Ein Rund­gang über die Zukunfts­Tour in Frank­furt (1)

Datum
15. Februar 2016
Autor*in
Sebastian Stachorra
Redaktion
politikorange
Thema
#ZukunftsTour 2016
Fotos von der Zukunftstour am 12.02.2016 in Frankfurt;
© Sebastian Stachorra / politikorange

Fotos von der Zukunftstour am 12.02.2016 in Frankfurt; © Sebastian Stachorra / politikorange

... und so wäre es richtig gewesen. - Foto: Sebastian Stachorra

Mit Apps, Spielen und Videos können die Besucher*innen bei den Lern­sta­tionen“ der Zukunfts­tour in Frank­furt etwas über die neuen Nach­hal­tig­keits­ziele lernen, Projekte der Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit kennen­lernen und erfahren, wieviel CO2 für ihr Essen produ­ziert wurde. Was sie dort erfahren konnten, hat sich Sebas­tian Stachorra ange­schaut. Ein Rund­gang.

Mit Plakaten und Arbeits­blät­tern den eigenen Alltag hinter­fragen

Fotos von der Zukunftstour am 12.02.2016 in Frankfurt;
© Sebastian Stachorra / politikorange

Wenn Adrian nicht lernt, hilft er seinem Vater beim Fischen - Foto: Sebastian Stachorra

Auf Plakaten wird Adrians Tages­ab­lauf erklärt. Adrian lebt auf den Phil­ip­pinen, die Karl Kübel Stif­tung betreut ihn in einem ihrer Projekte. Im Wesent­li­chen besteht sein Tag aus Schule, Haus­auf­gaben und dem Vater beim Fischen helfen. Frei­zeit gibt es nur am Abend, wenn alle Haus­auf­gaben erle­digt sind. Das muss vor 18 Uhr geschehen, denn dann wird es auf den Phil­ip­pinen dunkel – und Adrians Familie hat keinen Strom. Frei­zeit nur abends und keinen Strom – das kann ich mir kaum vorstellen.

Doch worüber die Schüler*innen am Beispiel Adrians disku­tieren, ist unter­schied­lich, erklärt mir Monika Gerz: Den Jüngeren fällt auf, dass es zu jeder Mahl­zeit Reis gibt, den Älteren, wie lange am Tag Adrian Schule hat. Und im Reli­gi­ons­un­ter­richt wundern sich nicht wenige über das abend­liche Rosen­kranz-Gebet.“ Letz­teres hat mit der Kolo­nia­li­sie­rungs­ge­schichte zu tun – vom 16. bis Ende des 19. Jahr­hun­derts (15651898) waren die Phil­li­pi­nien eine Kolonie Spaniens. Und auch wenn der tägliche Reis lang­weilig erscheint: die Ernäh­rungs­si­cher­heit ist durchaus nicht selbst­ver­ständ­lich für Jungen wie Adrian. Auch gehen längst nicht alle Kinder auf den Phil­ip­pinen regel­mäßig zur Schule. Oft müssen sie ganz­tägig im elter­li­chen Betrieb arbeiten. Ich frage nach: Ist nicht auch das tägliche Helfen Adrians Kinder­ar­beit? Darüber dürfen die Schüler*innen gerne disku­tieren!“, ermu­tigt Monika Gerz: Ich frage dann immer: wieviel helft ihr im Haus­halt?“ Die Karl Kübel Stif­tung verleiht die Lern­sta­tionen an Lehrer*innen aus Benz­heim und Umge­bung. Es gibt Arbeits­blätter, die größ­ten­teils mit Hilfe der Plakate beant­wortet werden können. Aber bei manchem muss man auch selbst nach­denken“, betont Gerz.

Das gilt auch für die anderen Lern­sta­tionen: so soll beispiels­weise geschätzt werden, wieviel Wasser in verschie­denen Produkten steckt; für ein Kilo­gramm Papier werden 400 Liter Wasser gebraucht, für eine Jeans sind es schon 8.000 Liter. Viele Zahlen – doch die werden mich auch an den anderen Ständen begleiten.

Über Geschmack lässt sich streiten – über den CO2-Ausstoß von Lebens­mit­teln nicht

Am nächsten Stand begegnen mir die Zahlen als Glei­chung. 150 Gramm Hähn­chen = 200 Gramm CO2. Das rechnet mir die Berufs- und Tech­ni­ker­schule Butz­bach vor. Damit man sich vorstellen kann, wie viel (oder eben auch wenig) Fleisch das ist, haben sie auch gleich Teller vorbe­reitet. Dort liegen Hähn­chen, Schwei­ne­fleisch, Gemüse und Steak. Für mich als Nicht-Vege­ta­rier alles lecker. Ich bekomme Hunger.

Fotos von der Zukunftstour am 12.02.2016 in Frankfurt;
© Sebastian Stachorra / politikorange

So viel Hähnchen erzeugen 200 Gramm CO2. Und das süße Hähnchen gibt es dann auch nicht mehr ... - Foto: Sebastian Stachorra

Im Vergleich zu den 23 Gramm CO2, das dieselbe Menge Gemüse erzeugt, wirkt der CO2-Ausstoß für das Hähn­chen viel. Doch neben dem Rind­fleisch rela­ti­viert sich die Zahl; 150 Gramm Rind­fleisch sorgen für 2 Kilo­gramm CO2. Das liegt natür­lich an den Abgasen der Rinder, aber eben auch am Trans­port“, erklärt Inge Sehler.

Auch dazu gibt es Zahlen, zusam­men­ge­fasst lässt sich sagen: je kürzer der Trans­port, desto besser. So richtig über­ra­schend ist das nicht. Aber beim tägli­chen Einkauf im Super­markt denke ich nicht immer daran. Die Infor­ma­tion ist scheinbar noch immer nicht in meinem Bewusst­sein ange­kommen.

Zur Bewusst­seins­bil­dung können die CO2-Zahlen durchaus beitragen. Gemüse ist besser als Fleisch, je kürzer der Trans­port, umso besser. Das gilt insbe­son­dere für Äpfel. Noch mehr Zahlen: Für ein Kilo Äpfel aus Neusee­land werden beim Trans­port 5 Liter Erdöl verbraucht, aus Italien sind es nur noch 0,1 Liter und bei Äpfeln aus der Region nur noch 28ml. Konkret heißt das: 178 Äpfel aus der Region in den Super­markt zu beför­dern verbraucht genau­so­viel Erdöl, wie ein einziger Apfel aus Neusee­land.

Na dann: Mahl­zeit.

Wieso gibt es im Winter keine Erdbeeren?

Richtig lautete die Frage: Wieso gibt es mitt­ler­weile fast das ganze Jahr über Erdbeeren zu kaufen? Im Winter wachsen keine Erdbeeren, das weiß sogar ich. Der Verein Shou­tOut­Loud lädt mich ein, ein Spiel mitzu­ma­chen: ich soll raten, welches Gemüse und Obst in welchen Monaten geerntet wird. Raten? Sollte ich das nicht eigent­lich wissen? Das Ergebnis spricht für sich:

Fotos von der Zukunftstour am 12.02.2016 in Frankfurt;
© Sebastian Stachorra / politikorange

So ordnet Autor Sebastian Stachorra den Gemüsekreis ... - Foto: Sebastian Stachorra

Daniel Anthes tröstet mich: Du bist damit durch­schnitt­lich schlecht.“ Na vielen Dank auch. Je länger ich darüber nach­denke, desto weniger beru­higt es mich, dass ich nicht allein bin mit meinem Unwissen.

Zum Glück lenkt Daniel mich ab und erzählt mir vom Verein. Wir versu­chen ökolo­gi­sche und soziale Nach­hal­tig­keit zu verbinden“, sagt er und erzählt von den Themen, die Shou­tOut­Loud beson­ders wichtig sind: Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung und Plastik. Beides sorgt für einen unnötig hohen Ressour­cen­ver­brauch.

Neu ist für mich, dass 40% der Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung im privaten Haus­halt passieren. Also dann, wenn Du und ich Lebens­mittel vom Kühl­schrank in den Müll­eimer umsor­tieren“, stellt Daniel trocken fest.

Dann erzählt er, wie der Verein zusammen mit Geflüch­teten kocht. Einmal im Monat kommen rund 50 Leute zusammen, um gemeinsam zu kochen. Die Rezepte bringen die Gäste mit. Wir orga­ni­sieren zusammen das Essen, zum Beispiel über FoodSha­ring. Nur, was wir nicht bekommen, kaufen wir dazu.“ Dann schneiden alle zusammen das Gemüse, die Koch­löffel gehen an die Leute, die das Rezept mitbringen.

Die Idee: Geflüch­tete inte­grieren und sie gleich­zeitig für das Thema Ressour­cen­ver­schwen­dung sensi­bi­li­sieren.

Wie bitte? Geflüch­tete und Ressour­cen­ver­schwen­dung? In den Erst­auf­nah­me­la­gern ist Nach­hal­tig­keit kein Thema“, erklärt Daniel, Einweg­plas­tik­fla­schen gehören da leider zur Tages­ord­nung. Hier braucht es allge­mein bessere Versor­gungs­lö­sungen auf Seiten der Orga­ni­sa­toren, die sowohl unmit­telbar, als auch kosten­günstig und nach­haltig sind.“ Doch auch was Lebens­mittel angeht, kann dort noch viel getan werden. Beispiels­weise in Syrien kocht man gerne viel zu viel, da es kultu­rell als Zeichen der Höflich­keit ange­sehen wird – doch bringt es am Ende wenig, wenn bei 20 Gästen Essen für 40 Leute auf den Tisch kommt und deshalb die Hälfte im Müll landet.“

Zum Abschluss spiele ich erneut – und diesmal bin ich besser. Ich soll verschie­dene Lebens­mittel nach ihrem CO2-Ausstoß sortieren. Dank meines Vorwis­sens von der Berufs- und Tech­ni­ker­schule Butz­bach löse ich die Aufgabe und bekomme einen Gutschein für ein Gratis-Essen beim Verein*. Puh, gerade nochmal gut gegangen.

*Da der Autor nicht in Frank­furt wohnt, würde er den Gutschein per Post an Inter­es­sierte versenden.


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