Einfach nur Kind sein

Datum
20. September 2015
Autor*in
Lilith Grull
Redaktion
politikorange
Thema
#ZukunftsTour 2016
Arbeitsergebnis von einer Diskussion von Kindern auf der Zukunftstour in Potsdam zum Thema: Wer ist Flüchtling. Foto: Lilith Grull

Arbeitsergebnis von einer Diskussion von Kindern auf der Zukunftstour in Potsdam zum Thema: Wer ist Flüchtling. Foto: Lilith Grull

Arbeitsergebnis von einer Diskussion von Kindern auf der Zukunftstour in Potsdam zum Thema: Wer ist Flüchtling. Foto: Lilith Grull

In Deutsch­land leben Flücht­lings­kinder unter deut­lich anderen Umständen als heimi­sche Kinder in ihrem natür­li­chen Umfeld. Die Grund­rechte von Flücht­lings­kin­dern werden meist außer Acht gelassen. Das Deut­sche Kinder­hilfs­werk e.V. stellt auf der Zukunfts­tour die Proble­matik dar.

Auf der Zukunftstour in Potsdam klären Vertreter des Deutsche Kinderhilfswerk e.V. Schulklassen über die Situation von Kinderrechte in der Asylpolitik auf. Foto: Lilith Grull

Vertreter des Deutsche Kinderhilfswerk e.V. Schulklassen über die Situation von Kinderrechte in der Asylpolitik auf. Foto: Lilith Grull

Im Rahmen der Zukunfts­tour in Potsdam spre­chen Elisa Bönisch, Heinke Hertel, und Sebas­tian Schiller vom Deut­schen Kinder­hilfs­werk e.V. (DKHW) an Hand von Fall­bei­spielen mit Schul­klassen über die recht­liche Situa­tion von Kindern in deut­schen Flücht­lings­heimen. Sebas­tian Schiller berichtet: Zwei Schwes­tern sind nach Deutsch­land geflohen. Auf dem Weg wurden sie von ihren Eltern getrennt und haben so auch ihre Papiere verloren. Auf dem Amt werden sie gefragt wie alt sie sind. Die Ältere ist 15, sieht aber aus wie 18. Sie kann sich nicht ausweisen und wird wieder in ihr Heimat­land zurück­ge­schickt!“. Unbe­glei­tete Flücht­lings­kinder (UMF) sollten von dem Staat Asyl erhalten, so lange sie minder­jährig sind (Artikel 22, 23 UN-Kinder­rechts­kon­ven­tion). Doch auch wenn ihnen Asyl gestattet wird, sind sie viel zu oft gezwungen unter Umständen in Deutsch­land zu wohnen, die nicht den Grund­rechten entspre­chen.

Nach der UN-Kinder­rechts­kon­ven­tion gibt es klare Rege­lungen, unter welchen Bedin­gungen Kinder in Deutsch­land leben sollten, doch in der Realität werden die Kinder­wohl­kri­te­rien meist miss­achtet. In Flücht­lings­heimen gibt es wenig Raum für Privat­sphäre, oft leben diese in beengten Verhält­nissen mit fremden Personen. Eine anstän­dige Nacht­ruhe ist schwer und inner­fa­mi­liäre Konflikte können meist nicht ohne die Anwe­sen­heit Dritter bespro­chen werden. Darunter leiden beson­ders Jugend­liche in der Pubertät.

Medi­zi­ni­sche Versor­gung und Schul­pflicht ist schwer durch­setzbar.

Die medi­zi­ni­sche Versor­gung ist auf die Behand­lung chro­ni­scher und akuter Erkran­kungen redu­ziert. Jede Unter­su­chung bedarf einer behörd­li­chen Geneh­mi­gung. Solch einen Antrag kann gut einen Monat in Anspruch nehmen. Nicht nur psycho­so­ziale Hilfen für die Linde­rung von seeli­schen Trau­mata ist schwer zu errei­chen, auch bei der Beschaf­fung von grund­sätz­li­chen gesund­heit­li­chen Hilfs­mit­teln, wie einem Roll­stuhl gibt es Hürden. Der Roll­stuhl von Amina ging auf der Flucht verloren, es dauerte fünf Monate bis ihr Antrag auf einen neuen gestattet wurde.“, gibt Elisa Bönisch (DKHW) einer Schul­klasse als Beispiel. Die Schüler erar­beiten, dass nach Artikel 3, 18, 23, 24, 27 der UN-Kinder­rechts­kon­ven­tion, Kinder vor Krank­heit geschützt werden sollen. Beson­ders dieje­nigen mit körper­li­chen Einschrän­kung, müssen von Eltern und auch dem Staat unter­stützt werden.

Eine weitere Hürde stellt die Einschu­lung dar. Für auslän­di­sche Kinder beginnt die Schul­pflicht drei Monate nach ihrer Ankunft. Ange­sichts der hohen Flücht­lings­zahlen gibt es laut dem Bildungs­mi­nis­te­rium Thüringen mitunter Platz­pro­bleme an Schulen. UNICEF beklagt die lange Warte­zeit von Flücht­lings­kin­dern für einen Schul­platz und fehlendes Sprach­an­gebot. Der MDR berichtet, dass bis September 2015 nach Angaben des Bildungs­mi­nis­te­riums 875 speziell ausge­bil­dete Lehrer an Schulen einge­stellt wurden. Entschei­dend seien die pädago­gi­schen Fähig­keiten, den Kindern die deut­sche Sprache beizu­bringen, sagte ein Minis­te­ri­ums­spre­cher. Unter den Pädagogen gebe es nur wenige, die Arabisch spre­chen. Von den 2.300 Flücht­lingen, die im vergan­genen August in Thüringen unter­ge­bracht worden seien, stammen 1.250 aus Syrien.

Jeder dritte Flücht­ling ist ein Kind.

Nach dem Bundes­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung haben im vergangen Jahr in der Euro­päi­schen Union 620.000 und bis August diesen Jahres alleine in Deutsch­land knapp 257.000 Menschen Asyl bean­tragt. Laut einer UNICEF-Studie war jeder dritte davon ein Kind.

Quelle: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/statistik-anlage-teil-4-aktuelle-zahlen-zu-asyl.pdf?__blob=publicationFile

Quelle: BAMF ( Stand: August 2015)

Erwach­sene und Flücht­lings­fa­mi­lien werden nach dem Schlüs­sel­prinzip in Deutsch­land aufge­teilt. Doch bei unbe­glei­teten Flücht­lings­kin­dern sieht es die gesetz­liche Rege­lung vor, dass sie an dem Ort bleiben, an dem sie erst­mals vom Staat aufge­griffen wurden. Es gibt gute Gründe in einem Wohn­ge­biet zu bleiben, aller­dings auch genauso gute wieder von einem weg zu gehen. Wenn ein syri­sches Kind in einer von Rechts­extre­mismus geprägten Ortschaft gelangt, sollte es nicht gezwungen sein dort zu leben. Bei allen Entschei­dungen über den Aufent­haltsort eines umF muss darauf geachtet werden, dass sie dem Kindes­wohl dienen“, meint Sebas­tian Schiller (DKHW). Am Freitag den 25. kommt im Bundestag ein neuer Entwurf zur Hand­ha­bung von UMF zur ersten Lesung. Es soll eine Rechts­än­de­rung geben, sodass die bundes­weite Umver­tei­lung nach einem fest­ge­legten Schlüssel nun auch für UMF ange­wandt wird. Sebas­tian Schiller vom Deut­schen Kinder­hilfs­werk betont, dass dieser Schlüssel nur zum Tragen kommen dürfe, wenn das Kind an der Entschei­dung betei­ligt wurde und es diese Vertei­lung auch ausdrück­lich möchte.

Kinder sind in erster Linie Kinder und brau­chen demnach beson­deren Schutz und Unter­stüt­zung. Dies gilt unab­hängig davon, ob sie aus Deutsch­land oder einem anderen Land stammen und ist unab­hängig davon, aus welchem Grund sie ihre Heimat verlassen haben. Nach der aktu­ellen UN-Kinder­rechts­kon­ven­tion haben alle Kinder die glei­chen Grund­rechte. Wenn alle nur Rechte haben, sich daraus aber für niemanden konkrete Verpflich­tungen ergeben, dann nützen Rechte allein nichts.“, so DR. Artin Bauschke von der Stif­tung Welt­ethos auf der Zukunfts­tour.


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