Global Gender Back­lash – Auf der Münchner Sicher­heits­kon­fe­renz sucht frau nach Lösungen

Datum
18. März 2025
Autor*in
Alma Jung
Redaktion
politikorange
Thema
#Politik
MSC_Talk-Facing-the-Global-Gender-Backlash-scaled

MSC_Talk-Facing-the-Global-Gender-Backlash-scaled

I was labeled a woman as if it was criminal to be a woman in poli­tics“, erzählt Natasha Akpoti-Uduaghan auf dem Podium. Die Münchner Sicher­heits­kon­fe­renz will inklu­siver werden und Frauen aus aller Welt Gehör verschaffen.

I was labeled a woman as if it was criminal to be a woman in poli­tics“, erzählt Natasha Akpoti-Uduaghan, Sena­torin der Natio­nal­ver­samm­lung Nige­rias, auf dem Podium. Die Münchner Sicher­heits­kon­fe­renz will inklu­siver werden und Frauen aus aller Welt Gehör verschaffen.

MSC_Talk Facing the Global Gender Backlash

Fördert Antifeminismus diktatorische Strukturen? Auf der MSC sprechen Politikerinnen über den Zusammenhang von Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit. Foto: v.l.n.r. Hadja Lahbib, Vjosa Osmani, Sanam Naraghi Anderlini, Natasha Akpoti-Uduaghan, Sanna Marin. MSC/Reinhardt

Unter­drü­ckung und Ungleich­be­hand­lung sind Mecha­nismen in auto­ri­tären Regimen, unter denen vor allem Frauen leiden. Die MSC beschäf­tigt sich mit dem so genannten Global Gender Back­lash“ – der globalen Reak­tion auf Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit durch anti­fe­mi­nis­ti­sche und anti­de­mo­kra­ti­sche Bewe­gungen – mit globalen Perspek­tiven verschie­dener Politiker*innen auf Frau­en­rollen in Gesell­schaft und ihrer Wich­tig­keit, wenn es um Krieg und Frieden geht. Welche Stell­schrauben gibt es, an denen gedreht werden muss, um global einem Back­lash“ entge­gen­zu­wirken? Und wie erfolg­reich ist das Women Parlia­men­ta­rians Program 2025? Die Mode­ra­torin Sanam Naraghi Ander­lini, die selbst Grün­derin und Geschäfts­füh­rerin des Inter­na­tional Civil Society Action Network“ ist, disku­tiert mit Akpoti-Uduaghan die Bedeu­tung von Ungleich­be­hand­lung in Nigeria für inter­na­tio­nale Politik und Frieden. Sanna Marin, die ehema­lige Minis­ter­prä­si­dentin Finn­lands, Vijosa Osmani, Präsi­dentin des Kosovo und Hadja Lahbib, die ehema­lige Außen­mi­nis­terin Belgiens, sind weitere Gästinnen auf dem Panel. Ihr Thema: Nevert­heless, She Persisted: Facing the Global Gender Back­lash.“

Was tun, ohne etwas angetan zu bekommen?

Ander­lini wird im Laufe des Gesprächs mit Blick auf ihr Heimat­land Syrien, aber auch mit Blick auf die Welt sagen: If suppres­sion on women didn’t exist it would just be a normal dicta­tor­ship.“ Mit anderen Worten: In auto­ri­tären und dikta­to­ri­schen Struk­turen wird die Aufmerk­sam­keit hin zu Neben­schau­plätzen gelenkt. Auto­ri­täre Bewe­gungen würden sich, so Ander­lini, beispiels­weise nicht auf große Sicher­heits­an­ge­le­gen­heiten konzen­trieren, dafür aber Menschen einschränken und ihren Fokus darauf legen, was Frauen tragen und wie sie sich verhalten dürfen. Männer würden die Mecha­nismen oft nicht erkennen.

Es brauche Courage, doch diese können auch mit Gewalt­er­fah­rung und Unter­drü­ckung einher­gehen. Ein Teufels­kreis entsteht: Aufstehen gegen die Unter­drü­ckung und Gewalt, die man oder in diesem Fall frau dadurch aber wieder in Kauf nimmt. Wie für Verän­de­rung und mehr Menschen­würde sorgen, ohne dabei unsere Kämpfer*innen im Stich zu lassen?

Eine wirk­liche Lösung gibt das Panel nicht her. Viel­leicht sollte das aber auch nicht der Anspruch sein, den wir an ein einziges Gespräch, eine Fünfer­runde auf der Münchner Sicher­heits­kon­fe­renz, haben sollten. Denn die Zeit und Ressourcen müssen ausge­baut werden, um syste­ma­ti­sche Erfolge in diesem Kampf zu erzielen.

Gesprächs­zeit begrenzt

Einen ersten Schritt zu mehr Courage geht die MSC mit dem Womens Parla­men­ta­rian Program, dank dem jüngere oder weniger promi­nente Poli­ti­ke­rinnen aus verschie­densten Ländern an Panels teil­nehmen können. Das ist eine schöne Geste und sicher hilft es, mitreden zu können. Aber wirk­liche poli­ti­sche Macht muss auch lang­fristig etabliert werden. In einem Panel zur Pola­ri­sie­rung der heutigen Welt waren zwei Gästinnen des Women of Parlia­ment Programs anwe­send, beide Mitglieder in Gremien des eigenen Landes. Die dritte Gästin war teil des Munich Young Leaders Program, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, gerade aus globalem Süden und unter­re­prä­sen­tierten Ländern Vertreter*innen zu fördern und ihnen eine Stimme zu verleihen. Zuletzt nahm auch die bela­rus­si­sche Oppo­si­tio­nelle Svia­tlana Tsikha­nous­kaya teil. Alle vier hatten exis­ten­ti­elle Anliegen, für die kaum genug Raum war.

MSC 2025 - Main Session Never

Gekommen, um zu diskutieren, sollen die Rednerinnen "New Solutions in a Polarized Century" finden, werden aber vorrangig nach Lob gefragt. Foto: v.l.n.r. Elena Motta, Ultaara Mootu, Aleksandra Uznańska-Wiśniewska, Sviatlana Tsikhanouskaya und Benedikt Franke. MSC/Berchtold

Es hat einen Beigeschmack als der Mode­rator und stell­ver­tre­tender Vorsit­zender der MSC Bene­dikt Franke als einziger Mann in der Talk­runde New Solu­tions in a Pola­rized Century“ das Gespräch damit beginnt, dass er die Gäst*innen vier ganz wunder­volle Frauen“ nennt und ankün­digt, mit ihnen über Krisen zu spre­chen, über die sie reden wollen. Denn abge­sehen davon, dass eine Mode­ra­torin ihre Gäste vermut­lich nicht als vier wunder­volle Männer“ begrüßt, sondern ihre Tätig­keit oder Rolle beschrieben hätte, kommt Zweifel auf, ob die Themen wirk­lich Gehör fanden.

So sprach Ultaara Mootu als Mitglied des Nami­bi­schen Parla­ments über Ungleich­heit, auch Entwick­lungs­länder betref­fend und wie diese durch den Klima­wandel massiv beschleu­nigt und verstärkt würde. Sie verlangte mehr junge und diver­sere Stimmen in der inter­na­tio­nalen Politik. Elena Motta, Teil des Kongresses von Guate­mala, warnt davor, vergan­gene Fehler des zwan­zigsten Jahr­hun­derts zu wieder­holen und bewertet die aktu­elle Welt­lage als Ausdruck einer inter­ge­ne­ra­tio­nalen Krise, in der die Gene­ra­tionen einander aus den Augen verlieren und so nicht vonein­ander lernen.

Ideen zum Weiter­denken oder Liegen­lassen?

Substan­zi­elle Probleme, die in vier verschie­denen Ländern unter­schied­li­cher nicht sein könnten, werden in einen einzigen Gesprächs­kreis gezwängt und danach, so scheint es, unbe­ar­beitet liegen gelassen. Zich­anous­kaja bittet um eine Hilfe, Belarus an Europa zu orien­tieren und zu inte­grieren, damit es unab­hängig vom Kreml Demo­kratie zurück­ge­winnen kann. Mootu weist auf die Arbeits­lo­sig­keit in ihrem Land hin und auf inef­fi­zi­ente oder unzu­läs­sige Hilfen von beispiels­weise der EU. Gleich­zeitig wurden aber die Vorteile der unter­schied­li­chen Programme für weib­liche und junge inter­na­tio­nale Stimmen nie zu kurz erwähnt. Es kann gefähr­lich sein, sich für einen Erfolg auf dem Papier zu feiern, wenn dieser nur eine Stell­schraube ist und für den Erfolg noch der Rest fehlt.

Dabei sind die Vorschläge und Ansätze der Redenden in jedem Fall eine Notiz wert. Alek­sandra Uznańska-Wiśniewska, Mitglied des polni­schen Sejm-Parla­ments, iden­ti­fi­ziert eines unserer Probleme mit dem welt­weiten Extre­mismus und dem Wachstum extremer poli­ti­scher Kräfte, indem sie sagt, Demo­kratie sei für junge Menschen mitt­ler­weile einfach nicht mehr gleich attraktiv. Sie plädiert, diverse Bevöl­ke­rungs­gruppen mit einzu­be­ziehen, damit sich die Menschen wieder mit der Politik iden­ti­fi­zieren können. Uznańska-Wiśniewska betont, dass ihre Hoff­nung schluss­end­lich der poli­ti­schen Hilfe­stel­lung gilt, die weniger privi­le­gierte Akteur*innen genießen sollten. Ander­lini sagt, die syri­schen Frauen hätten Antworten, hielten die Gesell­schaft zusammen.

Dass mäch­tige Frauen ihren Anteil dazu beitragen müssen, Anderen hoch­zu­helfen, steht außer Frage. Lahbib lobt Ursula von der Leyens Entschei­dung, für eine pari­tä­ti­sche Bewer­bung auf Plätze in der Kommis­sion zu werben. Die Kommis­si­ons­prä­si­dentin hatte alle EU-Staaten gebeten, unter ihren vorge­schla­genen Kandidat*innen je einen Mann und eine Frau zu haben. Dass dieser Bitte dann jedoch kaum Folge geleistet wurde, ist die Kehr­seite der Medaille. Viel­leicht braucht es nicht unbe­dingt eine Frau­en­quote wie bei Spit­zen­äm­tern der Grünen in Deutsch­land, aber sich bei Gleich­stel­lung auf Gefallen zu verlassen, lässt eine*n im Zweifel fallen. It’s about having our merited posi­tion at the table, not a present someone is giving to us“ fasst Osmani, Präsi­dentin des Kosovo, es zusammen.

Wie wir alle profi­tieren würden

Osmani sieht diese Inklu­sion von Frauen als einen der mäch­tigsten Faktoren, um die Demo­kratie zu stärken. It’s no woke agenda but geopo­li­tics“, erläu­tert sie. Seien Frauen nicht an Entschei­dungen betei­ligt, verlöre auch die Wirt­schaft, meint Osmani außerdem. 290 Milli­arden würde Gewalt gegen Frauen laut Mode­ra­torin Lahbib jähr­lich welt­weit kosten. Recher­chen des Euro­pean Insti­tute for Gender Equa­lity (EIGE) bestä­tigen diese Zahl.

MSC_Vijosa Osmani

"It’s about having our place at the table, not about a present someone is giving to us" fasst Vjosa Osmani ihre Forderung zusammen. Foto: MSC/Reinhardt

Unge­nutztes weib­li­ches Poten­zial“, so Lahbib, würde den Arbeits­markt jähr­lich 370 Milli­arden kosten. Diese Berech­nungen stammen aus Kalku­la­tionen des Welt­wirt­schafts­fo­rums von 2016. Mit Hinblick auf Nigeria sagt die Sena­torin Natasha, es sei nicht die beste Situa­tion dort“ und bittet: Let us ensure accoun­ta­bi­lity“. Ihr ist wichtig, zu zeigen, dass alle von einem Wandel profi­tieren. We need men to under­stand, its ever­yone toge­ther“ sind ihre Worte. Denn eine der bis heute elemen­tarsten Bremsen der Gleich­stel­lung der Geschlechter ist die Gegen­über­stel­lung und das Narrativ, entweder Männer oder Frauen würden verlieren.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redak­tion entstanden. Bei Fragen, Anre­gungen, Kritik und wenn ihr selbst mitma­chen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@​jugendpresse.​de 


Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild