Ein Spiel mit hohen Einsätzen

Datum
23. Juli 2024
Autor*in
Maximilian Frisch
Redaktion
politikorange
Thema
#EM2024
Beitragsbild Max

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Die Fußball-Euro­pa­meis­ter­schaft 2024 in Deutsch­land verspricht, ein Ereignis voller Begeis­te­rung für Fußball­fans zu werden. Doch hinter der glän­zenden Fassade verbirgt sich eine düstere Schat­ten­seite, die der Gesell­schaft und dem Staat teuer zu stehen kommen könnte. Gleich­zeitig schwärmt die UEFA von Rekord­ein­nahmen.

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Bild: Pixabay/geralt

Um die Fußball-Euro­pa­meis­ter­schaft 2024 nach Deutsch­land zu holen, hat die Bundes­re­gie­rung bereits 2018 weit­rei­chende Zuge­ständ­nisse an die UEFA gemacht. Mit diesen Garan­tien wird sicher­ge­stellt, dass alle von der UEFA gefor­derten Bedin­gungen zur Ausrich­tung des Turniers erfüllt werden. Insge­samt wurden 18 Garantie- und Unter­stüt­zungs­schreiben ausge­stellt, die unter anderem Aspekte wie Sicher­heit, Rechts­schutz sowie Visa- und Arbeits­er­laub­nisse abde­cken. Diese Zusagen wurden von den zustän­digen Minis­te­rien im Rahmen der gesetz­li­chen Möglich­keiten formu­liert. So sicherte sich Deutsch­land die Austra­gung einer der größten Sport­ver­an­stal­tungen der Welt. Ein wich­tiger Teil der Garan­tie­er­klä­rungen befasst sich auch mit dem Thema Steu­er­erleich­te­rungen.

Die UEFA, Deutsch­land und die Steu­er­zah­lenden

Die UEFA rechnet mit einem Umsatz von 2,4 Milli­arden Euro und einem Gewinn von 1,1 Milli­arden Euro. Der Eindruck entsteht, dass der deut­sche Staat erheb­lich von den Steu­er­zah­lungen der UEFA profi­tieren würde. Doch diese Annahme täuscht. Die Bundes­re­gie­rung hat der UEFA im Rahmen der Fußball-Euro­pa­meis­ter­schaft 2024 umfang­reiche, jedoch im Detail nicht öffent­liche, Steu­er­erleich­te­rungen gewährt. Dadurch werden die Einnahmen aus Gewerbe- und Körper­schafts­steuer für den deut­schen Staat erheb­lich gemin­dert. Die der UEFA gewährten Steu­er­erleich­te­rungen sind im Detail nicht bekannt und fallen unter das Steu­er­ge­heimnis. Sicher ist aller­dings, dass die UEFA massiv von diesen Erleich­te­rungen profi­tieren wird.

Andre Nowak, Büro­leiter für Abge­ord­nete der LINKEN im Bundestag, kriti­siert die Intrans­pa­renz im Bezug auf die Steu­er­erleich­te­rungen scharf. Er betont, dass die Bevöl­ke­rung ein Anrecht darauf hat, zu wissen, wie viel Groß­un­ter­nehmen wie die UEFA tatsäch­lich an Steuern sparen. Nowak merkt an:

Es ist nicht akzep­tabel, dass die Bürge­rinnen und Bürger im Dunkeln gelassen werden, wenn es um die Nutzung ihrer Steu­er­gelder geht.

Zusätz­lich sind die finan­zi­ellen Belas­tungen für die Austra­gungs­orte enorm. Die Kosten umfassen die Reno­vie­rung von Stadien, die Verbes­se­rung der Infra­struktur, Sicher­heits­maß­nahmen und die von der UEFA gefor­derten Fanmeilen in den Städten. Gerade für beson­ders struk­tur­schwache Städte wie Dort­mund oder Gelsen­kir­chen, sind diese Kosten nur schwer zu stemmen, beson­ders wenn man die fehlenden Geld­re­serven für soziale Struk­turen betrachtet. Warum also gehen diese Städte dieses Minus­ge­schäft ein? Die Hoff­nung auf wirt­schaft­liche Impulse durch mehr Tourismus während der EM mag verlo­ckend sein, doch wie realis­tisch sind diese Verspre­chen? Die Gesamt­kosten für die EM belaufen sich auf schät­zungs­weise mindes­tens 650 Millionen Euro, während die Einnahmen ledig­lich auf 250 Millionen Euro geschätzt werden.

Keine lang­fris­tiger Effekt

Sport­funk­tio­näre und Poli­ti­ke­rinnen erwähnten in der Vergan­gen­heit immer wieder die zu erwar­tende wirt­schaft­liche Gewinne für die Austra­gungs­städte und eine Verbes­se­rung der Wirt­schafts­lage. Aber entspricht das der Realität? Denn auf der anderen Seite, stehen Kritiker dieser Vermu­tung, wie der Makro­ökonom Professor Oliver Holtem­öller. Dieser beschäf­tigt sich gerade mit den Zusam­men­hängen zwischen Sport-Groß­ereig­nissen und ihren volks­wirt­schaft­li­chen Effekten. Er ist der Meinung, dass ein solches Sport­event die Wirt­schaft nicht dauer­haft stärkt. Es kann zu kurzem bran­chen­be­zo­genem Wachstum kommen, von einem lang­fris­tigen Effekt ist laut dem Professor der Makro­öko­nomie jedoch nicht auszu­gehen.

Die Bundes­re­gie­rung steht vor der Aufgabe, erheb­liche Spar­maß­nahmen zu ergreifen, um die Staats­aus­gaben zu senken und die Haus­halts­dis­zi­plin zu wahren. Ist es also vertretbar, eine solche Summe für ein Sport­event auszu­geben, während gleich­zeitig erheb­liche Kürzungen im Bundes­haus­halt bespro­chen werden? Der Sport­haus­halt soll im kommenden Jahr um 10% gekürzt werden, und es fehlt drin­gend an Mitteln zur Erhal­tung von Schwimm­bä­dern und Sport­hallen. Wäre es nicht sinn­voller gewesen, dieses Geld in den Brei­ten­sport und die Jugend­för­de­rung zu inves­tieren? Der Fokus auf den Fußball führt letzt­lich dazu, dass andere Sport­arten unter den enormen staat­li­chen Ausgaben leiden. Auch Andre Hahn, Bundes­tags­ab­ge­ord­neter für die Links­partei bezieht hierzu Stel­lung:

Während im Profi­fuß­ball und einigen wenigen anderen Sport­arten völlig absurde Geld­summen im Spiel sind, fehlen anderswo die Sport­stätten, Trai­ne­rinnen und Trainer sowie eine ange­mes­sene Förde­rung für das in Sonn­tags­reden so viel geprie­sene Ehrenamt.

Exklu­sives Große­vent

Groß­ver­an­stal­tungen wie die EM schließen margi­na­li­sierte Gruppen nach­weisbar zu einem Groß­teil aus. Sie werden durch hohe Eintritts­preise, mangelnde Barrie­re­frei­heit, fehlende inklu­sive Ange­bote und Sicher­heits­maß­nahmen, die bestimmten Bevöl­ke­rungs­gruppen über­mäßig kontrol­lieren oder abschre­cken, ausge­grenzt. Margi­na­li­sierte Gruppen sind Bevöl­ke­rungs­gruppen, die aufgrund von gesell­schaft­li­chen, wirt­schaft­li­chen oder poli­ti­schen Faktoren an den Rand der Gesell­schaft gedrängt werden und dadurch einge­schränkten Zugang zu Ressourcen, Rechten oder Einfluss­mög­lich­keiten haben. Sie werden in vielen Lebens­be­rei­chen benach­tei­ligt, wie auch bei großen Sport­ver­an­stal­tungen. Es ist keine Selten­heit, dass Obdach­lose und Drogen­kon­su­men­tinnen aus den Stadt­bil­dern verdrängt werden, um eine vermeint­lich saubere Umge­bung zu schaffen. So wird also befürchtet, das Obdach­lose gezielt aus den Innen­städten verdrängt werden und für diese Bereiche Platz­ver­weise erhalten, um dem inter­na­tio­nalen Publikum eine Szenerie von Ordnung und Sauber­keit zu präsen­tieren. Barrie­re­frei­heit bleibt eben­falls häufig auf der Strecke. Nach einer Anfrage von Andre Hahn stellte sich raus, dass kein Stadion die Mindest­an­zahl an barrie­re­freien Plätzen besitz. Diese müssten nach der soge­nannten Muster­ver­samm­lungs­stät­ten­ver­ord­nung klar gere­gelt sein. Zudem ist die Anzahl der für sozial benach­tei­ligte Gruppen verfüg­baren Tickets beschä­mend gering. Ledig­lich 2% der insge­samt 2,5 Millionen Tickets sind für diese Gruppen vorge­sehen. Diesen Menschen wird also ein Zugang zu solchen Sport­ver­an­stal­tungen durch über­teu­erte Tickets zumin­dest extrem erschwert.

Welche Verant­wor­tung trägt die UEFA dafür, dass die EM soziale Gerech­tig­keit fördert? Die UEFA sollte Maßnahmen ergreifen, um sicher­zu­stellen, dass Groß­ver­an­stal­tungen keine nega­tiven sozialen Auswir­kungen haben.

Wie weiter?

Meiner Meinung nach müssen wir uns als Gesell­schaft fragen, welche poli­ti­schen Maßnahmen helfen könnten, die nega­tiven finan­zi­ellen und sozialen Auswir­kungen von Groß­ver­an­stal­tungen wie der EM zu verrin­gern. Eine faire Kosten­ver­tei­lung zwischen der UEFA und den austra­genden Städten wäre ein Anfang. Die Bevöl­ke­rung sollte besser in die Planung und Durch­füh­rung solcher Groß­ereig­nisse einbe­zogen werden, damit ihre Inter­essen berück­sich­tigt werden. Trans­pa­renz und Gerech­tig­keit müssen im Vorder­grund stehen. Zudem fordert André Hahn, dass der Sport ins Grund­ge­setz aufge­nommen wird, um seine Bedeu­tung für die Gesell­schaft zu unter­strei­chen und die staat­liche Verant­wor­tung zu veran­kern. Dies soll sicher­stellen, dass der Zugang zu Sport­mög­lich­keiten und die Unter­stüt­zung des Brei­ten­sports, des Schul­sports und des Vereins­sport als Grund­recht aner­kannt wird. Ein solcher Schritt könnte dazu beitragen, soziale und inte­gra­tive Effekte des Sports zu stärken und Ungleich­heiten zu verrin­gern.

Die EM ist mehr als nur ein Spiel – sie ist ein Event mit hohen Einsätzen, dessen Schat­ten­seiten nicht über­sehen werden dürfen. Es liegt in der Verant­wor­tung der Politik, der UEFA und der Gesell­schaft, sicher­zu­stellen, dass die Begeis­te­rung für den Sport nicht auf Kosten der sozialen Gerech­tig­keit und wirt­schaft­li­chen Vernunft geht.


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