Frau­en­fuß­ball: Der verges­sene Sport

Datum
16. Juli 2024
Autor*in
Emma Askin
Redaktion
politikorange
Thema
#EM2024
Beitragsbild Emma

Beitragsbild Emma

Während alle über den frag­li­chen nicht gege­benen Hand­elf­meter im Vier­tel­fi­nale der EM 2024, im Spiel Deutsch­land gegen Spanien spre­chen kämpft der Frau­en­fuß­ball um die Gleich­be­rech­ti­gung. Ein Kommentar.

Während alle über den frag­li­chen nicht gege­benen Hand­elf­meter im Vier­tel­fi­nale der EM 2024 im Spiel Deutsch­land gegen Spanien spre­chen, kämpft der Frau­en­fuß­ball um die Gleich­be­rech­ti­gung. Ein Kommentar.

Wenn ich erzähle, dass ich Fußball spiele, schaue ich oft in sehr über­raschte Gesichter. Ähnlich über­rascht, wie wenn der 1.FC Bayern München mal nicht die Bundes­liga gewinnt. Viele Menschen trauen auch im Jahr 2024 einer jungen Frau nicht zu, dass sie in ihrer Frei­zeit gerne auf dem Fußball­platz steht und Tore schießt.

Warum ist es im Jahr 2024 noch nicht normal, dass der Sport keine Geschlechts­iden­tität kennt? Dieses Beispiel ist nur eines von vielen für die Diskri­mi­nie­rung des Frau­en­fuß­balls. Bei Manchester United müssen die Frauen Container zum Umziehen nutzen, da die Kabinen der Männer saniert werden. Anstatt, dass die Männer auswei­chen müssen, werden die Frauen mal wieder wegge­schossen. Beim MSV Duis­burg reißt das Schei­tern der Männer in der 3. Bundes­liga auch die Frauen mit hinunter und sie dürfen nicht mehr in der 2. Bundes­liga spielen.

Der Fußball hinkt hinterher

Während in anderen Berei­chen der Gesell­schaft die Gleich­be­rech­ti­gung von Frauen immer weiter voran­ge­trieben wird scheint es so, als sei der Fußball noch in einem vorhe­rigen Jahr­hun­dert stecken geblieben. Auch, wenn es in den letzten Jahren schon Verän­de­rungen gab, scheinen wir im Fußball noch weit von Gleich­be­rech­ti­gung entfernt zu sein. Während wir über das pinke Auswärts­trikot der Männer disku­tieren, verlieren wir die eigent­li­chen Probleme aus den Augen. Dass Frauen im Profi­fuß­ball meist nicht vom Fußball allein leben können. Dass Frauen im Profi­fuß­ball immer noch sexua­li­sierten Kommen­taren ausge­setzt sind. Dass Frauen im Profi­fuß­ball nicht so sichtbar sind, wie ihre männ­li­chen Kollegen. Das alles ist nicht fair. Diese Liste könnte man endlos weiter­führen. Die EM 2022 hat zwar einen Hype ausge­löst, doch geän­dert hat sich nichts. Ein Jahr später wurde erstmal darüber disku­tiert, ob sich die deut­sche Bevöl­ke­rung die WM über­haupt im Free-TV ansehen kann. Doch hat diese Diskus­sion einen riesigen Aufschrei ausge­löst, denn die Bevöl­ke­rung will Frau­en­fuß­ball sehen. Bei den Männern würde es eine solche Diskus­sion nicht mal im Ansatz geben. So war der Aufschrei riesig, dass einzelne Spiele der EM 2024 nicht im deut­schen Free-TV über­tragen wurden.

Warum muss der Frau­en­fuß­ball noch vom Männer­fuß­ball abhängig sein? Warum können Frauen im Fußball nicht genauso sichtbar sein? Es fängt schon im Nach­wuchs­fuß­ball an. Als ich in der Grund­schule meine ersten Schritte in den Fußball machen wollte, wurde ich so abge­bremst, wie Torschüsse auf das deut­sche Tor durch Manuel Neuer. Ich durfte nicht in der Fußball AG mitspielen, weil ich ein Mädchen war. Das ist zwar schon einige Jahre her, doch auch 2024 nicht unrea­lis­tisch. Heute spiele ich Fußball, doch merke immer öfter, wie sehr der Frau­en­be­reich unsichtbar ist. Auf unserer offi­zi­ellen Vereins­home­page finden sich keine Infor­ma­tionen über Spiele des Frau­en­be­reichs. Es werden zwar seit kurzer Zeit die Spiel­zeiten der Frauen auf dem Insta­gram Account geteilt, aber ändern tut dies nichts. Doch gleich­zeitig zeigen Vereine aus kleinen Orten, dass es funk­tio­nieren kann, hinter den Frau­en­teams zu stehen. So hatten wir nicht selten bei Heim­spielen mehr Fans von dem Gast­team da.

Sicht­bar­keit von Frauen im Fußb­ball

Wenn der Frau­en­be­reich dem Verein nicht wichtig ist, dann wird sich nichts ändern. Wenn ein Männer­team eine/​einen Trainer*in sucht, wird dies groß bekannt gegeben. Wenn ein Frau­en­team jedoch auf der Suche nach einer/​einem Trainer*in ist, weiß es die breite Öffent­lich­keit meist gar nicht. Wie sollen die Frauen sich sport­lich weiter­ent­wi­ckeln können, wenn es keine Person gibt, die sie trai­niert? Wie sollen junge Mädchen sich für Fußball begeis­tern können, wenn niemand da ist, der sie dabei unter­stützt? Es wirkt so, als würde man versu­chen Mädchen und Frauen mit aller Kraft die Sicht­bar­keit im Fußball zu nehmen, damit die Männer mehr scheinen. Doch die Frau­en­na­tio­nal­mann­schaft war in den letzten Jahren durchaus sehr erfolg­reich und stehen auf Platz 4 (Stand 14.06.2024) der FIFA-Welt­rang­liste. Die Männer­na­tio­nal­mann­schaft steht jedoch nur auf Platz 16 (Stand 20.06.2024). Warum geben wir den Frauen nicht ihre Sicht­bar­keit, die sie sich verdient haben?

Im Frau­en­fuß­ball sieht man noch etwas mehr die Leiden­schaft und Begeis­te­rung, während es bei den Männern sehr viel ums Geld geht. Doch würde eine Gleich­be­rech­ti­gung des Frau­en­fuß­balls nicht auch eine solche Entwick­lung mit sich bringen? Nein, denn bei den Frauen wäre die Begeis­te­rung immer noch da. Denn, wenn sie erstmal gleich­be­rech­tigt sind, könnten die Mädchen und Frauen ihr Poten­zial erst richtig entfalten. Die Moti­va­tion würde steigen und die Nach­wuchs­för­de­rung würde sich auch verbes­sern. Wir müssen den Frauen eine Stimme geben und zeigen, dass Frauen im Fußball längst ange­kommen sind. Wir müssen Frauen den Raum geben zu trai­nieren und sich weiter­zu­ent­wi­ckeln. Wenn die Frauen immer nur auf dem Platz trai­nieren, der eigent­lich drin­gend saniert werden müsste, dann wird ihnen nicht nur die Wert­schät­zung genommen, sondern sie werden auch in die Gefahr gebracht, dass sie sich verletzen. So ist es wissen­schaft­lich bewiesen, dass Frauen eine deut­lich höhere Gefahr etwa für einen Kreuz­band­riss und während Phasen ihres Mens­trua­ti­ons­zy­klus ein deut­lich höheres Verlet­zungs­ri­siko haben. Um Gleich­be­rech­ti­gung im Frau­en­fuß­ball zu erlangen, brau­chen wir diese Forschung, um die Bedin­gungen an Frauen anzu­passen, denn wie sollen Frauen Fußball spielen können, wenn sie dauernd verletzt sind?

Es geht um viel mehr als viel Geld

Das Problem der mangelnden Gleich­be­rech­ti­gung im Frau­en­fuß­ball fängt bei der deut­lich gerin­geren Bezah­lung an, aber ist noch viel tiefer­ge­hend. Es wird immer nur über das Geld gespro­chen, wobei vergessen wird, dass es deut­lich mehr Probleme gibt. Es wirkt in der öffent­li­chen Debatte oft so, als würden Frauen sich nur mehr Geld wünschen. Das Gegen­teil ist der Fall, denn egal, wie viel Geld die Frauen bekommen, wenn die Akzep­tanz da ist, wäre schon viel mehr erreicht als einfach nur bei einer Gehalts­er­hö­hung. Die Männer sind auch in der Verant­wor­tung. So hat die däni­sche Herren­na­tio­nal­mann­schaft kurz vor der EM 2024 eine Gehalts­er­hö­hung abge­lehnt, bis die Frauen gleich­be­zahlt werden. Wo bleibt die Reak­tion vom Männer­fuß­ball in Deutsch­land? Warum stellen sich die Männer nicht hinter die Frauen und zeigen, dass sie soli­da­risch sind, dass auch sie von einer Gleich­be­rech­ti­gung profi­tieren würden. Doch ist eine Reak­tion bisher ausge­blieben. Doch auch die Reak­tion der däni­schen Natio­nal­mann­schaft ist nur ein kleiner Teil von dem, was notwendig ist. Eigent­lich sollte viel mehr passieren und die Aktion zeigt deut­lich, dass auch hier nur das Bewusst­sein herrscht, dass das Geld ein Problem ist.

Man sollte nicht vergessen, dass es schon einige Verän­de­rungen gab. Teil­weise wurden Spiele der deut­schen Frau­en­na­tio­nal­mann­schaft fast gar nicht besucht. So spielte die deut­sche Frau­en­na­tio­nal­mann­schaft kürz­lich in einem fast ausver­kauften Ostsee-Stadion in Rostock, was schon fast ironisch ist, wo es in der Rosto­cker Ultra-Szene doch ein Verbot für Frauen in den ersten drei Reihen gibt und sich Frauen regel­mäßig Beläs­ti­gungen ausge­setzt sind. Gleich­zeitig ist dies ein Signal, dass der Frau­en­fuß­ball längst von den Fans akzep­tiert wird. Aber es bleibt die Frage, warum dann Frauen als Fans nicht akzep­tiert sind.

Was bleibt ist eine grund­sätz­liche Frage, warum wir im Fußball scheinbar noch nicht im Jahr 2024 ange­kommen sind und der Fakt, dass Frauen im Fußball nicht gleich­be­rech­tigt sind. Fußbal­lerin zu sein, sollte ein normaler Beruf sein, so wie es auch bei den Männern der Fall ist. Frauen sollten sich auf diesen konzen­trieren können, ohne noch zusätz­lich arbeiten zu müssen. Doch wenn die struk­tu­rellen Bedin­gungen nicht stimmen, dann würde auch eine Gehalts­er­hö­hung nichts ändern, denn Gleich­be­rech­ti­gung ist viel mehr als nur Geld. Wenn jedoch bei den struk­tu­rellen Bedin­gungen alles beim Alten bleibt, dann sind wir immer noch weit von einer wirk­li­chen Gleich­be­rech­ti­gung entfernt. Ohne eine Verän­de­rung der Struk­turen wird es keine Gleich­be­rech­ti­gung geben, denn auch von Geld können sich die Frauen keine Verän­de­rungen kaufen.


Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild