Spitze stehen, folgen die Linken mit 44,5 Prozent weib­lich gele­senen Personen. Die CDU/CSU mit 41,9 Prozent und SPD mit 40,4 Prozent. Deut­lich schlechter schneidet die AfD ab: Nur 12,4 Prozent der Kandi­die­renden sind Frauen. Damit bleibt die Partei weit hinter den anderen großen Frak­tionen zurück und unter­streicht einmal mehr ihr struk­tu­relles Ungleich­ge­wicht in der Geschlech­ter­ver­tei­lung. 

Eine verbind­liche Quote für Wahl­listen zur Bundes­tags­wahl haben nur Bündnis 90/​Die Grünen, Die Linke und SPD. Grüne und Linke setzen auf eine gleich­wer­tige 50-Prozent-Quote, während die SPD 40 Prozent der Listen­plätze für Frauen* vorsieht. Die Union vermeidet klare Vorgaben für Wahl­listen und beschränkt sich auf interne Partei­gre­mien, während FDP sowie AfD keinerlei Maßnahmen zur Förde­rung von Frauen* ergreifen und weiterhin auf männ­lich domi­nierte Listen setzen. 

Auch wenn eine Quote viel­ver­spre­chend klingen mag, ist diese leider keine Garantie für eine femi­nis­ti­sche Politik nach der Bundes­tags­wahl. Der Bundestag ist ein männ­lich geprägter Ort: nur 35,7 Prozent der Abge­ord­neten sind weib­lich. Prognosen von Abge­ord­ne­ten­watch zeigen, dass dieser Anteil nach der kommenden Wahl weiter sinken könnte – auf nur noch 31,5 Prozent. Dies ist primär den hohen Umfra­ge­werten der AfD geschuldet, welche die geringste Frau­en­quote aufweist. Doch selbst eine verhält­nis­mäßig hohe Frau­en­quote – wie bei der CDU sugge­riert nicht auto­ma­tisch eine femi­nis­ti­sche Program­matik. 

Social Media als Waffe & Platt­form für femi­nis­ti­sche Bewe­gungen 

Ein Social Media Post der Linken vergleicht die femi­nis­ti­schen Anteile in den Partei­pro­grammen der Parteien. Dabei wird deut­lich, dass die CDU wenig, bis keine femi­nis­ti­sche vertritt. Wenn im Wahl­kampf doch über Femi­nismus gespro­chen wurde, lief dies meist auf eine Diskus­sion über die Entkri­mi­na­li­sie­rung von Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen hinaus. Die Linke, SPD, Grüne sowie das BSW stehen für eine Strei­chung. Wohin­gegen Union, FDP und auch AfD sich klar gegen die Selbst­be­stim­mung der Frau in Bezug auf ihren Körper posi­tio­nieren. Die Tatsache, dass dieses Thema in allen Partei­pro­grammen vertreten ist, zeigt, dass eine neutrale Haltung dazu nicht möglich ist. 

Politik bleibt Männer­sache – doch junge Frauen fordern Verän­de­rung 

Während Deutsch­land über Gleich­stel­lung disku­tiert, bleibt der Bundestag ein Ort, an dem Frauen* weiterhin unter­re­prä­sen­tiert sind. Bei der Bundes­tags­wahl 2025 steht nicht nur die Sitz­ver­tei­lung zur Debatte, sondern auch, inwie­weit femi­nis­ti­sche Anliegen in der poli­ti­schen Land­schaft wirk­lich Gehör finden. Ein Gespräch mit jungen Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rinnen zeigte, dass diese eine klare Vorstel­lungen davon haben, was sich ändern muss. 

Gleich­be­rech­ti­gung – ein poli­ti­sches Rand­thema? 

Mich inter­es­siert beson­ders, wie Parteien mit dem Thema Gleich­be­rech­ti­gung umgehen und welche poli­ti­schen Konzepte sie tatsäch­lich umsetzen“, erklärt eine der jungen Frauen*. Neben klas­si­schen sozi­al­po­li­ti­schen Fragen, Bildung und Umwelt­po­litik sind es vor allem frau­en­recht­liche und anti­fa­schis­ti­sche Themen, die sie bewegen. Wie viel Aufmerk­sam­keit erhalten diese Anliegen? Und vor allem: Wer setzt sich tatsäch­lich dafür ein? 

Die Realität sieht ernüch­ternd aus. Frauen sind nicht nur im Bundestag unter­re­prä­sen­tiert, sondern erleben auch im poli­ti­schen Diskurs große Heraus­for­de­rungen. Als Frau wird man seltener ernst genommen und muss oft härter kämpfen, um gehört zu werden“, so Frau Sommer*. Der Zugang zur Politik bleibt schwer – beson­ders im länd­li­chen Raum fehlt es an Anlauf­stellen. Nicht selten kommt der stärkste Gegen­wind aus dem eigenen fami­liären Umfeld. 

Die Macht der Social-Media-Filter­blasen 

Die poli­ti­sche Meinungs­bil­dung junger Frauen* findet heute vor allem in den Sozialen Medien statt. Ich bin in vielen poli­ti­schen Bubbles unter­wegs und habe das Gefühl, dass meine Probleme dort wahr­ge­nommen werden“, erzählt Frau Winter*. Doch gleich­zeitig zeigen Platt­formen wie TikTok und Insta­gram, wie stark sich poli­ti­sche Lager vonein­ander abschotten. Bei der AfD sieht man kaum Frau­en­stimmen in Kommen­taren oder Inter­views – das spricht Bände.“ 

Soziale Medien bieten zwar Zugang zu poli­ti­schen Debatten, verstärken aber oft bestehende Über­zeu­gungen. Während linke Stimmen auf Platt­formen wie Insta­gram domi­nieren, bleibt konser­va­tive oder rechts­po­pu­lis­ti­sche Politik in diesen Kreisen nahezu unsichtbar. Rechte Diskurse scheinen in den Medien zu verschwinden. Ich folge vielen poli­ti­schen Influencer*innen und Expert*innen, die in Worte fassen, was ich denke. Das hilft mir, meine Meinung zu festigen und zu arti­ku­lieren.“ Doch wie viel Einfluss hat diese digi­tale Akti­vität auf reale poli­ti­sche Teil­habe? 

Was sich in der Partei­en­land­schaft ändern muss 

Die Forde­rungen sind klar: Es braucht mehr Frauen in poli­ti­schen Ämtern, sonst bleiben die Gesetze, die unser Leben bestimmen, weiterhin von Männern domi­niert.“ Beson­ders besorg­nis­er­re­gend finden die Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rinnen, dass Parteien wie die AfD offen ein veral­tetes Frau­en­bild vertreten. Wenn eine Partei fordert, dass Frauen zurück in tradi­tio­nelle Rollen gedrängt werden, ist das nicht nur anti­fe­mi­nis­tisch, sondern ein direkter Angriff auf unsere Frei­heit.“ 

Doch nicht nur rechte Parteien stehen in der Kritik. Femi­nis­ti­sche Politik müsse mehr sein als ein Wahl­kampf­slogan – es brauche konkrete Konzepte. Mehr Reprä­sen­ta­tion, verbind­liche Quoten, bessere Verein­bar­keit von Familie und Beruf – all das sind die Voraus­set­zungen, um lang­fristig mehr Frauen für poli­ti­sche Ämter zu gewinnen. 

Ein langer Weg zur gleich­be­rech­tigten Demo­kratie 

Die Wissen­schaft­le­rinnen sind sich einig: es braucht einen funda­men­talen Wandel in der poli­ti­schen Land­schaft. Politik muss für junge Frauen* zugäng­li­cher werden und Vorbilder schaffen. Nur wenn mehr von uns mitent­scheiden, bleibt die Politik am Puls der Zeit.“ Denn solange femi­nis­ti­sche Anliegen nicht konse­quent vertreten werden, bleibt die Gleich­stel­lung ein Verspre­chen ohne Funda­ment. 

Jung, weib­lich, poli­tisch – Ein Gespräch mit Poli­ti­kerin Annika Klose 

Annika Klose äußerte sich nach der Podi­ums­dis­kus­sion am Donnerstag vor der Bundes­tags­wahl. Neben den übli­chen Themen, wie Migra­tion, Sicher­heits- und Außen­po­litik, wurde kaum über Sozi­al­po­litik und über­haupt nicht über Femi­nismus gespro­chen. Für eine junge Poli­ti­kerin, die sich aktiv für Gleich­be­rech­ti­gung einsetzt nicht zufrie­den­stel­lend. 

Auf die Frage, welche femi­nis­ti­schen Anliegen im aktu­ellen Wahl­kampf ausrei­chend vertreten sind, fällt die Antwort deut­lich aus: Überall gibt es Nach­hol­be­darf.“ Zwar sei das Abtrei­bungs­verbot endlich in den poli­ti­schen Diskurs gerückt. Doch ohne eine Mehr­heit im Bundestag blieb es bislang bei einem symbo­li­schen Schritt. Es ist gut, dass darüber gespro­chen wurde, aber es reicht nicht.“ 

Andere femi­nis­ti­sche Themen fehlen im Wahl­kampf komplett. Lohn­ge­rech­tig­keit, Gewalt­schutz, struk­tu­relle Benach­tei­li­gung – es gäbe so viel zu tun, doch es passiert kaum etwas.“ Zwar wurde das Gewalt­hil­fe­ge­setz beschlossen, aber umfas­sende Maßnahmen, zum Schutz von Frauen* fehlen weiterhin. 

Ein zentraler Faktor für mehr Gleich­be­rech­ti­gung bleibt die poli­ti­sche Reprä­sen­ta­tion. Doch wie lassen sich mehr Frauen für Ämter gewinnen? Das ist eine schwie­rige Frage“, räumt Frau Klose ein. Eine Quote sei ein wich­tiger Schritt in die rich­tige Rich­tung. Immerhin hat die SPD bereits eine für die Aufstel­lung von Wahl­listen einge­führt. Doch das reicht nicht. Wir brau­chen ein Pari­täts­ge­setz, damit Parla­mente endlich gleich­mäßig besetzt werden.“ 

Darüber hinaus müsse auch auf Landes­ebene nach­ge­steuert werden. Viele Direkt­kan­di­da­turen gehen nach wie vor an Männer, weil diese in aussichts­rei­cheren Wahl­kreisen antreten.“ Hier braucht es verbind­liche Vorgaben für Landes­ver­bände. Ein weiterer Punkt: Frauen werden oft nicht ausrei­chend auf poli­ti­sche Ämter vorbe­reitet. Ich wünsche mir für meine eigene Partei Förder­pro­gramme für Frauen – Sie brau­chen mehr struk­tu­relle Unter­stüt­zung“ 

Der Weg in die Politik bleibt für viele junge Frauen steinig. Doch was braucht es, um sie trotz mögli­cher gesell­schaft­li­cher Gegen­strö­mungen zu mobi­li­sieren? Kloses Aufruf ist klar: Macht das auf jeden Fall – eure Stimme wird drin­gend gebraucht.“ Sich nicht unter­kriegen zu lassen und sich gezielt Verbün­dete zu suchen, sei essen­ziell. Frau­en­so­li­da­rität und Netz­werke seien unfassbar wert­voll. 

Die abschlie­ßende Botschaft ist unmiss­ver­ständ­lich: Soli­da­ri­siert euch und kämpft zusammen, denn gemeinsam können wir mehr errei­chen.“ In einer poli­ti­schen Land­schaft, die noch weit von echter Gleich­stel­lung entfernt ist, bleibt das ein entschei­dender Schlüssel für Verän­de­rung. Ange­sicht des Wahl­er­geb­nisses gehört der 23. Februar nicht zu den erfolg­rei­chen Tagen des Femi­nismus. Die beiden stärksten Parteien posi­tio­nieren sich gegen das Abtrei­bungs­verbot und dämpfen dabei die Hoff­nungen vieler Frauen*. Aber genau deshalb ist es so wichtig seine Stimme jenseits von Wahlen zu nutzen. 


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