Dialog mit Hinder­nissen

Datum
05. September 2015
Autor*in
Albert Wenzel
Redaktion
politikorange
Thema
#ZukunftsTour 2016
Junge spricht mit Afrika

Junge spricht mit Afrika

Videochat mit Kamerun

Tabea und Rike aus Oldesloe tauschen sich mit Jugendlichen aus Kamerun aus. (Foto: Albert Wenzel)

Eine Gruppe ehema­liger Schüler*innen der Gesamt­schule Bremen-Mitte enga­giert sich für gleich­be­rech­tigten Austausch zwischen Afrika und Deutsch­land. Auf der Zukunfts­Tour bieten sie Skype-Video­chats mit Jugend­li­chen aus ganz Afrika an. Albert Wenzel hat dabei zuge­schaut.

Endlich sind sie da. Sehn­süchtig erwar­teten die Vereins­mit­glieder von Partner über Grenzen e.V.“ Chat-Partner*innen für die afri­ka­ni­schen Jugend­li­chen. Aller­dings bleiben die meisten Hamburger Schüler*innen nur bis Punkt 13 Uhr auf der Veran­stal­tung, dann ist schließ­lich Wochen­ende. Doch zwei Schü­le­rinnen aus Olden­burg finden sich doch noch und wagen das kultu­relle Expe­ri­ment. Ein Expe­ri­ment ist es gewiss, denn Entwick­lungs­ar­beit mit Afrika ist tradi­tio­nell sehr einseitig: Die euro­päi­schen Orga­ni­sa­tionen schi­cken Geld oder mate­ri­elle Hilfe und die Afrikaner*innen bedanken sich mit Texten und Fotos. Daraus entsteht oft eine Erwar­tungs­hal­tung“, sagt die 19-jährige Svea, eine Teamerin des Projekts. Sie stellt klar: Wir hingegen wollen eine Begeg­nung auf Augen­höhe!“ Dass das nicht einfach ist, haben die ehema­ligen Schüler*innen der Gesamt­schule Bremen-Mitte schon auf zwei Austau­schen fest­stellen können. 2011 beglei­teten sie in Mali den Neubau einer Dorf­schule und wurden oft sehr über­rascht und neugierig beäugt. Die meisten Menschen vor Ort hatten zuvor keine Europäer*innen gesehen, es gibt dort kaum Tourismus. Ganz anders in Kenia. Dort besuchten die Schüler*innen ein Partner-Internat: Hier sind Weiße vor allem als reiche Tourist*innen bekannt, die sich nur für Sehens­wür­dig­keiten, den Strand oder Sex inter­es­sieren würden. In dieser Schub­lade landeten zunächst auch die Schüler*innen aus Bremen.

Mit erschre­ckenden Vorur­teilen aufräumen

Doch erschre­ckende Vorur­teile gibt es auf beiden Seiten. Der 17-jährige Schüler Paul wurde von seiner Oma nach dem Kenia-Austausch gefragt, ob er denn mitge­hun­gert“ hätte. Svea erin­nert sich, wie ein Afri­kaner zu ihr sagte, er würde sich in Europa die Haut blei­chen lassen, sie sei schließ­lich dreckig“. Genau mit solchen Bildern möchte der Verein aufräumen. Afrikaner*innen und Europäer*innen seien schließ­lich mehr als arm‘ und reich‘“, findet Paul. Das Herz dieses Projekts ist Eckhardt Kreye: Der Lehrer der Gesamt­schule Bremen-Mitte star­tete mit einem Wahl­pflicht­kurs für die Klassen neun und zehn, dessen Höhe­punkt der Austausch mit Mali darstellte. Mitt­ler­weile grün­dete er mit den Ex-Schüler*innen den Verein. Svea ist Teil­neh­merin der ersten Stunde: Ecki ist toll und wahn­sinnig enga­giert, aber er weiß auch andere Enga­gierte zu binden.“ Für Paul ist er nur der Super­hero.“ Der Lehrer hat auch einen jungen nige­ria­ni­schen Mann aufge­nommen, damit er in Deutsch­land studieren kann.

Offen­heit und Gelas­sen­heit sind gefragt

Für den gleich­be­rech­tigten Austausch müssen die Jugend­li­chen einiges mitbringen: Vor allem Gelas­sen­heit, Spon­ta­neität und Offen­heit sind gefragt. Einmal unter­nahm die Gruppe eine Fluss­reise mit einem kleinen Boot. Auf dem Rückweg fiel dann stre­cken­weise der Motor aus, sodass sie eine Nacht länger auf dem Boot verbringen mussten – die Nacht vor dem Rück­flug. Da mussten wir uns dann gegen­seitig beru­higen“, erin­nert sich Svea, wir die Afri­kaner, dass es keine Kroko­dile gibt und sie uns, dass wir den Rück­flug nicht verpassen.“

Manchmal gibt es aber auch sehr schwie­rige Situa­tionen: Im kenia­ni­schen Internat werden Schüler*innen schon mal mit Schlägen oder Putz­auf­gaben bestraft. Da stand Svea dann in einem Gewis­sens­kon­flikt, obwohl sie sich sehr wunderte, als sie erfuhr, dass Nach­sitzen für die dortigen Schüler*innen viel ernied­ri­gender ist als Putzen.“

Mit den Video­chats möchte der Verein den Hori­zont von Jugend­li­chen erwei­tern. Tabea und Rike aus Oldesloe sind zwar nur noch 15 Minuten auf der Veran­stal­tung, aber zu einem kurzen Gespräch mit vier Jungs aus Kamerun reicht die Zeit noch. Nach einigen tech­ni­schen Problemen geht es los – mit Small­talk. Namen, Alter, Herkunft werden ausge­tauscht. Dann geht es um den kleinsten gemein­samen Nenner, das Schul­system, wobei hier schon erste kriti­sche Punkte touchiert werden. Zum Beispiel, dass in Kamerun nicht jede*r zur Schule gehen kann. Dann ist die Zeit auch schon vorbei und es geht für Tabea und Rike zurück nach Oldesloe. Aber vorher werden noch die Face­book-Kontakte ausge­tauscht – viel­leicht wird ja mehr daraus.


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