Hessens Koali­tion auf dem Prüf­stand: Sorgt Bundes­po­litik für Span­nungen? 

Datum
21. Februar 2025
Autor*in
Berit Böbel
Redaktion
politikorange
Themen
#Interview #BTW2025
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In Hessen regiert seit Januar 2024 die CDU zusammen mit der SPD. Die Koali­tion gilt als stabil. Doch droht diese sichere Allianz zu brechen, nachdem die beiden Parteien sich auf Bundes­ebene nach der Abstim­mung zum Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz massiv kriti­sierten? Und teilen die Jugend­par­tei­or­ga­ni­sa­tionen die Meinungen ihrer Mutter­par­teien? 

© Insta­gram @jusoshessen @juhessen

In Hessen regiert seit Januar 2024 die CDU zusammen mit der SPD. Die Koali­tion gilt als stabil. Doch droht diese sichere Allianz zu brechen, nachdem die beiden Parteien sich auf Bundes­ebene nach der Abstim­mung zum Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz massiv kriti­sierten? Und teilen die Jugend­par­tei­or­ga­ni­sa­tionen die Meinungen ihrer Mutter­par­teien? 

Um diese Fragen zu beant­worten, hat poli­ti­ko­range Redak­teurin Berit Böbel den Landes­vor­sit­zenden der Jungen Union Hessen, Leopold Born, in der Landes­ge­schäfts­stelle der CDU Hessen in Wies­baden und Lukas Schneider, den Landes­vor­sit­zenden der Jusos Hessen, in der Frank­furter SPD-Geschäfts­stelle getroffen. 


Herr Born, wie bewerten Sie die Abstim­mung zum Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz aus Sicht der Jungen Union Hessen?  
Ich finde es richtig, dass Fried­rich Merz so klare Worte gefunden hat. Gleich­zeitig bin ich enttäuscht, dass SPD und Grüne bisher nicht zu einer Mehr­heit der poli­ti­schen Mitte bei der Lösung unserer Probleme mit irre­gu­lärer Migra­tion bereit waren. Wir haben das Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz bereits im Herbst vergan­genen Jahres einge­bracht, als Antwort auf den Anschlag in Solingen und ich finde es auch gut, dass die Union konkrete Maßnahmen fordert. Es reicht nach den Blut­taten, die wir in den vergan­genen Monaten immer wieder nach demselben Muster gesehen haben, nicht aus, einfach in Sonn­tags­reden zu verfallen, wie das vor allem bei SPD und Grünen passiert. Es braucht klare Antworten von der Politik. Mit dem Zustrom­be­gren­zungs­ge­setz sind wir als Union dieje­nigen, die ganz klare Lösungs­vor­schläge für die Migra­ti­ons­po­litik gelie­fert haben. 

Und hat die CDU auf Landes­ebene in Hessen dann die rich­tige Haltung zu diesem Gesetz­ent­wurf einge­nommen? Oder hätten Sie sich eine andere Posi­tion gewünscht?  
Die CDU Hessen hat sich ganz klar hinter Fried­rich Merz und hinter die CDU/CSU Bundes­tags­frak­tion gestellt. Das finde ich auch absolut richtig. Wir sind in dieser Frage der Migra­ti­ons­po­litik als Union bundes­weit geschlossen. 


Herr Schneider, wie bewerten Sie den geschei­terten Asyl­po­litik Gesetz­ent­wurf aus Sicht der Jusos Hessen? 
Die Abstim­mung mit der CDU und der AfD im Bundestag war eine Zäsur in der poli­ti­schen Land­schaft. Es war nicht nur ein Damm­bruch, sondern ein Verrat an dem Verspre­chen, das man eigent­lich dem demo­kra­ti­schen Spek­trum gegeben hat, nämlich Die Faschisten von der AfD sind nicht geeignet als Mehr­heits­be­schaffer“ und dass sich die CDU und auch die FDP das heraus­ge­nommen hat und das auch nicht mal irgendwie entschul­digen oder in irgend­einer Weise wirk­lich darauf eingehen will, sondern es noch recht­fer­tigt, finde ich wirk­lich erschre­ckend. 

Hat die SPD auf Landes­ebene in Hessen die rich­tige Haltung zu diesem Gesetz­ent­wurf einge­nommen? Oder hätten Sie sich eine andere Posi­tion gewünscht? 

Wir hätten uns eine andere gewünscht. Das haben wir auch öffent­lich sehr stark kriti­siert. Ich finde Boris Rhein ist in vielerlei Hinsicht jemand, der sich wirk­lich verbeugt hat vor Merz.* Es gab andere Minis­ter­prä­si­denten auch mit Koali­tionen, wie Daniel Günther oder halt in Berlin, wo man gemerkt hat, da gab es mehr Haltung dahinter. 

Da habe ich mich dann auch schon gefragt, dafür kriti­siere ich auch meine eigene Partei, wenn das am Ende der Duktus der CDU ist, dass wir nun durch­gängig diesen Wahl­kampf fahren, dass wir wirk­lich unsere eigenen Leute auch auf Bundes­ebene im Stich lassen. Also ich fand das uner­hört und es zeichnet sich leider ab. Boris Rhein war ja schon immer jemand, der in vielerlei Hinsicht dem rechts­ak­tiven Flügel, also wirk­lich Rechts­außen inner­halb der CDU nahe­stand. 


Herr Born, kommen wir nun zu Social Media: auf dem Insta­gram Account der Jungen Union Hessen kriti­sieren Sie die SPD ja schon ziem­lich scharf und trotzdem regieren SPD und CDU in Hessen auf Landes­ebene zusammen. Wider­spricht sich das nicht?  

Nein. Wir befinden uns aktuell in einer Wahl­kampf­aus­ein­an­der­set­zung auf Bundes­ebene. Und wir haben in den vergan­genen drei Jahren mit der Ampel-Regie­rung und unter Führung von Bundes­kanzler Olaf Scholz die schlech­teste Bundes­re­gie­rung in der Geschichte unseres Landes erlebt. Es gibt gerade in der Wirt­schafts- und der Migra­ti­ons­po­litik riesige Probleme in unserem Land. Es ist ein Scher­ben­haufen, den diese Bundes­re­gie­rung hinter­lässt und dafür tragen SPD und Grüne die Haupt­ver­ant­wor­tung. Deshalb kriti­sieren wir SPD und Grüne auf unseren sozialen Kanälen scharf. Man muss das aber klar abgrenzen von der erfolg­rei­chen und geräusch­losen Arbeit in der CDU-geführten christ­lich-sozialen Koali­tion mit der SPD auf Landes­ebene in Hessen. 

Wir unter­scheiden also. Auf der einen Seite die bundes­po­li­ti­schen Themen und das Versagen der Ampel auf Bundes­ebene. Das spre­chen wir offen an, da gehört zum Wahl­kampf auch die die offene Ausein­an­der­set­zung. Es ist aus meiner Sicht auch wichtig, wenn wir Vertrauen zurück­ge­winnen wollen, dass die Parteien unter­scheidbar sind. Auf diese Unter­schiede müssen wir im Wahl­kampf hinweisen. Gerade in der Migra­ti­ons­po­litik werden die Unter­schiede zwischen den Parteien sehr deut­lich. 

Auf der anderen Seite steht die landes­po­li­ti­sche Arbeit: Es gibt einen sehr starken Koali­ti­ons­ver­trag in Hessen. Beide Parteien halten sich an den Koali­ti­ons­ver­trag und setzen diesen im Turbo-Modus sehr erfolg­reich um. Und diese Unter­schei­dung machen wir. Wir und auch die Bürge­rinnen und Bürger sind mit unserer christ­lich-sozialen Koali­tion in Hessen sehr zufrieden. Im Bund dagegen braucht es nach der geschei­terten Ampel-Regie­rung jetzt den Poli­tik­wechsel. 


Herr Schneider, auf dem Insta­gram Account der Jusos Hessen kriti­sieren Sie die CDU scharf und trotzdem regieren SPD und CDU in Hessen zusammen. Wider­spricht sich das nicht?  

Das wider­spricht sich nicht. Ich finde es schon wichtig, dass man eine kriti­sche Haltung hat gegen­über der eigenen Partei. Ich kann verstehen, dass das merk­würdig wirkt auf einige andere poli­ti­sche Kräfte. Die CDU hat ja nicht wirk­lich einen kriti­schen Jugend­ver­band mit der Jungen Union, sondern eher so ein Abnick­ver­band“, der sehr stark selber in der Partei inte­griert ist und Wahl­kampf macht. In den anderen Parteien außer­halb des linken Spek­trums geht es nicht darum, wirk­lich Ideen, also neue Perspek­tiven, neue Anschlüsse, aus dem Jugend­ver­band zu entwi­ckeln. Da habe ich einen anderen Anspruch an die Jusos. 

Genauso wie wir es auf Bundes­ebene immer mit der Großen Koali­tion gemacht haben oder auch Nancy Faeser kriti­sieren, wenn es um die Asyl­rechts­ver­schär­fungen geht, ist es auch wichtig, dass man auf Landes­ebene Haltung zeigt. 

Ich bin aber auch dafür, dass wir nicht Brücken abbrennen, und am Ende sagen: Wir sind die Funda­men­tal­op­po­si­tion gegen die SPD.“ Ich rede mit den Minis­tern, wir reden mit unseren Land­tags­ab­ge­ord­neten, versu­chen auch, die Gestal­tungs­op­tionen, die wir jetzt haben, zu nutzen, aber auch immer eine Maß, wo wir sagen: Wir halten euch den Spiegel vor“, wenn wir das Gefühl haben, dass die Werte, Grund­sätze und Beschluss­lagen der SPD nicht berück­sich­tigt werden. 


Herr Born, auf meine Frage, ob die Junge Union immer einer Meinung mit ihrer Mutter­partei sei, antwor­teten sie: Nein, wir sind oft anderer Meinung.“ Trotzdem bekommt man von diesen Meinungs­ver­schie­den­heiten fast nichts mit. Liegt das daran, dass sie viel intern klären? Die Jusos bezeichnen sich selbst als junges linkes Korrektiv“ ihrer Mutter­partei. Sehen sie sich selbst auch so?  

In der Union und auch in der Jungen Union gilt: Für uns zählt zuerst das Land und dann die Partei. Daher debat­tieren wir intern. Das machen wir häufig und das tut auch allen Seiten gut. Wir tragen Meinungs­ver­schie­den­heiten nicht nach draußen. Am Ende zählt, dass wir mit einer gemein­samen Haltung raus­gehen und die gilt dann auch. Diese Geschlos­sen­heit und Verläss­lich­keit sehen wir als große Stärke von CDU und Junger Union. 

Die Jusos haben oft einen anderen Ansatz, die Grüne Jugend übri­gens noch viel extremer. Die nehmen oft ganze Regie­rungen in Geisel­haft mit ihren partei­in­ternen Forde­rungen. Zuletzt haben wir beispiels­weise erlebt, dass Robert Habeck seinen Zehn-Punkte-Plan in der Migra­ti­ons­po­litik vorge­legt hat. Die Grüne Jugend, die wirk­lich weit links im poli­ti­schen Spek­trum steht, hat Habeck dafür kriti­siert. Und dann hat Habeck – immerhin Kanz­ler­kan­didat und aktu­eller Vize­kanzler – wegen des Drucks der Grünen Jugend seinen Zehn-Punkte-Plan in der Migra­ti­ons­po­litik zurück­nehmen müssen. Eine Partei hat Probleme stabil in einer Regie­rung zu funk­tio­nieren, wenn sie eine Jugend­or­ga­ni­sa­tion hat, die nicht an der Hand­lungs­fä­hig­keit einer Regie­rung und am Kompro­miss inter­es­siert ist, sondern am puren Durch­setzen der eigenen Meinung. 


*Rhein unter­stützte das Vorhaben von Merz, die Migra­ti­ons­po­litik zu verschärfen und wies auch die Kirchen­kritik gegen die CDU/CSU zurück. 


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