Upload­filter als Einschrän­kung der Pres­se­frei­heit

Datum
25. Oktober 2018
Autor*in
Aaron S. Krings
Redaktion
politikorange
Thema
#JMT18
181006-JMT-AnnkathrinWeis-08314

181006-JMT-AnnkathrinWeis-08314

Foto: Jugendpresse Deutschland/Annkathrin Weis

Dass die Pres­se­frei­heit durch die aktuell disku­tierte Urhe­ber­rechts­re­form der EU einge­schränkt werden könnte, sorgte noch vor ein paar Monaten für viele Diskus­sionen. Doch dann war das Thema wieder aus den Medien verschwunden. Zu schwer zu fassen, zu komplex, scheint es. Doch die Verhand­lungen zur Urhe­ber­rechts­re­form laufen immer noch. Die Meinungen dazu gehen ausein­ander. Der Haupt­streit­punkt ist Artikel 13. Erklären, was dieser besagt, kann scheinbar niemand so richtig. Was also steht in Artikel 13? Und wo liegt das Problem? Unser Redak­teur Aaron S. Krings hat recher­chiert.

 Man könnte damit tatsäch­lich das Netz in einer Weise regu­lieren, dass der Medi­en­frei­heit und Pres­se­frei­heit Schaden zuge­fügt wird“, sagt der Jour­na­list und Direktor des Euro­päi­schen Zentrums für Presse- und Medi­en­frei­heit, Lutz Kinkel. Artikel 13 ist ein Teil der EU-Urhe­ber­rechts­re­form, die erst­mals im September 2016 vorge­stellt wurde. Damit sollen Betreiber von Platt­formen haftbar gemacht werden für die auf ihre Webseiten hoch­ge­la­denen Inhalte. Dadurch sollen die Urhe­ber­rechte von Rech­te­inha­bern geschützt und die ille­gi­time Verwen­dung von geschütztem Mate­rial unter­bunden werden. Es geht bei der Reform also um eine Stär­kung von Urhe­bern wie zum Beispiel Autoren, Foto­grafen und Musi­kern. Konkret würde das bedeuten, dass Inhaber von Platt­formen die auf ihre Seiten hoch­ge­la­denen Inhalte filtern müssen. Nur so könnte garan­tiert werden, dass keine urhe­ber­recht­lich geschützten Inhalte verbreitet werden. Bernd Fiedler, Projekt­ma­nager bei Wiki­media Deutsch­land mit Schwer­punkt Urhe­ber­recht und Urhe­ber­rechts­re­form, versucht es folgen­der­maßen auf den Punkt zu bringen: Wenn ich sicher­stellen muss, dass urhe­ber­rechts­ver­let­zende Inhalte nicht auf meinem Service bereit­ge­stellt werden, dann habe ich keine andere Möglich­keit als auto­ma­ti­sierte Filter einzu­setzen, die genau das gewähr­leisten.“ Ein solches System stellt das Content-ID“-Programm auf YouTube dar. Rech­te­inhaber müssen dort Refe­renz­daten ablegen, die die hoch­ge­la­denen Daten auto­ma­tisch abglei­chen. Wird das Urhe­ber­recht verletzt, wird der Rech­te­inhaber auto­ma­tisch benach­rich­tigt. Er kann dann den Inhalt selbst­ständig entfernen oder eine Betei­li­gung an den Einnahmen des Videos fordern. Probleme machen solche Systeme jedoch immer wieder. Ein Filter, der zu fein ist, könnte dazu führen, dass es zu einem soge­nannten Over­blo­cking“ kommt. Das bedeutet, dass zu viele Inhalte blockiert würden. Inhalte beispiels­weise, die unter die Meinungs- und Pres­se­frei­heit fallen, wären daher gefährdet. Das könnte beispiels­weise Satire betreffen, die urhe­ber­recht­lich geschützte Inhalte zitiert. Die Befürch­tung vieler Kritiker ist, dass auto­ma­ti­sierte Filter nicht in der Lage seien, zwischen Satire und Nutzungen, die Urhe­ber­rechte verletzt, zu unter­scheiden. Bereits jetzt gibt es die Möglich­keit zur Löschung von Inhalten im Netz. So kann jeder Inter­net­nutzer Urhe­ber­rechts­ver­let­zungen melden. Bild‑, Video‑, Audio- und Text­daten werden von den Platt­form­be­trei­bern teil­weise direkt gesperrt und aus dem Netz genommen, teil­weise erst geprüft. Artikel 13 verpflichtet Platt­form­be­treiber jedoch, urhe­ber­rechts­ver­let­zende Inhalte gar nicht erst auf der eigenen Platt­form zuzu­lassen. In diesem Fall ist eine Filte­rung noch vor dem Upload notwendig. Das heißt, du schaffst eine Zensur­in­fra­struktur, die viel­leicht nicht miss­braucht wird, aber die miss­braucht werden kann. Wenn du das nicht nur runter­nimmst, sondern auch verhin­derst, dass es neu hoch­ge­laden wird, dann ist es Zensur“, kriti­siert Bernd Fiedler, Projekt­ma­nager bei Wiki­media. Wiki­media ist eine gemein­nüt­zige Gesell­schaft, die sich dafür einsetzt, dass Wissen frei zugäng­lich gemacht wird. Kann Artikel 13 folg­lich als Angriff auf die Presse- und damit auch die Meinungs­frei­heit verstanden werden? Eine Beschrän­kung der hoch­ge­la­denen Inhalte könnte eine Auswir­kung auf die Arbeit von Medien haben, kriti­sieren Vertreter von Wiki­media oder der Platt­form netz​po​litik​.org. Sie fürchten, Bilder, Videos und Texte könnten nicht mehr einfach genutzt werden. Jour­na­lismus, der zur Doku­men­ta­tion auch Inhalte von anderen Urhe­bern braucht, könnte hier beschnitten werden. Ange­lique Geray, Volon­tärin bei BILD-TV, sieht genau hier das Problem. Manchmal kann man Dinge nur kriti­sieren, wenn man sie auch zeigt. Ich kann schlecht etwas kriti­sieren, wenn ich es nicht einmal kurz anreißen darf. Diese Upload­filter können meiner Meinung nach unter­binden, dass ich diese Ausschnitte zeigen kann.“ Lutz Kinkel hingehen sieht auch Chancen in der Urhe­ber­rechts­re­form – konkret in Artikel 11. Da ist immer noch meine Hoff­nung, dass Leute, die copy­right­ge­schütztes Mate­rial erstellen, auch entspre­chend entlohnt werden, wenn das Mate­rial weiter genutzt wird.“ Artikel 11 regelt die Leis­tungs­schutz­rechte neu. Dabei braucht jeder, der jour­na­lis­ti­sche Inhalte auf Platt­formen verbreitet, eine Lizenz des Heraus­ge­bers. Wer keine hat, darf den Inhalt nicht teilen. Wird der Artikel 13 tatsäch­lich umge­setzt, werden sich die Bedin­gungen für Meinungs­äu­ße­rung und Pres­se­frei­heit grund­le­gend ändern, sagt Bernd Fiedler. Ich über­lege erst fünfmal, was ich tatsäch­lich hoch­lade und verpasse mir selber dadurch viel­leicht einen Maul­korb.“ Er glaubt, dass die Medi­en­welt weniger viel­fältig sein wird. Leute hörten auf, sich auszu­pro­bieren und blieben einfach Konsu­menten. Mit dem Upload­filter wird das Internet schwarz­weiß!“ Für Bernd Fiedler ist das ein offen­sicht­li­cher Verlust von Viel­falt und Meinungs­frei­heit und damit auch der Pres­se­frei­heit. Aktuell laufen die Verhand­lungen zur Urhe­ber­rechts­re­form noch. Zurzeit sitzen die Mitglieds­staaten der EU im Rat der Euro­päi­schen Union zusammen und verhan­deln mit der EU-Kommis­sion und dem Euro­päi­schen Parla­ment. Der Rat ist gespalten, die Mehr­heits­ver­hält­nisse für Artikel 13 schwanken. Ein Grund­pro­blem ist laut Bernd Fiedler, dass es nur ein Ja oder Nein gibt. Das wird ein Kunst­stück der Politik werden und selbst dann, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, wird man da nach­steuern müssen, um die nega­tiven Effekte rück­gängig zu machen“, sagt auch Kinkel. Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Yalla Media Akademie, eine Koope­ra­tion zwischen der Jugend­presse Deutsch­land und dem Verein Eed be Eed (“Hand in Hand”) aus Berlin. Der Text erschien zuerst in der Print­aus­gabe des Weser-Kuriers.

Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild