Gleich­be­rech­ti­gung des Frau­en­fuß­balls – Viel mehr als nur Geld

Datum
17. Juli 2024
Autor*in
Emma Askin
Redaktion
politikorange
Themen
#Interview #EM2024
jeffrey-f-lin-oc8m9Cj8dsc-unsplash

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In den letzten Jahren hat der Frau­en­fuß­ball immer mehr an Akzep­tanz gewonnen. In der Gesell­schaft scheint der Frau­en­fuß­ball ange­kommen zu sein, aber ist der Frau­en­fuß­ball wirk­lich gleich­be­rech­tigt? Und geht es bei der Gleich­be­rech­ti­gung wirk­lich nur um Geld?

In den letzten Jahren hat der Frau­en­fuß­ball immer mehr an Akzep­tanz gewonnen. In der Gesell­schaft scheint der er ange­kommen zu sein, aber ist der Frau­en­fuß­ball wirk­lich gleich­be­rech­tigt? Und geht es bei der Gleich­be­rech­ti­gung wirk­lich nur um Geld?

Wenn wir an die Gleich­be­rech­ti­gung im Fußball denken, dann schießt uns sehr häufig die ungleiche Bezah­lung von Männern und Frauen in den Kopf. Aber geht es bei der Debatte um mehr Gleich­be­rech­ti­gung des Frau­en­fuß­balls wirk­lich nur darum oder fängt die Gleich­be­rech­ti­gung schon viel früher an? In den letzten Wochen gab es immer wieder Schlag­zeilen zur (Un-)Gleichberechtigung im Fußball. Die Frau­en­mann­schaft des MSV Duis­burg stieg ab, weil die Herren­mann­schaft in die Regio­nal­liga abge­stiegen ist und somit das Geld für die Frauen fehlte. Bei Manchester United musste die Frau­en­mann­schaft in Container umziehen, da die Umklei­de­ka­binen der Herren reno­viert wurden und sie die Kabinen der Frauen nutzen. Eine gute Nach­richt: kurz vor der EM in Deutsch­land kam die Nach­richt aus Däne­mark, die Spie­ler­ver­ei­ni­gung habe kürz­lich mit dem däni­schen Fußball­ver­band (DBU) die neue Natio­nal­mann­schafts­ver­ein­ba­rung beschlossen. In dieser wurde eine Gehalts­er­hö­hung abge­lehnt, bis die Frau­en­na­tio­nal­mann­schaft gleich bezahlt werde. In einer Mittei­lung der DBU heißt es, dass die Männer-Natio­nal­mann­schaft die Verant­wor­tung dafür über­nehme, bessere Rahmen­be­din­gungen für die Frauen-Natio­nal­mann­schaft sicher­stellen zu können. Der Kapitän der däni­schen Natio­nal­mann­schaft Simon Kjær sei sehr zufrieden mit der Verein­ba­rung. In der Mittei­lung der DBU erklärte er über­setzt folgendes, Wir von der Herren-Natio­nal­mann­schaft sind sehr zufrieden mit der Eini­gung. Die Verhand­lungen sind gut und konstruktiv verlaufen, was von beiden Seiten gewünscht wurde“. Doch geht es den Frauen nur um eine Gehalts­er­hö­hung oder sind die Probleme deut­lich struk­tu­reller?

Es geht um mehr

Beitragsbild Emma Bericht (2)

Tina Winklmann, MdB. Eine leidenschaftliche Kämpferin für mehr Gleichberechtigung im Frauenfußball. Foto: Kilian Fleischmann

Im Gespräch mit der sport­po­li­ti­schen Spre­cherin der Bundes­tags­frak­tion der Grünen, Tina Winklmann, wird deut­lich, dass es um mehr geht. Das Thema der Gleich­be­rech­ti­gung des Frau­en­fuß­balls fängt bei den Struk­turen im Verein an und endet bei der Ausstat­tung der Spie­le­rinnen, wie etwa die Farbe der Hosen. Auch körper­lich haben Frauen andere Voraus­set­zungen Lasst uns über Zyklus­trai­ning spre­chen, lasst uns drüber spre­chen, dass unser Körper ein anderer ist, dass wir andere Voraus­set­zungen haben. Und lasst uns offen drüber spre­chen und dann sind wir auf einem guten Weg. fordert Winklmann. Der Aspekt, dass Frauen beispiels­weise für Kreuz­band­risse anfäl­liger sind, müsse auch beachtet werden. Ein gutes Beispiel dafür sei laut Winklmann der 1. FC Nürn­berg. Dort hätten die Frauen ihren eigenen Trai­nings­platz, der kein Kunst­rasen ist, denn auf Kunst­rasen sei das Verlet­zungs­ri­siko höher. Auch die Trai­nings­zeiten sollten nicht vernach­läs­sigt werden. So fordert Winklmanns Partei­kol­legin Klara Sched­lich, Sport­po­li­ti­sche Spre­cherin der Frak­tion im Berliner Abge­ord­ne­ten­haus, dass bei der Vergabe der Trai­nings­zeiten die Frau­en­teams besser berück­sich­tigt werden sollten. Zeiten, die für Frauen und auch für Mütter günstig sind, sollten ermög­licht werden, und es ist auch wichtig bei allen Frauen darauf zu achten, zu welchen Zeiten sie viel­leicht lieber nicht durch lange, unbe­leuch­tete Straßen von der Trai­nings­stätte wieder weggehen möchten“, erklärt Sched­lich im Inter­view. Es sei häufig so, dass die Frau­en­teams darum kämpfen müssen, Hallen­zeiten zu bekommen. Aber auch gene­rell Zeiten in Trai­nings­stätten zu bekommen, da die Männer­teams oft schon länger bestünden und dadurch Zeiten reser­viert hätten.

Unter­schiede in Vereinen

Aber wie sieht es auf dem Platz aus? Teresa ist Spie­lerin bei den 1. Frauen des 1. FC Schö­ne­bergs. Im Inter­view erzählt sie mir, dass sie das Gefühl habe, dass die Frauen beim Trai­ning und bei Spielen sehr frühe Zeiten zuge­teilt bekämen, zu denen viele keine Zeit hätten. Diese frühen Trai­nings­zeiten würden wahr­schein­lich weniger Spie­le­rinnen ermög­li­chen, regel­mäßig zum Trai­ning kommen zu können. Bei Spielen sei der Anpfiff am Sonntag um 10:00, also trifft sich die Mann­schaft morgens um 9:15 am Platz. Das ist so oder so unat­traktiv, egal in welcher Lebens­lage man ist, ob mit Kind oder ob man eigent­lich noch feiern gehen will oder so. Egal ob Männer oder Frauen, niemand hat eigent­lich so richtig Lust 09:15 Sonntag auf dem Platz zu sein“, so Teresa.

Die Frau­en­mann­schaft des 1. FC Union Berlin spielt ab der kommenden Saison in der 2. Bundes­liga und die Spie­le­rinnen hätten alle Verträge, so die Geschäfts­füh­rerin des Frau­en­be­reichs Jenny Zietz. Die Spie­le­rinnen würden alle so viel Geld verdienen, dass sie davon leben können. Auch könnten die Frauen die Struk­turen der Herren nutzen Wir dürfen im Stadion spielen, wir haben auch den Bus bekommen, der Profi­mann­schaft, mit dem wir zu unseren Auswärts­spielen fahren dürfen, wir dürfen grund­sätz­lich eigent­lich auf das Gleiche zurück­greifen wie die Männer“, so Zietz. Natür­lich muss man berück­sich­tigen, dass der 1. FC Union Berlin nicht zuletzt durch den Erfolg der Männer­mann­schaft in den letzten Jahren die finan­zi­ellen und struk­tu­rellen Mittel hat, um den Frau­en­fuß­ball besser zu fördern. Bei klei­neren Vereinen sieht die Situa­tion häufig ganz anders aus. Teresa, Spie­lerin beim 1. FC Schö­ne­berg, erzählt mir, dass sie in ihrem Verein gar nicht so viel von der Männer­sparte mitbe­kommen würden. Sie hat die Sorge, dass es auch der Frau­en­fuß­ball zu sehr in eine kommer­zi­elle Rich­tung gehen würde, wie es häufig bei den höheren Männer­ligen der Fall sei. Dass also Spon­soren und große Firmen zu viel Macht bekommen würden. Sie findet die Stim­mung im Frau­en­fuß­ball sehr schön, da es viel Begeis­te­rung gäbe.

Alle sind in der Verant­wor­tung

Nicht nur die Vereine sind in der Verant­wor­tung, sondern auch andere Akteur*innen, wie die Politik, die Verbände oder auch die Herren­teams. So müssen laut Klara Sched­lich von den Grünen alle Seiten an der Gleich­be­rech­ti­gung im Fußball arbeiten. Es könne nicht sein, dass sich immer nur Betrof­fene wehren, laut werden und ihre Stimme gegen Diskri­mi­nie­rung erheben, so Sched­lich. Klara Sched­lich erklärt was die däni­sche Natio­nal­mann­schaft da gemacht hat, wird hoffent­lich Vorbild für andere Natio­nal­mann­schaften. Die Männer in der Natio­nal­mann­schaft kriegen so viel Geld, das würde nicht weh tun, Erhö­hungen abzu­lehnen oder zu sagen, wir gehen runter und geben den Frauen etwas ab, das könnte man ja auch mal über­legen. Meine Hoff­nung ist, dass da noch andere nach­ziehen. Denn natür­lich ist es auch ihre Verant­wor­tung“. Für die Bundes­tags­ab­ge­ord­nete Tina Winklmann war es ein großes Anliegen einen Fokus auf das Thema Gleich­be­rech­ti­gung im Sport zu setzen. So gab es im Juli 2023 die erste Anhö­rung im Sport­aus­schuss des Deut­schen Bundes­tages zur Entwick­lung des Fußballs für Mädchen und Frauen“. Dies sei das erste Mal über­haupt gewesen, dass es eine solche Anhö­rung gab. Auch sei es ihr wichtig, Frauen als Exper­tinnen in den Ausschuss einzu­laden. Winklmann sagt auch, dass wir die Fach­frauen hätten, wir ihnen aber die Chance bieten müssten sich zu präsen­tieren. Gleich­zeitig sei es auch wichtig, dass die Männer für die Frauen einstehen. Zudem wünscht sie sich, dass sich mehr Männer für Gleich­be­rech­ti­gung einsetzen und sich hinter die Frauen ihres Vereins stellen. Außerdem brauche es mehr Nach­wuchs­för­de­rung von Mädchen, das wünscht sich auch Teresa. Einmal in der Woche leitet sie eine Fußball AG für Mädchen von der Initia­tive Alle kicken mit“ an einer Berliner Schule. Der Vorteil sei, dass die Mädchen nicht extra zu einem Verein gehen müssten, sondern die AG direkt in der Schule statt­findet. Die Hürden seien dann nicht so hoch. Häufig sei es so, dass die Eltern bei Mädchen noch etwas zurück­hal­tender seien und es bei den Jungs normaler für die Eltern sei, dass sie so oft zum Fußball­trai­ning müssen.

Es tut sich was

Der Frau­en­fuß­ball wird in der Gesell­schaft immer popu­lärer. So spielten die Frauen am 31. Mai 2024 im fast ausver­kauften Ostsee­sta­dion in Rostock und machten dort die EM-Quali­fi­ka­tion perfekt. Tina Winklmann beob­achtet diese Entwick­lung eben­falls und stellt fest, der Frau­en­fuß­ball bekomme eine höhere Akzep­tanz. Diese Akzep­tanz für den Frau­en­fuß­ball machen auch die Zahlen einer Befra­gung von der Statistas Euro­pean Foot­ball Bench­mark 2023 deut­lich, in der 58% der Befragten angaben, dass sie sich mehr Frau­en­fuß­ball im Free TV wünschen. Bei Union Berlin etwa würden teil­weise bis zu 18 000 Zuschauer*innen zu Spielen des Frau­en­teams kommen, so Geschäfts­füh­rerin des Frau­en­be­reichs Jenny Zietz. Auch Klara Sched­lich von den Grünen nimmt eine Entwick­lung in der gesell­schaft­li­chen Akzep­tanz des Frau­en­fuß­balls wahr. So würde der Frau­en­fuß­ball in der breiten Gesell­schaft popu­lärer werden, was sie sehr freut, jedoch findet sie es schade, dass viel mehr Aufmerk­sam­keit und finan­zi­elle Mittel in den Männer­fuß­ball fließen würden.

In den letzten Jahren gab es viel Entwick­lung um mehr Gleich­be­rech­ti­gung im Fußball zu schaffen. Auch in der Gesell­schaft wird Frau­en­fuß­ball immer popu­lärer. Diese Entwick­lungen sieht auch die Poli­ti­kerin Tina Winklmann. Sie habe sehr viele Entwick­lungs­stufen vom Frauen- und Mädchen­fuß­ball gesehen und wir wären heute so weit, wie noch nie, sagt sie. Es sei aber auch wichtig dies auszu­bauen und dran­zu­bleiben: Ich freue mich auf alle, die mit mir kämpfen, mit mir fighten“. Winklmann betont auch, dass es wichtig sei von poli­ti­scher Seite etwas zu unter­nehmen. Deshalb spiele sie als Frau beim FC Bundestag, denn für sie es sei wichtig dabei zu sein und aktiv zu sein. Es braucht immer jemand, der irgendwie eine Vision hat, der vorweg geht“, so Jenny Zietz vom 1. FC Union Berlin. Auch Klara Sched­lich ist es wichtig, dass es Projekte gibt, die den Frauen- und Mädchen­fuß­ball besser fördern. Für Teresa vom 1. FC Schö­ne­bergs ist der Nach­wuchs­fuß­ball im Mädchen­be­reich eben­falls sehr wichtig und sie findet, dass gerade Initia­tiven, wie Alle kicken mit“ unheim­lich wert­voll sind, um Mädchen für den Fußball zu begeis­tern.

Es bleibt zu sagen, dass der Frau­en­fuß­ball sich weiter­ent­wi­ckelt hat und immer mehr in Rich­tung einer Gleich­be­rech­ti­gung geht, solange alle an einem Strang ziehen.


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