Die Wieder­ge­burt der Sozi­al­de­mo­kratie?

Datum
28. September 2021
Autor*in
Thomas Vollmuth
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Politik
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Annika Klose zieht über Listenplatz 4 der Berliner SPD in den deutschen Bundestag ein. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Mit 25,7% gewinnt die SPD die Bundes­tags­wahl 2021. poli­ti­ko­range-Redak­teur Thomas Voll­muth hat mit der Berliner Sozi­al­de­mo­kratin Annika Klose über den Wahl­sieg ihrer Partei gespro­chen.

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Die SPD feiert ihren Wahlerfolg 2021. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Das Ergebnis trägt unserer voll­zo­genen Neuauf­stel­lung Rech­nung.” Annika Klose ist Direkt­kan­di­datin der SPD im Wahl­kreis Berlin-Mitte und stolz auf die neu gewon­nene Geschlos­sen­heit ihrer Partei. Die SPD ist mit 25,7% die stärkste Frak­tion der Bundes­tags­wahl 2021 und Wahl­sie­gerin. In Umfragen vor einigen Monaten hatte die Partei mit 13% noch tief in der Krise gesteckt. Was hat sich verän­dert? Annika Klose lobt, dass die SPD jünger und weib­li­cher geworden ist, merkt jedoch an, dass dieser Erneue­rungs­pro­zess noch lange nicht abge­schlossen ist. Wir müssen hart daran arbeiten, dass wir die Glaub­wür­dig­keit behalten und das Vertrauen der Menschen nicht enttäu­schen.”

Der Ausgang der Wahl deutet auf eine Trend­wende hin

Im Kontext vergan­gener Wahlen stellt das dies­jäh­rige Ergebnis ein Novum dar. Während die SPD 2019 bei den Land­tags- und Bürger­schafts­wahlen in Bremen, Bran­den­burg, Sachsen und Thüringen nur geringe Verluste einste­cken musste, erzielte sie bei der Wahl zum Euro­päi­schen Parla­ment das schlech­teste Ergebnis ihrer Partei­ge­schichte. Auch im rot geprägten Hamburg mussten die Sozialdemokrat*innen ein Jahr später Verluste hinnehmen. Die erste wirk­liche Stabi­li­sie­rung erfolgte schließ­lich in Rhein­land-Pfalz. Für den Berliner Senat wird ein ähnli­ches Szenario erwartet, während die Ergeb­nisse in Meck­len­burg-Vorpom­mern analog zur Bundes­tags­wahl eine Aufwärts­rich­tung andeuten. 

Mehrere Gründe spre­chen für den Erfolg der SPD

Der Erfolg der ältesten Partei Deutsch­lands hängt mit verschie­denen Faktoren zusammen. Für Annika Klose war vor allem die Geschlos­sen­heit und der Zusam­men­halt ihrer Partei elementar. Wir haben endlich die internen Graben­kämpfe beigelegt, eine linke Spitze gewählt, die das Vertrauen der gesamten Partei genießt und es geschafft, die Partei zu einen” Während sich CDU/CSU noch im Früh­jahr mit der Kandi­da­ten­fin­dung beschäf­tigten, konnte die SPD in dieser Zeit bereits sämt­liche Ressourcen auf den bevor­ste­henden Wahl­kampf ausrichten. Ähnlich sieht das Klose: Wir waren mit vielen jungen, linken Kandidat*innen auf der Straße mit neuen Formaten und haben den Menschen gezeigt: die SPD besteht eben nicht nur aus alten Herren am Stamm­tisch, sondern wird auch verkör­pert durch Kevin Kühnert, Jessica Rosen­thal oder mich.” Dieser junge Präsenz, im Wahl­kreis und am Wahl­stand, sorgte ihrer Aussage nach für einen zusätz­li­chen posi­tiven Effekt. Auch Olaf Scholz sei ausschlag­ge­bend für den Wahl­sieg gewesen. Der erfah­rene Vize­kanzler hatte beson­ders während der Corona-Krise seine Regie­rungs­fä­hig­keit unter Beweis gestellt. Die zukünf­tige Abge­ord­nete ist zudem der Ansicht, dass das Erstarken der SPD teil­weise auch am histo­risch schwa­chen Kanz­ler­kan­di­daten der Union liegt. Selbst die Kanz­lerin wollte ihn viele Monate nicht unter­stützen”, unter­streicht Annika Klose ihre These. 

Die alter­na­tiv­lose Ampel

Für die Sozialdemokrat*innen ergeben sich nun zwei Koali­ti­ons­mög­lich­keiten. Beson­ders der linke Flügel der Partei begrüßte im Vorfeld eine Rot-Grün-Rote Bundes­re­gie­rung. Auch Annika Klose favo­ri­sierte eine solche Konstel­la­tion. Aktuell erreicht die Linke aller­dings nur 4,9 Prozent der Stimmen und ist nur dank ihrer Direkt­man­date im Bundestag. Eine rot-rot-grüne Koali­tion hat keine Mehr­heit und Annika Klose fordert deswegen eine Ampel-Koali­tion. 

Hubertus Heil spricht sich eben­falls für ein Bündnis der SPD mit den Grünen und der FDP aus. Auf der Wahl­ver­an­stal­tung des Progres­siven Zentrums fordert er eine starke Regie­rung, die nach vorne schaut. Während er die Grünen und die Freien Demo­kraten als progres­sive Gewinner*innen bezeichnet, impli­ziert er zeit­gleich die Rück­wärts­ge­wand­heit der Union. Eben­falls an diese gerichtet merkt er an: In einer Demo­kratie muss man sich Wahl­er­geb­nissen stellen und darf sich die nicht schön­reden.” 

Auch Olaf Scholz sieht den Regie­rungs­auf­trag bei Rot-Grün-Gelb. Welche Themen für ihn und seine Partei beson­ders wichtig sind, lässt er aber zunächst offen. Für Annika Klose ist sicher, dass sich die SPD zwar um einen Regie­rungs­auf­trag bemühen wird, aber klare inhalt­liche Vorstel­lungen einbringt. Das verdeut­liche den Unter­schied zur Union, so Klose, da diese ihrer Meinung nach derzeit eine völlig inhalts­ent­leerte Partei ist, die in den Koali­ti­ons­ver­hand­lungen alles, was sie noch an Posi­tionen hat, über Bord werfen wird.” 

Die zweite Option, in welcher Union und SPD als Große Koali­tion gleich­zeitig am Kabi­netts­tisch sitzen, gilt als unwahr­schein­lich. Der ehema­lige Juso-Bundes­vor­sit­zende und aktu­elle Partei­vize Kevin Kühnert, kündigte seinen Rück­tritt aus dem Vorstand an, sollte es zu einer Neuauf­lage der Großen Koali­tion kommen. Annika Klose sieht das wie ihr Partei­kol­lege Kühnert: Große Koali­tion ist wie Fahren mit ange­zo­gener Hand­bremse, man kommt einfach nicht voran.” 

Nach wochen­langen Wahl­kämpfen kann die Direkt­kan­di­datin aus Berlin-Mitte nun wieder Kraft tanken. Sie hat ihren Wahl­kreis zwar nicht gewonnen, wird aber über die Berliner Landes­liste in den Bundestag einziehen. Die erste konsti­tu­ie­rende Sitzung des neu gewählten Parla­mentes muss bis zum 26. Oktober statt­finden. In diesem Zeit­raum könnten bereits erste Sondie­rungs­ge­spräche geführt worden sein. Ob die zukünf­tige Abge­ord­nete aus Berlin-Mitte an der nächsten Regie­rungs­frak­tion betei­ligt ist, entscheidet schließ­lich das Verhand­lungs­ge­schick der einzelnen Parteivertreter*innen. 


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