Perspek­tive, wechsle dich!

Datum
27. November 2014
Autor*in
Lisa Pausch
Redaktion
politikorange
Thema
#EINEWELT Zukunftsforum 2014
Zukunftscharta7_2

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Ich kann mich nicht daran erin­nern, in meiner frühen Jugend über­durch­schnitt­lich daran inter­es­siert gewesen zu sein, was ich trug. Erst Recht nicht, wie es herge­stellt wurde. Auch Scho­ko­lade aus dem Discounter und Wasser aus Plas­tik­fla­schen habe ich einmal gekauft. Doch ich merkte, dass das so nicht auf Dauer funk­tio­niert…

Mit der Zeit bin ich auf das Konzept der Welt­läden gestoßen und habe mich mehr mit dem Thema Unge­rech­tig­keit beschäf­tigt. Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie Unge­rech­tig­keit“, schreibt Charles Dickens in seinem Buch Große Erwar­tungen“. Als Öko“ wurde ich prompt von meiner Schwester abge­stem­pelt, als ich ihr erklärte, warum sie bestimmte Scho­ko­la­den­marken besser meiden sollte. Durch einen welt­wärts-Frei­wil­li­gen­dienst, der vom Bundes­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung geför­dert wird, konnte ich mich mehr mit der Thematik ausein­an­der­setzen. Schlicht und einfach durch meine Refle­xionen über eine andere Kultur. Als ich nun auf dem EINEWELT-Zukunfts­forum bin, kann ich mich wieder mit Konsum­idea­lismus beschäf­tigen und andere Menschen und ihre Ideale kennen­lernen.

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Annika Kretz (Mitte) und ihre MitschülerInnen waren in Indien (Foto: Johannes Herbel)

Elefan­ten­statue auf Platz 1

Annika Kretz hat mit ihrer Schul­klasse vom Hellen­stein-Gymna­sium in Heiden­heim den ersten Preis beim Schul­wett­be­werb des Bundes­prä­si­denten im Jahr 2013/14 erhalten. Die nach­hal­ti­geste Sensi­bi­li­sie­rung passiert durch aktives Erleben, nicht umsonst lernen Kinder besser, wenn es spie­lend passiert. Das BMZ hat einen Schul­wett­be­werb zu Entwick­lungs­po­litik vor über zehn Jahren ins Leben gerufen. Mit diesem Instru­ment entwick­lungs­po­li­ti­scher Bildung“ sollen Kindern und Jugend­liche aktiv zum Globalen Lernen ange­regt werden.

Als Beitrag zum Wett­be­werb reiste die 16-jährige Schü­lerin mit ihrer Akti­ons­gruppe in die Part­ner­schule nach Indien: Hier sollte jeder ein faires Souvenir erwerben. Arbeits­be­din­gungen wurden recher­chiert und Verkäu­fe­rInnen mit Fragen gelö­chert. Annika erstand eine Statue des Elefan­ten­gottes Ganesha. Auch die indi­schen Schüler kamen nach Deutsch­land und suchten hier faire Mitbringsel. Es entstand der Film FAIRin­ne­rung – die Welt beginnt vor jeder Tür“, in dem sich die Jugend­li­chen mit Nach­hal­tig­keit in beiden Ländern beschäf­tigen.

Es gab weitere Projekte: Eine vierte Klasse hat für den glei­chen Wett­be­werb die Geschichte einer Soja­bohne aufge­schrieben und illus­tiert, eine andere Gruppe hat aus Papier verschie­dene Schuh­paare model­liert – der Gegen­stand des alltäg­li­chen Lebens wird zum Ausdruck unter­schied­li­cher Perspek­tiven hier und im Entwick­lungs­land. Am Stand der Wett­be­werbs­aus­stel­lung fallen mir die Mädchen in ihren bunten Saris auf. Wie Raupen sind sie in ihre schönen Kokons gewi­ckelt. Ob die bunten Tücher, die man auf dem indi­schen Markt erwerben kann, auch fair gehan­delt sind, konnten sie mir aller­dings nicht sagen. Aber darum geht es hier ja auch nicht. Es geht vor allem um den Lern­ef­fekt und den Austausch.

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Abseits der Klischeebilder: Der Alltag in Douala (Foto: Johannes Herbel)

Initia­tive Perspek­tiv­wechsel

In der Halle des Veran­stal­tungs­ortes des EINEWELT-Zukunfts­fo­rums kann man an vielen Stellen Bilder, Plakate und Fotos von Menschen sehen. Wenn es um das Dort“ geht, sind es meist dunkel­häu­tige Kinder, und es geht um Hunger, Armut und um das, was fehlt. Wir müssen eine nach­hal­tige Produk­tion auch nach Afrika bringen, fordert Zukunfts­mi­nister“ Müller. Wir müssen Zukunft schenken, erklären immer wieder Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen auf groß­flä­chigen Plakaten an Litfaß­säulen. Wie sieht es denn aus in Afrika? Afrika ist kein Land und genauso viel­fältig wie jeder andere Konti­nent. Es geht nicht an jeder Ecke um Hunger, Elend und Unsi­cher­heit. In Afrika sind die Menschen nicht so arm, wie man denkt. Es gibt auch große Städte“, erklärt ein kleines Mädchen.

Alma Seiberth und Katha­rina Lipowsky von der Initia­tive Perspek­tiv­wechsel zeigen Schnapp­schüsse von Jugend­li­chen aus Douala, Kamerun. Die Tante als Frisörin, ein Junge vor tech­ni­schem Gerät, ein Verkäufer in seinem Geschäft. Alles normale Leute. Die Bilder sind im Rahmen eines mehr­tä­gigen Work­shops entstanden: Unter Anlei­tung eines bekannten kame­ru­ni­schen Foto­grafen lernten die Jugend­li­chen, mit der Technik umzu­gehen. Beson­ders wichtig war es den deut­schen Initia­toren, dass das Projekt autonom in Kamerun durch­ge­führt wird und nicht von deut­scher Seite her-„geleitet“. Für die Finan­zie­rung wurden per Crowd­fun­ding Spenden gesam­melt. Die Foto­gra­fien wurden in Douala und in Berlin ausge­stellt und werden kosten­frei an Inter­es­sierte weiter­ver­liehen. Zudem wurde im Rahmen der Ausstel­lung ein Work­shop ange­boten, der sich mit der Stig­ma­ti­sie­rung durch die Wieder­gabe von nega­tiven Afri­ka­bil­dern ausein­an­der­setzt.

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Schokofair: Sie wollen Schokolade "emotional genießen" (Foto: Johannes Herbel)

Emotional genießen können

Wie eine kleine Blau­helm­gruppe laufen mehrere Kinder mit blauen Unicef-Shirts durch das Geschehen, bei der Über­gabe stehen sie mit Entwick­lungs­mi­nister Müller auf der Bühne. Frei nach dem Motto: Lasset die Kinder zu mir kommen, denn ihr Konsum ist rein? Sind sie Werbe­träger der Veran­stal­tung?

Ich spreche mit Frederic Balze. Der 14-Jährige ist Spre­cher von Scho­ko­fair, einer Arbeits­ge­mein­schaft der Montessori-Haupt­schule in Düssel­dorf. In einer vereinten Welt sollte jeder mit dem anderen klar kommen und ihn fair behan­deln“, fordert er. Frederic und seine Mitstrei­te­rInnen leisten einen Beitrag. Unter dem Motto Stoppt Kinder­ar­beit!“ ist Scho­ko­fair seit nun vier Jahren auch öffent­lich aktiv. Die jungen Akti­vis­tInnen setzen sich für die Rechte Gleich­alt­riger ein, die für einen Hunger­lohn auf Kakao­plan­tagen arbeiten müssen und so nicht die Schule besu­chen können – und das alles nur, damit die Kinder hier in Deutsch­land billige Scho­ko­lade bekommen. Zuletzt wurden sie bei Ferrero vorstellig und forderten sie zum Kauf fair gehan­delten Kakaos auf. Für ihren Einsatz erhielt Scho­ko­fair 2012 den WDR-Kinder­rech­te­preis, wurde 2013 zum UNICEF-Juni­or­Bot­schafter gewählt und 2014 mit dem Fair­trade-Award ausge­zeichnet.

Die Kinder haben verstanden, dass es an uns liegt, sich zu verän­dern. Alle bestä­tigen mir, nur noch fair gehan­delte Scho­ko­lade zu konsu­mieren. Kinder­scho­ko­lade soll schließ­lich nicht so heißen, weil sie von Kindern gemacht wurde.


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