Textil­bündnis – alles nur Symbolik?

Datum
26. November 2014
Autor*in
Luise Schneider
Redaktion
politikorange
Thema
#EINEWELT Zukunftsforum 2014
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Bangla­desch 2013: Hunderte Arbei­te­rInnen sterben beim Einsturz einer Textil­fa­brik. Die Reak­tion der Politik? Ein Textil­bündnis, das von Entwick­lungs­mi­nister Gerd Müller mitent­wi­ckelt und im Oktober diesen Jahres gegründet wurde. Doch bereits am Tag der Unter­zeich­nung hagelte es Kritik. Zurecht?

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Wo alle Fäden zusammenlaufen: Workshop-Tisch beim EINEWELT-Zukunftsforum (Foto: Johannes Herbel)

Ende 2012 sterben 100 Menschen bei einem Fabrik­brand in Bangla­desch. Wenige Monate später verlieren weitere 1.100 Frauen und Männer ihr Leben bei dem Einsturz einer Textil­fa­brik. Scho­ckie­rende Nach­richten, die in vielen von uns den drin­genden Wunsch hervor­rufen, etwas zu verän­dern. Gerd Müller, Bundes­mi­nister für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung, reagierte und rief das Textil­bündnis“ ins Leben. Doch die Kritik kam prompt. Dem verant­wor­tungs­vollen Fashion-Freund stellt sich nun die Frage: Ist das Bündnis ein wich­tiger Schritt in die rich­tige Rich­tung oder doch nur ein symbo­li­scher Akt zur Beru­hi­gung des Gewis­sens und der Bevöl­ke­rung?

Und da zwei­felt der eifrige Einkäufer gleich weiter: Aus welcher Fabrik stammt meine Jeans? Welche Hände haben meinen Winter­mantel produ­ziert? Und mit welchen Mitteln wurden meine Hand­schuhe behan­delt? Fragen über Fragen – auf die wir in der Regel keine Antwort haben. Mit Hilfe des Textil­bünd­nisses sollen wir nun zumin­dest Gewiss­heit über eine Frage haben: Dass unsere Klei­dung frei von Ausbeu­tung und ohne die Bedro­hung von Menschen­leben geschaffen wurde.

Textil­bündnis ist ein großes Wort, es erfor­dert Handeln“, sagte Hans-Joachim Fuchtel auf dem EINEWELT-Zukunfts­forum. Klare Worte des Parla­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tärs. Im Rahmen des Zukunfts­fo­rums disku­tierte er mit verschie­denen Bünd­nis­teil­neh­mern sowie den Zuschauern über Vor- und Nach­teile des Textil­bünd­nisses.

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"Textilbündnis ist ein großes Wort, es erfordert Handeln" - Hans-Joachim Fuchtel (Foto: Johannes Herbel)

Worum geht es?

Die Ziele des Textil­bünd­nisses, das am 16. Oktober diesen Jahres ins Leben gerufen wurde, sind allge­mein die Arbeits- und Lebens­be­din­gungen für die Menschen spürbar zu verbes­sern, die unsere Kleider unter teil­weise nicht hinnehm­baren Zuständen herstellen“, erklärte Müller bei der Grün­dungs­ver­an­stal­tung. Verbes­sert werden soll beispiels­weise der Lohn, indem er auf ein exis­tenz­si­cherndes Niveau ange­hoben wird. Zudem soll dem Thema Textil­in­dus­trie zu mehr Aufmerk­sam­keit und Öffent­lich­keit verholfen werden. Fuchtel erklärt dazu: Wir versu­chen mit dem Bündnis auch poli­ti­sche Entwick­lungen in die Diskus­sion zu bringen.“

Ein Bünd­nis­partner, der die Verein­ba­rungen des Bünd­nisses bereits umsetzt, ist die Firma Maas Natur­waren. Geschäfts­führer Rein­hard Maas erzählt im Rahmen der Diskus­sion, dass seine Produkte haupt­säch­lich in der Türkei produ­ziert werden, da die Fabriken in Asien nicht ausrei­chend kontrol­lierbar seien. Die Über­prü­fung der Arbeits­stan­dards sieht dann konkret so aus: Wir haben fünf Fabriken in der Türkei, die wir produ­zieren lassen. Es gibt einen 27-seitigen Krite­ri­en­ka­talog, der von allen Firmen unter­schrieben wird. Dann muss alles nach­ge­wiesen werden, bis zum fertigen Produkt.“

Klingt gut, aber… ?

Das Bündnis beinhaltet also Ziele und Vorsätze, denen wohl niemand wider­spre­chen würde. Und dennoch pras­selt von verschie­denen Seiten Kritik ein. Viele der ursprüng­lich einge­bun­denen Firmen sprangen kurz vor der Unter­zeich­nung des Bünd­nisses ab. Die formu­lierten Ziele und der zuge­hö­rige Akti­ons­plan seien reali­täts­fern und nicht umsetzbar, heißt es seitens der Textil­firmen. An der Produk­tion eines Klei­dungs­stücks sind heut­zu­tage zahl­reiche Subun­ter­nehmen betei­ligt. Nicht alle Produk­ti­ons­schritte lassen sich daher so genau über­wa­chen, wie es das Bündnis erfor­dert. Nicht in jedem Fall scheint es so einfach umsetzbar wie bei Maas Natur­waren. Wir müssen sehen, dass wir Instru­mente finden, wie man Liefer­ketten analy­sieren kann“, weiß auch Fuchtel. Wie genau das aussehen könnte, bleibt offen.

Die Berliner Mode­de­si­gnerin Esther Perbandt merkt zudem an, dass die Forde­rungen des Bünd­nisses vor allem klei­nere und mittel­stän­di­sche Unter­nehmen vor Heraus­for­de­rungen stellen: Stän­diges Hinfahren, Tele­fo­nieren, Kontrol­lieren – das kann sich ein mittel­stän­di­sches Unter­nehmen nicht leisten.“ Auch dieses Problems ist sich Fuchtel bewusst: Die Entwick­lung muss so sein, dass der Mittel­stand sich wieder­findet, dass er mitma­chen kann.“ Eine Vorstel­lung konkreter Maßnahmen bleibt erneut aus.

Anderen wiederum geht das Bündnis mit seinen Forde­rungen nicht weit genug. So kriti­siert Green­peace beispiels­weise, dass das Bündnis die Verwen­dung umwelt- und gesund­heits­ge­fähr­dender Chemi­ka­lien nicht ausdrück­lich verbiete. Ein Grund, weshalb Green­peace dem Bündnis nicht beigetreten ist.

Ein Bündnis ohne Teil­nehmer?

Neben Green­peace haben die Kritik­punkte weitere Akteu­rInnen dazu veran­lasst, die Beitritts­er­klä­rung (PDF) nicht zu unter­zeichnen. Ein Ansatz­punkt für weitere Kritik. Denn Ziele und Aktionen können noch so aufre­gend und wohl­klin­gend sein – wenn keiner mitmacht, hat auch das viel­ver­spre­chendste Bündnis am Ende keinen Sinn. Die Diskus­sion beim Zukunfts­forum hinter­lässt den Eindruck, dass ein biss­chen weniger große Worte und mehr konkretes Handeln dem Textil­bündnis sicher­lich guttun würden. Was auf jeden Fall deut­lich wurde, so Frank Zach, Leiter des Refe­rats Osteu­ropa und Asien beim Deut­schen Gewerk­schafts­bund: Das Textil­bündnis ist noch nicht fertig. Wir müssen weiter daran arbeiten.“ Und das hoffent­lich bald – bevor uns weitere Kata­stro­phen­mel­dungen aus den Fabriken errei­chen, in denen unsere Klei­dung herge­stellt wird.


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