Enga­ge­ment ohne Erfolgs­aus­sichten? Unter­wegs mit MLPD-Spit­zen­kan­didat Adrian Mauson

Datum
22. September 2021
Autor*in
Clara Hoheisel
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Wahlen
Foto_Adrian Mauson1

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Tier­schutz­partei, Die Partei oder ÖDP – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie werden in Wahl­um­fragen unter sons­tige Parteien“ zusam­men­ge­fasst und verpassen regel­mäßig den Einzug in die Parla­mente. Aus welchen Motiven enga­gieren sich junge Menschen gerade dort? Ein Nach­mittag im Wahl­kampf mit Adrian Mauson.

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Adrian Mauson im Gespräch mit einer Passantin. Foto: Jugendpresse Deutschland / Clara Hoheisel

Neue Poli­tiker braucht das Land“ steht in Groß­buch­staben auf dem Plakat, das Adrian Mauson von der verschmutzten Stra­ßen­kreu­zung aufhebt. Er sieht sich als einer von ihnen. Mauson ist Direkt­kan­didat in Halle und Spit­zen­kan­didat auf der Landes­liste Sachsen-Anhalt der Klein­partei MLPD. Statis­tisch stehen seine Chancen für einen Einzug in den Bundestag aller­dings schlecht: Bei der letzten Bundes­tags­wahl holte seine Partei bundes­weit nur 0,1% der Stimmen, in Sachsen-Anhalt immerhin 0,2%.

Der 28-jährige DHL-Ange­stellte klemmt sich das lädierte Plakat kurzer­hand unter den Arm und läuft weiter seinem Ziel entgegen.

Früh übt sich, wer ein Spit­zen­kan­didat werden will

Mausons poli­ti­sches Inter­esse beginnt 2009: Als Jugend­li­cher enga­giert er sich bei den Bildungs­pro­testen gegen die Abschaf­fung des BAföGs und ein Jahr später, nach dem Reak­tor­un­fall von Fuku­shima, in der Anti-AKW-Bewe­gung. Auf einer Mai-Demo lernt er schließ­lich den Jugend­ver­band REBELL der MLPD kennen. Ich war begeis­tert von dieser Einheit aus Wort und Tat“, erin­nert er sich. Schon wenig später lässt Mauson sich als MLPD-Direkt­kan­didat für den Wahl­kreis Mans­felder Land aufstellen, um ein biss­chen mitzu­be­kommen, wie man einen Wahl­kampf führt“, erklärt er.

Im Jahr 2021 tritt Mauson als Direkt­kan­didat in Halle und Spit­zen­kan­didat auf der Landes­liste Sachsen-Anhalt an. Ich bin kontakt­freudig und in guter körper­li­cher Verfas­sung, was wichtig für die Wahl­kampf­wo­chen ist. Mit der Mitar­beit in Gewerk­schaft und Vereinen und der Entschei­dung selbst Arbeiter zu werden, passe ich gut zum Profil der MLPD“, begründet Mauson seine Entschei­dung. Da das Enga­ge­ment und die Kandi­datur viele Seiten seines Privat­le­bens tangieren, muss alles gut mitein­ander verknüpft werden, meint der 28-Jährige: Es gehört zum Beispiel dazu, dass man sich einen Wahl­vor­be­rei­tungs­ur­laub nimmt. Dieser ist in den meisten Fällen unbe­zahlt. Demzu­folge muss man ein biss­chen planen, dass noch genü­gend Geld für den Monat zur Verfü­gung steht.“ Mit seiner Kandi­datur geht auch einher, dass er sich verstärkt in die Öffent­lich­keit begibt. Das ist schon eine Hürde, wenn man zum Beispiel bedenkt, dass dann mal eben die Privat­adresse im Internet gelistet wird, da sie ins Amts­blatt kommt.“ Der Wahl­kampf konzen­triert sich insge­samt auf vier bis sechs Wochen. Neben den inhalt­li­chen Diskus­sionen muss auch das Wahl­pro­gramm verab­schiedet werden, danach folgt die Plaka­tie­rung. Die Kampagne endet schließ­lich mit einer Wahl­fete.

Taktisch zu wählen ist keine Lösung“

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Der 28-jährige Jungpolitiker im Portrait. Foto: privat

Zur Bundes­tags­wahl 2021 wurden 44 Verei­ni­gungen zuge­lassen – mehr als je zuvor. Auch die 1982 gegrün­dete links­ra­di­kale Marxis­tisch-Leni­nis­ti­sche Partei Deutsch­lands“, kurz MLPD, steht wieder auf dem Wahl­zettel. Sie setzt sich für einen revo­lu­tio­nären Sturz der Diktatur des Mono­pol­ka­pi­tals“ ein und wird aufgrund dieser verfas­sungs­feind­li­chen Ziel­set­zung durch den Verfas­sungs­schutz beob­achtet. Als Vorbilder orien­tieren sich die Mitglieder an Kommu­nisten wie Fried­rich Engels, Karl Marx, und Wladimir Iljitsch Lenin, aber auch Mao Tse-tung oder Josef Stalin. Die MLPD konnte noch keine Mandate bei Wahlen auf Bundes- oder Landes­ebene für sich gewinnen. Bei der Bundes­tags­wahl 2017 lag ihr Anteil der Erst- und Zweit­stimmen bei jeweils rund 0,1 Prozent. Erst ab einem Ergebnis von 1,0 Prozent bei Land­tags­wahlen und 0,5 Prozent bei Bundes­tags- und Euro­pa­wahlen erhalten die Parteien aller­dings Zuschüsse durch den Staat, die soge­nannte staat­liche Partei­en­fi­nan­zie­rung.

Auf die Frage, weshalb er sich in einer Klein­partei mit einem verhält­nis­mäßig unbe­deu­tenden Wahl­er­gebnis enga­giert, reagiert Mauson unge­wohnt heftig: Diese Sprach­re­ge­lung ist eine Benach­tei­li­gung in der Öffent­lich­keit. Sie bewirkt, dass die Parteien, die sich noch nicht etabliert haben, klein gehalten werden. So denken die Menschen bei den Wahlen eher taktisch. Aber taktisch zu wählen ist keine Lösung – Wählen aus Über­zeu­gung ist viel wich­tiger. Damit man sich nicht nach dem Wahltag ärgert, dass man eine halbe Sache gemacht hat.“

Die Jugend ist in den letzten Jahren hell­hörig geworden“

Nach der letzten Wegbie­gung ist das Ziel erreicht: Adrian Mauson betritt eine pompöse Einkaufs­straße. Ein Mann mit Pfer­de­schwanz in roter Weste mit aufge­drucktem Partei­logo winkt Mauson zu sich heran. Dieser bahnt sich seinen Weg durch die Menschen zum Partei­stand und die beiden Männer begrüßen sich freund­schaft­lich. Sie teilen einen Stapel mit Wahl­pro­grammen unter sich auf und Adrian stellt sich mit diesen und einer Unter­schrif­ten­liste in die Mitte der vorüber­zie­henden Passant*innen. Viele Menschen hasten in den ersten Minuten an ihm vorbei, die meisten igno­rieren ihn komplett. 

Mauson gibt zu, dass es für ihn als sehr jungen Kandi­daten teil­weise schwierig ist, von älteren Wähler*innen ernst genommen zu werden. Gerade bei dem hohen Alters­durch­schnitt in Deutsch­land ist das für den ein oder anderen eine Hürde. Gleich­zeitig gibt es aber auch betagte Wählende, die es sehr begrüßen und sich wünschen, dass die Jugend wieder poli­ti­scher wird und Verant­wor­tung für die zukünf­tige gesell­schaft­liche Entwick­lung über­nimmt.“ So eine Tendenz konnte er tatsäch­lich beob­achten, reflek­tiert Mauson: Die Jugend ist in den letzten Jahren hell­hörig geworden, was poli­ti­sche Inhalte betrifft. Vorrangig bei Themen wie Umwelt oder Anti­fa­schismus gibt es ein großes Mobi­li­sie­rungs­po­ten­tial, viele Demos werden gerade von Jugend­li­chen geprägt.“ Aller­dings beob­achte der 28-Jährige, dass nur wenige der jungen Erwach­senen in direkter Verbin­dung zu einer poli­ti­schen Partei handeln. Auch wenn das keine Notwen­dig­keit ist, schlägt es sich darin nieder, dass es bei den Wahlen wenig junge Direktkandidat*innen gibt.“

Gerade bei den jungen Wähler*innen gewinnen Klein­par­teien jedoch an Bedeu­tung. So votierten beispiels­weise bei den Land­tags­wahlen in Baden-Würt­tem­berg 13 Prozent der unter 30-Jährigen für Verei­ni­gungen, die unter Sons­tige“ zusam­men­ge­fasst werden. Auch in Rhein­land-Pfalz gingen zehn Prozent der Stimmen von den 18- bis 29-Jährigen an eben diese Grup­pie­rungen.

Wahl­kampf beim Demo­kra­ti­schen Forum“

Die Nach­mit­tags­sonne kommt hinter einer Wolke hervor. In der Luft vermischt sich der Geruch aus der gegen­über­lie­genden Bäckerei mit dem vom Blumen­laden nebenan. Sei es den ange­nehmen Ausgangs­be­din­gungen oder ehrli­chem Inter­esse geschuldet: Einzelne Menschen bleiben bei Adrian Mauson stehen, hören ihm zu, unter­schreiben auf seiner Liste oder nehmen sich ein Wahl­pro­gramm mit nach Hause. In solchen Momenten huscht ein Lächeln über das Gesicht des 28-Jährigen. 

Immer mehr Personen mit MLPD-Buttons und roten Westen treffen ein. Sie alle sind für das Demo­kra­ti­sche Forum“ gekommen. Adrian Mauson erklärt: Die Montags­demo, die 2004 gegen die Hartz-IV-Gesetze entstanden ist, nutzen wir als mode­riertes, demo­kra­ti­sches Forum. Dazu haben wir auch alle Kandidat*innen der anderen Parteien auf anti­fa­schis­ti­scher Grund­lage einge­laden.“ Obwohl letzt­end­lich keine Person einer anderen Partei diese Möglich­keit wahr­nimmt, ist dieser Wahl­kampf­termin etwas ganz Beson­deres für Mauson: Hier hat man die Möglich­keit, ganz spontan Personen zu errei­chen, die sich viel­leicht noch nicht so viele Gedanken gemacht haben. Der Quer­schnitt der Bevöl­ke­rung, der hier vorbei­geht, hat ganz direkt die Möglich­keit, Kritik loszu­werden oder Fragen zu stellen.“ 

Dann ist es so weit: Mauson hält eine kurze Rede und beant­wortet beflis­sent­lich die wenigen Fragen, die ihm Mode­rator oder Plenum stellen. Nach einer knappen Stunde ist die Veran­stal­tung vorbei. Erschöpft aber glück­lich räumen die Akteur*innen ihren Stand auf, rollen die Banner ein und verab­schieden sich. Auch Adrian Mauson tritt den Heimweg an. Für heute ist die Anstren­gung vorbei. Dass das Enga­ge­ment von Mauson und seinen Genossen mit dem Einzug in den Bundestag belohnt wird, ist auch bei dieser Wahl sehr unwahr­schein­lich. Trotzdem werden sie in den Wochen bis zur Wahl weiter­kämpfen.


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