Liberté ade – Frei­heit auf Irrwegen

Datum
26. Februar 2025
Autor*in
Paul Frigger
Redaktion
politikorange
Thema
#BTW2025
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Die FDP hat den Einzug in den Bundestag verpasst. Doch mit dem Kurs der letzten Jahre war es eine erwart­bare Nieder­lage. Die Partei lechzt nach einem Personal- und Kurs­wechsel, nur in welche Rich­tung es geht, bleibt abzu­warten.

Die FDP hat den Einzug in den Bundestag verpasst. Doch mit dem Kurs der letzten Jahre war es eine erwart­bare Nieder­lage. Die Partei lechzt nach einem Personal- und Kurs­wechsel, nur in welche Rich­tung es geht, bleibt abzu­warten.  

Der lange Gang zur Verkün­dung der Nieder­lage – wenig später tritt Lindner zurück ©️ Carlo Rückamp / Jugend­presse Deutsch­land e.V.

Nach 3 Jahren Regie­rungs­be­tei­li­gung verpasst die Partei zum zweiten Mal seit ihrem Bestehen den Einzug in den Bundestag. Chris­tian Lindner, der so groß träumte, gleicht nicht erst seit diesem Sonn­tag­abend eher einem verbrannten Ikarus als der strah­lenden libe­ralen Symbol­figur, die er seit seinem Amts­an­tritt verkör­pern wollte. Als er an diesem Abend die Nieder­lage verkündet, ist noch nicht klar, dass nur ein paar Stunden später die poli­ti­sche Karriere Chris­tian Lind­ners zu Ende sein wird. Doch auch in diesem Moment insze­niert Lindner sich als Märtyrer, der mit seiner“ FDP im Herbst ins poli­ti­sche Risiko gegangen ist – für Deutsch­land. Mehr denn je wirkt die FDP an diesem Abend verzwei­felt, gespalten und chao­tisch. 

Nicht nur das Wahl­pro­gramm, welches diame­tral zur Politik der letzten Jahre steht, führt zu einem Glaub­wür­dig­keits­pro­blem für die FDP. Wer alles lässt sich ändern“ nach einer Regie­rungs­be­tei­li­gung ruft, sich 2017 und 2021 aus der Regie­rungs­ver­ant­wor­tung zieht, der erscheint nicht mehr regie­rungs­fähig. Seit der Wahl 2021, wo die FDP noch mit 11,5 % als Königs­ma­cher galt, purzelten die Prozente nur so runter. Der Versuch, mit Profil­schär­fung und dem Torpe­dieren von Regie­rungs­be­schlüssen die Gunst der Wähler*innen zurück­zu­ge­winnen kann als geschei­tert bezeichnet werden. Die D‑Day Affäre mal außen vor gelassen. 

Die FDP scheint in einer Zeit, wo der Meinungs­plu­ra­lismus weiter wächst, zu viel auf rote Linien“ und zu wenig auf Kompro­misse gesetzt zu haben. Mit Volker Wissing hat sich dieses funda­men­tale Merkmal der parla­men­ta­ri­schen Demo­kratie aus der Partei verab­schiedet. Staats­po­li­ti­sche Verant­wor­tung wurde eher als Partei-Macht­an­spruch gedeutet. Die häufige Kompro­miss­lo­sig­keit in Zeiten der Ampel irri­tieren umso mehr, als beim Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz Kompro­misse plötz­lich doch möglich waren, nur mit anderen, teils extre­mis­ti­schen Parteien. Die Entschei­dung von Teilen der Partei, AfD-Stimmen in Kauf zu nehmen, kann also als eindeu­tiges Anzei­chen des zuneh­menden rechten Diskurses der Partei gelesen werden. Gegen irre­gu­läre Migra­tion“, gegen das Bürger­geld. Formu­lie­rungen, die man so auch von der AfD oder der CDU hören könnte. 

Die Wahl­schlappe konnte aber auch durch das Annä­hern an rechte Kräfte und der CDU nicht mehr abge­wendet werden. Selbst für die CDU, an die sich die FDP so verzwei­felt geklam­mert hat, ist die FDP in ihrem jetzigen Zustand nicht brauchbar. Schaut man sich die Wahl­pro­gramme der beiden Parteien an, sind die Schnitt­mengen offen­sicht­lich, jedoch fehlt das Allein­stel­lungs­merkmal der FDP. Allein mit dem Fokus auf Frei­heit kann man keine Indi­vi­dua­lität herstellen. Dabei scheint für die Libe­ralen die heilige Frei­heit auf die Wirt­schaft mini­miert zu werden. So war die Frei­heit von Frauen wohl nicht wichtig genug, um den Para­gra­phen 218a, der Schwan­ger­schafts­ab­brüche unter Strafe stellt, abzu­schaffen. Ein symbo­li­scher Schritt einer Partei, die vor lauter wahl­tak­ti­schen Manö­vern den Weg des Libe­ra­lismus verloren zu haben scheint. 

Die program­ma­ti­sche Stagna­tion wird auch mit dem eigent­li­chen Kern-Thema der FDP deut­lich. Man hat es verpasst, mit der vorge­schla­genen Wirt­schafts­po­litik zu punkten. Paral­lelen zu 2013, als ein auf Wirt­schaft zuge­schnit­tener Wahl­kampf zum ersten Schei­tern an der 5% Hürde führte. Auch in diesem Wahl­kampf klangen Lindner & Co. eher nach einem besseren Lobby-Verband, der für Spitzenverdiener*innen und Wirtschaftsvertreter*innen eintritt. 

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Gekommen als Retter, gegangen als Verlierer ©️ Carlo Rückamp / Jugend­presse Deutsch­land e.V.

Nun stellt sich die Frage nach Neuaus­rich­tung. Über die Jahre hat sich die FDP zu einer Ein-Mann und Ein-Themen Partei entwi­ckelt. Die Zeit Lind­ners ist vorbei und in Partei­kreisen werden Stimmen nach progres­siver Politik lauter. Jedoch fehlen bekannte Gesichter aus der zweiten Reihe, die nicht für ein weiter so“ stehen. Da Sozi­al­li­be­rale wie Konstantin Kuhle oder Johannes Vogel sich die Frei­heit nehmen, beruf­liche Ziele zu verfolgen, anstatt sich der Mammut Aufgabe von 4 Jahren außer­par­la­men­ta­ri­scher Oppo­si­tion zu widmen, bringen sich wieder alte Gesichter wie Wolf­gang Kubicki und Marie Agnes Strack-Zimmer­mann ins Spiel. Neuan­fang sieht defi­nitiv anders aus. 

Obwohl Libe­ra­lismus ein dehn­bares Konzept ist, so muss der konser­va­tive Kurs der letzten Jahre zurück­ge­fahren werden, diese Themen haben längst andere Parteien besetzt. Poten­zial besteht für die FDP mit einem progres­si­veren Kurs. Für sozial gerechten und markt­li­be­ralen Klima­schutz, Grund­rechte, oder Frei­heit des Einzelnen, unge­messen an der Dicke des Geld­beu­tels. So oder so, die Stimme des Libe­ra­lismus wird im Bundestag fehlen – wenn sie denn in den letzten 3 Jahren über­haupt vorhanden war. 


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