Die Zukunft der Union liegt in den Händen von Grünen und FDP

Datum
05. Oktober 2021
Autor*in
Fynn Dresler
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Wahlen
mika-baumeister-unsplash

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2021 waren es gerade einmal 24% der Wähler*innen, die ihr Kreuz bei der ehemaligen Volkspartei setzten. Foto: Mika Baumeister / Unsplash

24,1 Prozent – Ein kata­stro­phales Ergebnis für die Union. Was sind die Konse­quenzen für Armin Laschet, die Partei und die nächste Regie­rung? Eine Einschät­zung von Fynn Dresler.

Es ist 18:57 Uhr, als Armin Laschet vor die Kameras im Konrad-Adenauer-Haus tritt und vor versam­melter Partei­spitze den Regie­rungs­auf­trag der Union verkündet. Damit gibt er den Start­schuss in einen hitzigen Wahl­abend. Denn auch Olaf Scholz betont mit dem Wahl­sieg im Rücken seinen Anspruch auf das Kanz­leramt. Mit einem Vorsprung von 1,6 Prozent­punkten gegen­über der Union ist der Sieg am Ende denkbar knapp, was es den Politiker*innen der Union leicht macht, in den folgenden Stunden gleichsam den Regie­rungs­willen zu betonen. Dabei versu­chen Laschet, Söder und Co. mit dem Verweis auf den fehlenden Kanzler*innenbonus und die Aufhol­jagd gegen­über den Umfragen über den über­deut­li­chen Verlust von 8,8 Prozent­punkten hinweg­zu­täu­schen. Ein Stim­men­ver­lust gegen­über 2017, der endgültig auch der Union den Status als Volks­partei aberkennt. 

Fabian Beine.

Fabian Beine von der Jungen Union Main-Taunus sieht im Wahlergebnis der Union einen herben Einschnitt. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Fabian Beine von der Jungen Union bezeichnet dieses Ergebnis nur als einen schwarzen Tag in der Geschichte der Schwarzen.“ Seine Bilanz macht deut­lich, was manch anderer noch nicht wahr­haben will: Die Union ist große Verlie­rerin dieser Wahl. Damit bleibt nicht nur die Kanzler*innenfrage auch in den Tagen nach der Wahl noch offen, sondern auch die Zukunft des Kanz­ler­kan­di­daten und CDU-Vorsit­zenden Armin Laschet.

Die Causa Laschet 

Wenn es am Ende nicht fürs Kanzler*innenamt reicht, muss Armin Laschet diese deut­liche Nieder­lage aner­kennen und sich gegen­über der eigenen Partei und Basis recht­fer­tigen. Der Kanz­ler­kan­didat der Union star­tete mit dem erklärten Ziel in den Wahl­kampf, die nächste Regie­rung anzu­führen. Mit der Zweit­plat­zie­rung der Union ist dies nicht unmög­lich, aber eben auch nicht selbst­ver­ständ­lich. Nied­rige Beliebt­heits­werte, Wahl­kampf­pannen und die Forde­rung nach Aufar­bei­tung führen spätes­tens mit dem Ende des Wahl­kampfs dazu, dass Funktionär*innen der Union ihr Urteil zur Zukunft ihres Partei­vor­sit­zenden bereits gefällt haben.

So fordert etwa sein Partei­kol­lege und eins­tiger Team­partner Jens Spahn ange­sichts der Nieder­lage einen Gene­ra­tio­nen­wechsel. Norbert Röttgen macht deut­lich: So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“ Frak­ti­ons­vize Gitta Conne­mann fordert unter anderem perso­nelle Konse­quenzen. Auch die Schwes­ter­partei CSU hält die schlechte Stim­mung nicht zurück: Alex­ander Dobrindt, Vorsit­zender der CSU-Landes­gruppe im Bundestag, führt die deut­li­chen Verluste laut Infor­ma­tionen der WELT auf den Kurs, die Kampagne und den Kandi­daten zurück. Damit steigt der Druck auf Laschet, was auch seine Stur­heit im Regie­rungs­an­spruch erklärt: Nur als Kanzler in einer unions­ge­führten Jamaika-Koali­tion hätte Laschet auch persön­lich das Schlimmste abge­wendet und könnte sich trotz Stim­men­ver­lust als Gewinner insze­nieren. 

Der Kampf um den Frak­ti­ons­vor­sitz

Geht die Union in die Oppo­si­tion, bedeutet dies neben der Nieder­lage außerdem einen nie da gewe­senen Mangel an Ämtern, der den bereits exis­tie­renden Macht­kampf um einiges verschärfen würde. Denn: Selbst im Wahl­kampf ist Markus Söder nicht müde geworden, Werbung für sich zu machen und auf die Fehler des gemein­samen Kanz­ler­kan­di­daten hinzu­weisen. Auch Fried­rich Merz könnte mit seinem Rück­halt an der Basis als Person der Erneue­rung dastehen und auf ein Amt drängen.

In der Oppo­si­tion wäre das einzig aussichts­reiche Amt der Frak­ti­ons­vor­sitz, den bisher Ralph Brink­haus bekleidet. Dieser wurde am Diens­tag­abend bis Ende April im Amt bestä­tigt, womit der erste Macht­kampf in der Union weder deut­lich Laschets Forde­rungen wider­spricht noch ein eindeu­tiges Bekenntnis zu seiner Person darstellt. Viel­mehr soll der von Söder und Laschet einge­fä­delte Kompro­miss ein Zeichen der Geschlos­sen­heit der Union liefern. 

Das Veto ist Grün-Gelb

Die Zukunft Armin Laschets hängt also ab von der nächsten Regie­rungs­ko­ali­tion. Und damit liegt die Entschei­dung – anders als Laschet am Wahl­abend sugge­rierte – zunächst einmal bei den mögli­chen Koalitionspartner*innen: Den Grünen und der FDP. 

Eins ist für nahezu alle Betei­ligten klar: Eine neue große Koali­tion wird es nicht geben. Damit ist die Koali­ti­ons­bil­dung eine Entweder-Oder-Frage zwischen Jamaika und Ampel, wie auch Fabian Beine von der Jungen Union betont: Wir wollen keine neue Große Koali­tion und eine Juni­or­part­ner­schaft der Union kommt für mich nicht infrage.“

Dr.Höhne

Wenn es nach der Einschätzung von Dr. Benjamin Höhne geht, wird Deutschland bald von einer Ampel-Koalition regiert. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Auch Dr. Benjamin Höhne, Stell­ver­tre­tender Leiter des Insti­tuts für Parla­men­ta­ris­mus­for­schung, sieht in der Großen Koali­tion nicht mehr als ein Druck­mittel gegen­über Forde­rungen von den Grünen und der FDP. Sollten diese zu weit reichen, können SPD und Union immer noch mit der unlieb­samen Alter­na­tive zu Beschei­den­heit mahnen. Obwohl die program­ma­ti­schen Schnitt­mengen für das Bündnis weiterhin gegeben sind, hatte zuletzt keiner der Akteur*innen Werbung beim bishe­rigen Koali­ti­ons­partner gemacht. Dafür spricht auch die große Unbe­liebt­heit der Großen Koali­tion in der Bevöl­ke­rung und die zuletzt viel betonte Wech­sel­stim­mung.

Damit bleiben zwei Optionen mit weit­rei­chenden Folgen für die Zukunft: Entweder Jamaika oder Ampel, entweder Laschet oder Scholz, entweder Sieg oder Nieder­lage. Sowohl für Jamaika als auch für ein Ampel­bündnis sind die Grünen und die FDP offen. Entschei­dend werden am Ende die Zuge­ständ­nisse und der Rück­halt für die Koali­tion unter den Wähler*innen.

Laut Dr. Benjamin Höhne sind die inhalt­li­chen Diffe­renzen der Grünen in ihrem Kern­thema Klima­schutz bei SPD und Union vergleichbar. Bei der FDP bieten vor allem die geplanten Steu­er­ent­las­tungen Konflikt­po­ten­zial. Die Sondie­rungs­ge­spräche, beson­ders die Vorge­spräche zwischen den Grünen und der FDP, werden zeigen, wer wo zu Zuge­ständ­nissen bereit ist. Anders als bei den letzten Koali­ti­ons­ver­hand­lungen ist diesmal jedoch die Bereit­schaft aller Betei­ligten fürs Regieren beson­ders groß. Auch der Druck aus der Bevöl­ke­rung für einen Wandel und gegen eine Neuauf­lage der Großen Koali­tion erhöht die Erfolgs­chancen. 

Für ein Bündnis aus SPD, den Grünen und FDP spricht, dass es eine Koali­tion der Wahlgewinner*innen wäre. Die logi­sche Konse­quenz aus dem Wahl­sieg der SPD ist die Regie­rungs­bil­dung und auch der herbe Verlust der Union spricht gegen eine erneute Betei­li­gung. Für die Grünen ist die Unter­stüt­zung für eine Ampel-Koali­tion in der Partei im Vergleich zur Jamaika-Koali­tion mehr als doppelt so hoch und auch für die FDP bietet eine Koali­tion mit SPD und Grünen Möglich­keiten. Neben Rot-Grün könnte sich die FDP program­ma­tisch abgrenzen und als bürger­li­chen Gegenpol profi­lieren. 

Ein Problem für die Union, die lang­fristig Wähler*innen an die FDP verlieren könnte. Auch wäre unge­wiss, wie und wer die neue Rolle der Union als Oppo­si­ti­ons­partei ausfüllen könnte. Ein gewagter Schritt, der viele perso­nelle und stra­te­gi­sche Fragen aufwirft, jedoch ange­sichts der Wahl­er­geb­nisse immer schwerer abzu­wenden sein wird. Demnach nahe­lie­gend für die Union: Weiter auf ein Jamaika-Bündnis setzen und auf unüber­wind­bare inhalt­liche Diffe­renzen der Ampel-Koali­tion hoffen. Das Desaster der Union wäre in letzter Sekunde abge­wendet und auch Laschet wäre als Kanzler haltbar – zumin­dest für den Moment.


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