Inter­view mit Gerd Müller: Kritik ist erwünscht“

Datum
24. November 2014
Autor*in
Alexander Kauschanski
Redaktion
politikorange
Thema
#EINEWELT Zukunftsforum 2014
Gerd_Mueller

Gerd_Mueller

Minister Gerd Müller wurde zu Beginn seiner Amts­zeit noch mit seinem ball­tre­tenden Namens­vetter verwech­selt. Seine Unbe­kannt­heit versucht er jetzt mit der Zukunfts­charta abzu­streifen. poli­ti­ko­range-Redak­teur Alex­ander Kauschanski befragte ihn zu seinem neuen Entwick­lungs­kon­zept.

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"Ich habe sicherlich in den vergangenen Jahren, aber vor allem im letzten, mein Denken verändert." - Gerd Müller (Foto: Johannes Herbel)

poli­ti­ko­range: Herr Müller, im Vorfeld gab es Kritik an der Zukunfts­charta. Die Formu­lie­rungen seien zu unscharf und schwammig. Stecken hinter diesen Formu­lie­rungen jetzt schon konkrete Arbeits­ziele?

Gerd Müller: Die Zukunfts­charta wurde über Monate von vielen hunderten Menschen erar­beitet. Daran betei­ligt waren Experten aus Politik, Wissen­schaft und Jugend­ver­bänden. Am Schluss musste man sich auf Kompro­misse einigen, auch in der sprach­li­chen Umset­zung. Aber wir wollten trotzdem nicht so unver­bind­lich bleiben – nicht, dass das Doku­ment keinen Wert mehr hat. Und ich glaube, das ist uns gelungen: noch griffig zu formu­lieren und die Ziele in den Hand­lungs­fel­dern zu beschreiben. Kritik ist erwünscht. Ich fordere alle Kritiker auf, mir zu schreiben, was sie verbes­sert haben möchten.

Können sie ein konkretes Ziel der Zukunfts­charta nennen?

Es gibt viele konkrete Ziele. Wir haben auch schon Ziele und konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht. In der vergan­genen Woche wurde in Sachen Klima­schutz ein quali­ta­tiver Quan­ten­sprung im Entwick­lungs­mi­nis­te­rium mit Grün­dung des Grünen Klima­fonds, Green Climate Fund (GCF), auf den Weg gebracht. Was heißt das? Die Staa­ten­ge­mein­schaft der Welt – da waren bei uns im Minis­te­rium von Neusee­land bis zu den USA dreißig Länder vertreten – haben 10 Milli­arden US-Dollar in einen Fonds bezahlt. Aus diesem Fonds werden wir dann Maßnahmen in den vom Klima­wandel extrem betrof­fenen Ländern – zum Beispiel in Afrika – finan­zieren. Das war der erste Schritt. Das ist ein neues Instru­ment, das wir in den nächsten zehn Jahren auf 100 Milli­arden US-Dollar pro Jahr ausbauen werden. Das ist Soli­da­rität der Indus­trie­länder, der Reichen mit den Armen und den Betrof­fenen.

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Selfie für faire Schokolade: Gerd Müller und Dunja Hayali auf der Zukunftscharta-Bühne (Foto: Johannes Herbel)

Sie nennen uns ja immer die Reichen…

Sind wir ja auch!

…in der Zukunfts­charta legen Sie beson­deren Wert auf die Einhal­tung der Menschen­würde und auch auf menschen­wür­dige Arbeits­be­din­gungen. Aber auch in Deutsch­land werden diese zum Teil nicht einge­halten. Finden Sie es glaub­würdig, dieses Ziel auf andere Länder zu proji­zieren, wo wir doch selbst anschei­nend nicht weit genug sind?

Also man sollte bei sich zu Hause anfangen. Das ist voll­kommen klar wegen der Innen­po­litik. Auch bei uns gibt es Armut in Deutsch­land, das weiß ich sehr wohl. Es gibt viele, viele tausend Rent­ne­rinnen und Rentner. Ich kenne selber welche, die von 300 Euro Rente leben. Das ist auch Armut. Ich fange zu Hause an und verän­dere die Verhält­nisse hier. Aber im Durch­schnitt aller Länder der Welt sind wir ein reiches Land. Deshalb sind wir ganz beson­ders gefor­dert, Verant­wor­tung zu über­nehmen für die Ärmsten und die Armen, unser Können, aber auch unseren Reichtum einzu­setzen.

Leben Sie selbst den Fair-Trade-Life­style, den sie so propa­gieren? Ist es heut­zu­tage über­haupt möglich, hier in Deutsch­land komplett nach­haltig zu leben?

Ich glaube schon, dass es möglich ist. Ich habe hier Gäste aus meiner Heimat einge­laden, die mich sehr beein­dru­cken. Die seit Jahren in meiner Nach­bar­schaft nach­haltig leben und es konkret umsetzen. Also kein zweites, drittes Auto kaufen, sondern Fahrrad fahren. Sich beim Kauf von Klei­dung zurück­halten, Wasser­fla­schen aus Plastik meiden, keine Plas­tik­tüten mitnehmen und vieles mehr. Ich habe sicher­lich in den vergan­genen Jahren, aber vor allem im letzten, mein Denken verän­dert. Man denkt viel nach­hal­tiger, wenn man die vielen Probleme in der Welt sieht. Aber ich gebe natür­lich zu, dass die Heraus­for­de­rung an einen deut­schen Bundes­mi­nister nicht immer so sind, dass ich sage: das ist nach­haltig. Ich denke an die vielen Flüge, die notwendig sind. Ich kann darauf verzichten. Dann nehme ich an der Klima­kon­fe­renz in Lima nicht teil. Aber bei mir ist das Thema zwischen­zeit­lich im Kopf veran­kert.


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