Die Hoff­nung stirbt zuletzt: SPD-Wahl­end­spurt in Schleswig-Holstein

Datum
18. Mai 2022
Autor*in
Antonia Tönnies
Redaktion
politikorange
Themen
#LTW_SH22 #Wahlen
Thomas Losse-Müller

Thomas Losse-Müller

Foto: Antonia Tönnies

Die letzten Tage vor der Land­tags­wahl bedeuten für die Parteien Kampf um jede Stimme. Das Ergebnis ist dieses Jahr absehbar, dennoch gibt sich niemand ohne Kampf geschlagen. Redak­teurin Antonia Tönnies durfte die letzten 48 Stunden der SPD exklusiv begleiten.

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Thomas Losse-Müller, SPD-Kandidat für die Landtagswahl 2022 in Schleswig-Holstein. Foto: Antonia Tönnies

Moin, wir sind von der SPD. Eine Rose für Sie?“

Mit Post­karten und Wahl­pro­gramm-Heft­chen gewappnet steht er vor dem Eingang. Thomas Losse-Müller, Spit­zen­kan­didat der SPD in Schleswig-Holstein, hat es fast geschafft. Es ist bereits der vierte Super­markt an diesem Samstag. Und auch, wenn schon jetzt vom schlech­testen Ergebnis der SPD in Schleswig-Holstein die Rede ist, lässt er sich keines­wegs aus der Ruhe bringen.

Ohren­be­täu­bender Wahl­kampf

Zwei Tage vor der Land­tags­wahl kam Olaf Scholz für eine Kund­ge­bung nach Kiel. Nach Poli­zei­schät­zungen hatten sich an diesem Freitag über 1.200 Menschen auf dem Rathaus­platz versam­melt. Es war vermut­lich eine der lautesten Veran­stal­tungen in diesem Wahl­kampf. Neben der Bühne hatten sich etwa 50 Demons­trie­rende postiert, um sich ihren Frust aus der Seele zu schreien. Von Antikriegs-Demonstrant*innen, über Querdenker*innen bis hin zu Rechts­ra­di­kalen war alles vertreten. Umhüllt vom esote­ri­schen Duft eines Räucher­stäb­chens, bewaffnet mit Tröten, Topf­de­ckeln und Mega­fonen, verschafften sie ihrem Ärger Gehör und den Journalist*innen im angren­zenden Pres­se­be­reich quasi einen Hörsturz. Gäste wie Lars Kling­beil, Serpil Midyatli oder Özlem Ünzal hatten Mühe, dagegen anzu­schreien.

Frieden schaffen ohne Waffen(…), das kann in dieser Situa­tion keine Antwort sein!“, betont der Bundes­kanzler in seiner Rede. Lügner! Heuchler! Kriegs­treiber!“, johlten seine Kritiker*innen. Immer wieder versuchten sie, die Redner*innen zu über­tönen. Die SPD-Mitglieder ließen sich jedoch nicht beirren und zogen ihre Anspra­chen durch.

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Bundeskanzler Olaf Scholz hält während der Wahlkampfkundgebung in Kiel eine Rede – hinter ihm steht Thomas Losse-Müller. Foto: Jugendpresse Deutschland / Johanna Glinski

Diese Wahl­kund­ge­bung wird Thomas Losse-Müller noch länger in Erin­ne­rung bleiben. Auch einen Tag vor der Wahl erzählt er davon, wie er sich von der Bühne aus einen Über­blick über die Anwe­senden verschafft hat und er die SPD in der Mitte der Gesell­schaft“ wieder­fand.

An diesem Samstag sind sie unter den ersten auf dem Eckern­förder Markt­platz. Mit roten Rosen in der einen Hand und Flyern in der anderen. Der 49-jährige Sozi­al­de­mo­krat wirkt in kurzen Momenten der Ruhe erschöpft und ist es auch. Es ist Endspurt und die letzten Ener­gie­re­serven werden zusam­men­ge­kratzt. Viele Wähler*innen haben bereits ihr Kreuz­chen gemacht – das merkt die Wahl­kampf­truppe auch auf den Straßen. Einige haben kein Inter­esse, andere wissen bereits, wen sie am Wahltag wählen: Wie immer“.

Mit Daniel Günther, einem der belieb­testen Minis­ter­prä­si­denten Deutsch­lands, steht Losse-Müller ein harter Kontra­hent gegen­über in einer Wahl, die von Pandemie und Krieg geprägt ist. Es geht weniger um die Ziele der jewei­ligen Parteien für Schleswig-Holstein, sondern um Persön­lich­keiten und das Gefühl von Sicher­heit. So ist laut einer Analyse der Tages­schau, die sich auf Ergeb­nisse von Infra­test dimap stützt, Minis­ter­prä­si­dent Daniel Günther für mehr als die Hälfte der Unionswähler*innen der entschei­dende Grund gewesen, das Kreuz bei der CDU zu setzen. Beide Kandi­daten betonten im Wahl­kampf das faire Mitein­ander. Trotzdem war es kein Kampf auf Augen­höhe. Daniel Günthers Kandi­da­ten­faktor als Minis­ter­prä­si­dent spielt zwei­fels­ohne eine entschei­dende Rolle.

Auch heute trafen die beiden Poli­tiker aufein­ander, diesmal vor einem Super­markt in Gettorf. Sie begrüßen sich wie alte Bekannte und lächeln gemeinsam für Fotograf*innen in die Kameras. Die Atmo­sphäre ist locker, beinah fami­liär – dörf­lich halt. Fragen wie: Warum sollte ich genau Sie wählen?“, sind selten, denn hier weiß man, was die Nachbar*innen wählen.

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Naschi? - Selbst die Kleinsten helfen beim Wahlkampf der SPD. Foto: Antonia Tönnies

Rund um die SPD-Stände werden Lutsch­bon­bons und Kirsch­gum­mi­bär­chen verteilt. Ein Naschi“ findet über eine Kinder­hand sogar seinen Weg zum Spit­zen­kan­di­daten der CDU. Ohne etwas zu sagen, hält das kleine Mädchen Daniel Günther den roten Bonbon entgegen. Er muss grinsen und nimmt das Geschenk dankend an. Den Spruch jetzt weiß er, was er wählen soll“ lässt sich die SPD nicht entgehen.

Weg vom Weiter so!“

Zurück ins Wahl­kampf­auto: An den Türen des E‑Autos klebt Losse-Müller in Groß­auf­nahme. Darunter der Spruch Am 8. Mai SPD wählen!“. Der Spit­zen­kan­didat nimmt auf dem Beifah­rer­sitz Platz und seufzt erschöpft. Für einen weiteren Kaffee ist es zu spät. Statt­dessen soll es ein Feier­abend­bier am Eckern­förder Strand werden. Gemeinsam mit SPD-Gene­ral­se­kretär Kevin Kühnert wird mit Füßen im Sand auf die harte Arbeit der letzten Monate ange­stoßen: Klopft euch mal auf die Schulter, küsst euch mal auf die Schulter“. Es herrscht Feierabend‑, fast schon Urlaubs­stim­mung, cooler kann es nicht sein“, meint Losse-Müller. Die Frak­ti­ons­mit­glieder sind mit sich zufrieden, auch wenn sie ahnen, was ihnen bevor­steht.

Im Laufe des Wochen­endes wird deut­lich, wie stolz die Frak­tion auf ihre Entwick­lung ist. Die Themen wurden gesetzt und sind super“. Eine Grund­de­vise: Weg vom Weiter so!“ der CDU. Doch das posi­tive Resümee zum Wahl­kampf kann das histo­risch schlechte Ergebnis der SPD nicht kaschieren. Seid nicht enttäuscht“, versucht Gesine Stück, Vorsit­zende der Kieler SPD, präventiv die Gäste in der Räucherei aufzu­mun­tern. Dass das Ergebnis nicht gut ausfallen wird, ist jedem im Raum bewusst, doch die Hoff­nung stirbt bekannt­lich zuletzt.

Räucherei ist geknickt. Mit so einem schlechten Ergebnis hatte wohl niemand gerechnet. Foto: Antonia Tönnies
Räucherei ist geknickt. Mit so einem schlechten Ergebnis hatte wohl niemand
gerechnet. Foto: Antonia Tönnies

Es war ein unge­wöhn­li­cher Wahl­kampf“, der für die SPD an diesem Sonntag mit einem bitteren Ergebnis“ von letzt­lich 16 Prozent sein Ende findet. Doch für Thomas Losse-Müller steht fest, er hat sein Bestes gegeben. Und ob Juso, Kreis-Vorsit­zende, Gene­ral­se­kretär oder Bundes­kanzler: Die SPD steht hinter ihrem Kandi­daten.


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