Der Reiz war auch, von Anfang an dabei zu sein“

Datum
04. September 2024
Autor*in
Jonas Fedelinski
Redaktion
politikorange
Themen
#Interview #LTWS
Wahlplakat_BSW_Kupke

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Das BSW wirbt vor der Sachsen-Wahl vor allem mit: Sahra Wagen­knecht. Poli­ti­ko­range hat am Wahl­abend mit Mandats­ge­winner Ronny Kupke, bisher Versi­che­rungs­mit­ar­beiter, über Inhalte gespro­chen.

Nicht einmal ein Jahr ist die Partei um Ex-Linken­po­li­ti­kerin Sahra Wagen­knecht alt, und doch erreicht ihr Bündnis bei der Land­tags­wahl Sachsen ein zwei­stel­liges Ergebnis. So gibt es kaum Optionen für eine stabile Regie­rungs­ko­ali­tion ohne das BSW, wenn die AfD außen vor bleiben soll. Einer der säch­si­schen Mandatsgewinner*innen der Wagen­knecht-Partei ist Ronny Kupke (47) aus Chem­nitz. Er ist mit dem BSW in die Politik gekommen: Bisher hat er den Perso­nalrat einer Versi­che­rungs­ge­sell­schaft geleitet. Politikorange hat Kupke auf der Wahl­party im Dresdner Penck Hotel getroffen.

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Ronny Kupke. Foto: BSW.

politikorange: Herr Kupke, Wie sind Sie dazu gekommen, in das Bündnis Sahra Wagen­knecht einzu­treten?

Ronny Kupke: Sahra Wagen­knecht war mir natür­lich schon länger ein Begriff. Und durch einen Kontakt hatte ich die Chance, die Landes­vor­sit­zende Sabine Zimmer­mann kennen­zu­lernen und mich mit ihr auszu­tau­schen. Der Reiz war auch, von Anfang an dabei zu sein. Es war explizit erwünscht, dass man mitar­beitet, gerade Leute aus der bürger­li­chen Mitte, die Fach­wissen und Exper­tise mitbringen. Da wollte ich unbe­dingt dabei sein.

politikorange: Wofür wollen Sie sich denn als Poli­tiker einsetzen?

Kupke: Die Themen Gesund­heit, Pflege und Soziales sind mein Stecken­pferd. Und dazu gehören ja ganz viele weitere Themen. Fach­kräf­te­mangel, Ärzte­be­darf, die auskömm­liche Finan­zie­rung der Kran­ken­h­aus­stand­orte. Das Problem der Demo­grafie. Es gibt immer mehr Pfle­ge­be­dürf­tige, wir sind eine alternde Bevöl­ke­rung. Da müssen Förder­mög­lich­keiten und Richt­li­nien, auch Unter­stüt­zung für Ange­hö­rige geschaffen werden, um den Pfle­ge­be­reich weiterhin finan­zieren zu können.

politikorange: Sahra Wagen­knecht schreibt im Vorwort zu Ihrem Land­tags­wahl­pro­gramm: Je stärker das BSW wird, desto mehr Vernunft und Gerech­tig­keit gibt es in Sach­sens Politik.“ Ist denn die aktu­elle Politik so unver­nünftig und unge­recht?

Kupke: In vielen Teilen schon, das merkt man ja auch in der Stim­mung der Bevöl­ke­rung. Wenn man an Wahl­ständen mit den Leuten ins Gespräch kommt, da bekommt man mit, was die bewegt. Die Leute haben zu tun, mit ihren Löhnen oder Renten über die Runden zu kommen. Die Kosten explo­dieren, die Ener­gie­preise explo­dieren, das Thema Ukrai­ne­krieg, das Thema Migra­tion, das beschäf­tigt sehr viele. Von daher denke ich schon, und das sieht man ja auch im Wahl­er­gebnis, dass die Leute nach Verän­de­rung gesucht haben.

politikorange: Und was macht jetzt das BSW vernünf­tiger und gerechter als andere Parteien?

Kupke: Die Poli­tik­an­sätze, die wir haben. Wir stehen für die kleinen Leute ein. Sei es beim Thema Bildung, Migra­tion, Gesund­heit: Wir wollen die Inter­essen von Fami­lien, Rent­nern, Arbeit­neh­mern, kleinen und mittel­stän­di­schen Unter­nehmen wieder in den Mittel­punk der Politik rücken. Denn das hat in den letzten Jahren nicht statt­ge­funden.

Die kleinen Leute und die anderen

politikorange: Was unter­scheidet Sie von der SPD oder der Linken, die ja auch für sich bean­spru­chen, Politik für die kleinen Leute zu machen?

Kupke: Der Unter­schied ist – die Linke muss ich jetzt mal ausklam­mern –, dass die SPD in der Regie­rungs­ver­ant­wor­tung ist. Sowohl hier im Land Sachsen als auch auf Bundes­ebene. Und ich glaube, das Ergebnis kennen wir ja alle. Das ging aus meiner Sicht los mit Agenda 2010 der SPD unter Bundes­kanzler Gerhard Schröder. Das war ja mal die soge­nannte Arbei­ter­partei, und als diese wird sie nicht mehr wahr­ge­nommen.

politikorange: Und die Linke?

Kupke: Ich gebe zu, ich habe das Partei­pro­gramm der Linken nicht gelesen.

politikorange: Ach?

Kupke: Ich habe aber gene­rell in meinem Leben die wenigsten Wahl­pro­gramme gelesen.

politikorange: Oh. Im Wahl­kampf hat das BSW ja auch vor allem auf das große bundes­po­li­ti­sche Thema Frieden gesetzt. Was könnten Sie da über­haupt auf Landes­ebene bewirken?

Kupke: Wir wollen, dass es eine Bundes­rats­in­itia­tive gibt, um in Verhand­lungen einzu­treten. Es ist klar, dass das Sachsen nicht allein entscheiden kann. Aber wir wollen zumin­dest die Landes­re­gie­rung darauf hindrängen und bewirken, dass die auf Bundes­ebene wieder Druck macht.

politikorange: In Ihrem Wahl­pro­gramm ist sehr oft die Rede von den Menschen im Land“, denen Sie dann bestimmte Forde­rungen, Ansichten und Gefühle zuschreiben. Wer sind denn diese Menschen?

Kupke: Das ist das, was wir in Gesprä­chen mit den Menschen wahr­nehmen. Wenn man die Leute befragt, dann merkt man ja auch, wie die Stim­mung ist. Natür­lich kann man das schlecht bezif­fern, ob das jetzt fünf Millionen Menschen sind oder nur 3.000. Von daher ist das eine allge­meine Formu­lie­rung für die Bürger und die allge­meine Grund­stim­mung, die wir im Land wahr­nehmen.

Die Sache mit der Meinungs­frei­heit

politikorange: Da Sie gerade die Stim­mung im Land ange­spro­chen haben: In Ihrem Wahl­pro­gramm schreiben Sie auch, dass viele Menschen das Gefühl hätten, nicht mehr einfach frei ihre Meinungen sagen zu können. Auf Wahl­pla­katen steht: Maul­korb oder Meinung?“ Und Sie betonen immer wieder, für die Meinungs­frei­heit zu sein und gegen eine Cancel Culture“. Was ist mit all dem jetzt genau gemeint?

Kupke: Dass es in der öffent­li­chen Debatte immer nur Schwarz oder Weiß gibt. Dafür oder dagegen. Die Zwischen- oder Grau­töne gibt es da nicht mehr. Man kann gar nicht mehr disku­tieren, sondern man muss sich immer klar posi­tio­nieren. Und es fällt schwer, auch mal zu akzep­tieren, wenn jemand mal eine andere Meinung hat. Das verstehe ich darunter.

politikorange: Aber macht das das BSW nicht genauso? Dieses Schwarz-Weiß-Denken? Es gibt in Ihrer Kommu­ni­ka­tion auch immer die einen, die den Leuten was vorschreiben wollen, und dann das BSW, die Vernünf­tigen, die Ratio­nalen.

Kupke: Das machen die anderen Parteien ähnlich. Aber wir stehen zumin­dest für keine Bevor­mun­dung, sondern wir wollen mehr Demo­kra­tie­be­tei­li­gung, mehr Volks­ent­scheide, und wir wollen die Leute mehr einbe­ziehen. Gerade jetzt fordern wir, zu der Statio­nie­rung der Marsch­flug­körper eine Volks­ab­stim­mung durch­zu­führen. Wir wollen, dass das Volk selbst entscheiden kann, was es will und was nicht.

politikorange: Sie schreiben, dass das BSW den neuen poli­ti­schen Auto­ri­ta­rismus“, der sich anmaße, die Menschen zu erziehen und in ihren Lebens­stilen oder ihrer Sprache zu regle­men­tieren, ablehnt. Was ist denn dieser neue poli­ti­sche Auto­ri­ta­rismus? Ist das die Regie­rung, die Regie­rungs­par­teien?

Kupke: Es ist damit gemeint, dass die Regie­renden eine gewisse Über­grif­fig­keit und Bevor­mun­dung an den Tag legen. Das ist einfach die Entwick­lung in den letzten Jahren. Ein Beispiel ist das Heizungs­ge­setz. Dann diese gesamte Diskus­sion um dieses Gendern. Das sind halt Sachen, von denen ich glaube, dass es wich­ti­gere Dinge und drin­gen­dere Probleme gibt.

politikorange: Nun gibt es keine fest­ge­schrie­bene Gender­pflicht. Sogar ganz im Gegen­teil, hier in Sachsen gibt es ja ein expli­zites Verbot, zum Beispiel an Schulen. Zählt das für Sie auch zu diesem Auto­ri­ta­rismus, dass man diese Art der Sprache regle­men­tiert?

Kupke: In der Konse­quenz wäre das dann so. Wenn man nur von sich aus gendert, ist das ja noch mal was anderes, als wenn ich das anderen vorschreibe. Aber grund­sätz­lich sind wir halt gegen so was.

Die AfD und der andere Extre­mismus

politikorange: Ist das BSW eigent­lich auch klar gegen Rechts­extre­mismus?

Kupke: Ich glaube, das ist unstrittig. Ich möchte noch mal etwas klar­stellen, weil uns das in der Migra­ti­ons­de­batte immer vorge­worfen wird: Wir stellen uns gegen jegliche Art von Auslän­der­feind­lich­keit und Extre­mismus, egal aus welcher Rich­tung er kommt. Es gibt Rechts- und Links­extre­mismus. Das ist für uns undis­ku­tabel.

politikorange: Und wie wollen Sie gegen Rechts­extre­mismus vorgehen?

Kupke: Wir haben deut­lich gesagt, dass wir mit der AfD keine Koali­tion bilden, keine Minder­heits­re­gie­rung tole­rieren oder aktiv mit ihr zusam­men­ar­beiten. Wir werden im Parla­ment keine gemein­samen Anträge einbringen. Dann muss der Rechts­extre­mismus natür­lich auch bekämpft werden, mit allen staat­li­chen Mitteln, die es gibt.

politikorange: Das heißt, Sie wären dann auch für ein Verbot der AfD?

Kupke: Dafür haben wir ja einen Rechts­staat und die entspre­chenden Organe. Wenn die zu dem Schluss kommen, dass das nötig ist, dann muss sich an Recht und Gesetz gehalten werden.

politikorange: Aber setzen Sie sich nicht auch dafür ein, die Befug­nisse des Verfas­sungs­schutzes zu begrenzen?

Kupke: Wie gesagt, es gibt ja nicht nur Rechts­extre­mismus. Es gibt ja auch andere Sachen.

politikorange: Bei der Wahl ist die AfD jetzt Zweite geworden. Mal davon ausge­gangen, die CDU hält sich an ihre Brand­mauer und arbeitet nicht mit der AfD zusammen. Dann haben Sie beste Chancen, Teil der Regie­rungs­ko­ali­tion zu werden. Gibt es für Sie Forde­rungen und Posi­tionen, die für Sie dann unver­han­delbar sind?

Kupke: Die Frage der Koali­tion haben wir noch nicht disku­tiert. Wir wollen, dass sich für die Menschen merk­lich was verbes­sert. Für Sahra Wagen­knecht war eine ihrer roten Linien immer, dass sich auch die Landes­po­litik für Frie­dens­ver­hand­lungen zwischen Russ­land und der Ukraine einsetzen muss und sich gegen die Statio­nie­rung der Marsch­flug­körper stellt. Das andere muss man dann sehen, wenn es zu Gesprä­chen kommt. Aber noch mal: Wir werden nur in eine Regie­rung gehen, wenn wir glauben, merk­liche Verbes­se­rungen errei­chen zu können. Die Leute haben uns mit einer gewissen Erwar­tungs­hal­tung gewählt und ihr Vertrauen in uns gesteckt. Ein Weiter so wird es mit uns nicht geben.


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