Besser werden – nicht perfekt sein!

Datum
29. Oktober 2015
Autor*in
Adrian Arab
Redaktion
politikorange
Thema
#ZukunftsTour 2016
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Esther Perbandt ist Mode­de­si­gnerin mit einer beson­deren Agenda. In dieser Rolle ist sie auch auf der Zukunfts­tour in Stutt­gart unter­wegs und verrät Hinter­grund­in­for­ma­tionen aus den Tiefen der Mode­indus­trie.

Als hätte sie sich dem grauen Vormittag am Rande der Stutt­garter Peri­pherie ange­passt, trägt Esther Perbandt schwarz – von oben bis unten. Schwarzer Hut, schwarze Haare, schwarzes Kleid, schwarze Schuhe. Doch das ist ihr nicht genug – sie will das Schwarze unter die Leute bringen und mit ihrem Mode­stil begeis­tern. Farbe war gestern, auch für Esther Perbandt. Sie hat alles auspro­biert, aber das Schwarze – das ist geblieben.

Ihre Besu­cher auf der Zukunfts­tour in den Stutt­garter Wagen­hallen empfängt Esther Perbandt in einem mini­ma­lis­ti­schen Gebäude. Man könnte es ob der Größe auch Raum nennen, aber es steht dort so verloren, dass auch das nicht passt. Dicht gedrängt zwängen sich fünf Personen in das fens­ter­lose Kabuff, im Hinter­grund dröhnt ein Fern­seher. Immer wieder unter­bricht Perbandt sich selbst, um ihre dröh­nenden Erzäh­lungen im Hinter­grund auszu­schmü­cken – denn die Stimme im Fern­seher: das ist Perbandt selbst.

Der Wille war da…

Wenn Esther Perbandt über die Verfeh­lungen in der Textil­in­dus­trie spricht, wirkt sie resi­gniert. Die Desi­gnerin hat selbst erlebt, was es heißt, faire Klei­dung anbieten zu wollen. Ihre Geschichte ist Eine, in der Schei­tern eine Rolle spielt. Gerade weil die Desi­gnerin weiß, welche Heraus­for­de­rungen faire Klei­dung sowohl an die Konsu­menten als auch an die Produ­zenten stellt, ist sie im Auftrag des Bundes­mi­nis­te­riums für Entwick­lung und Zusam­men­ar­beit nach Bangla­desch gereist. Von ihren Erfah­rungen dort erzählt der Film, der im Hinter­grund läuft.

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War für das BMZ in Bangladesh: Esther Perbandt (Foto: Louisa Zimmer)

esther­per­bandt hat sie ihr Mode­label genannt. Kein inno­va­tiver Name, aber einer, der der Größe ihres Unter­neh­mens ange­messen ist. Ich bin ein Ein-Frau-Betrieb“, sagt Perbandt, um die Aussage sofort zu korri­gieren: Naja, oft habe ich auch ein, zwei Prak­ti­kanten, die mit im Team arbeiten“. Vor zwölf Jahren hat Perbandt ihr Label gegründet. Schon früh kam ihr der Gedanke, mit ihrer Arbeit auch etwas Gutes tun zu wollen. Fair zu produ­zieren – und zwar komplett – schien ihr der rich­tige Weg zu sein. Ein Wunsch, der Perbandt bald schon auf den Boden der Tatsa­chen knallen ließ. Bedin­gungslos fair produ­zieren als Klein­un­ter­neh­merin? Da bin ich schnell an meine Grenzen gestoßen“, berichtet Perbandt. Mit dem Umstieg auf faire Herstel­lung stiegen nicht nur die Preise, während die Margen – dem Versuch geschuldet, die Preise eini­ger­maßen stabil zu halten – trotzdem sanken. Auch die Kunden hielten wenig von der nach­hal­tigen Idee und kehrten Perbandts Label den Rücken. Am Preis allein lag das nicht, produ­ziert Perbandt doch vornehm­lich für Menschen im oberen Einkom­mens­be­reich. Meine Kunden sind zwischen 45 und 65 Jahre alt“, so Perbandt und liefert die Erklä­rung gleich mit: Die können sich auch teurere Klei­dung leisten.“

… Probleme leider auch

Zuver­läs­sig­keit kann – da macht die Textil­in­dus­trie keine Ausnahme – über Wohl oder Verderb entscheiden. Mit dem Umstieg auf faire Klei­dung lies das Label von Perbandt die nötige Konti­nuität in immer regel­mä­ßi­geren Abständen missen. Der Umstieg fand auch bei den Zulie­fe­rern statt. Die fair produ­zie­renden Zulie­ferer haben nicht in den Mengen produ­ziert, wie ich das vorher kannte“, so Perbandt. Die Folge: Immer wieder waren Stoffe nicht verfügbar, Aufträge mussten stor­niert werden. Esther Perbandt gesteht heute: Mit meinen Stück­zahlen war auch niemand bereit, über Nacht die gewünschten Stoffe herzu­stellen“. Das Ergebnis: Ich bin in eine Schraube rein­ge­kommen, die mich auch wirt­schaft­lich an Grenzen brachte.“.

Die Fern­seh­ka­mera ist nun auf Perbandt fokus­siert. Ihre Stimme über­tönt das Rattern der Maschine im Hinter­grund. Wer eine Schimpf­ti­rade auf die Textil­in­dus­trie hören möchte, ist bei Esther Perbandt falsch. Ihre Kritik übt sie wohl­do­siert, vermeidet, einzelne Unter­nehmen beim Namen zu nennen und an ihnen die Miss­stände in der Verar­bei­tung von Texti­lien zuzu­spitzen. Immer mehr Unter­nehmen haben den Wandel der Zeit erkannt und sind bereit, kleine Schritte in Rich­tung einer fairen Produk­tion zu gehen“, so Perbandt. Sie führt das auch auf den Druck der Gesell­schaft zurück, die faire Herstel­lung zuneh­mend aktiv“ einfor­dere. Perbandt vertraut auf die Kraft von Twitter, Face­book & Co. – der Macht der sozialen Netz­werke. Sie fordert ein, dass die Anspruchs­hal­tung gegen­über einer fairen Produk­tion vor allem durch junge Menschen im Internet durch­ge­setzt werden müsse. Sie gibt sich opti­mis­tisch: Schon heute sind die Auswir­kungen des gesell­schaft­li­chen Drucks auf die Unter­nehmen spürbar. Es funk­tio­niert nicht mehr so einfach, schlechte Arbeits­be­din­gungen und Repu­ta­tion zu kombi­nieren“.

Fort­schritte sind zu erkennen

Die Kamera zoomt ein letztes Mal heraus. Zu sehen ist die große Halle, in der hunderte von Näher*innen an Tischen sitzen, farben­frohe Klei­dung tragend. Sie scheinen die Kamera bemerkt zu haben und setzen ein Sonn­tags­lä­cheln auf. Perbandt nutzt den Schwenk über die riesigen Arbeits­hallen, um über ihre Erfah­rungen in Bangla­desch zu erzählen. Hier wurde der Sinnes­wandel für mich greifbar“, so Perbandt. Die zwei Fabriken, die sie besucht hat, verfügen über Kinder­gärten und Verpfle­gungs­sta­tionen für die Jüngsten. Auch ein Mindestmaß an medi­zi­ni­scher Versor­gung ist gewähr­leistet. Während ihrer Reise durch Bangla­desch hat Perbandt diverse Projekte besucht. Viele von ihnen wurden als Antwort auf den Einsturz der Fabrik in Rana Plaza 2013 entwi­ckelt. In diesen sieht sie großes Poten­tial. Nur selten haben die Näher*innen in den Fabriken eine echte Schnei­der­aus­bil­dung. Das hat sich seit den Projekten für viele geän­dert“, so Perbandt. Die ausge­bil­deten Näher*innen gehen häufig in ihre Heimat­städte um dort weitere Arbeiter*innen auszu­bilden. Viele von ihnen machen sich selbst­ständig und können einen Unter­halt erwirt­schaften, der zum Leben reicht.

Jeder kann etwas tun

Trotz der Begeis­te­rung: Perbandt ist keine Illu­sio­nistin. Sie weiß, dass die zwei Fabriken – sie selbst bezeichnet sie als Vorzei­ge­fa­briken“ – kein flächen­de­ckendes Bild zeichnen. Immer wieder wurde sie mit ihrem Team von der lokalen Geheim­po­lizei verfolgt, oft stun­den­lang. Dass wir in den schlimmsten Fabriken filmen, war von Anfang an ausge­schlossen und unmög­lich“, sagt sie. Die Angst, Aufträge zu verlieren, sei zu groß gewesen. Der Film ist am Ende ange­langt, der Abspann läuft. Zeit, Perbandts heutige Situa­tion zu hören. Eine gesunde Mischung zwischen Wirt­schaft­lich­keit und fairer Produk­tion hat die Desi­gnerin für sich gefunden. Heute stellt sie nicht den Anspruch an sich und ihre Kunden, jeden Bereich der Produk­ti­ons­mög­lich­keiten fair zu bestreiten. Sie geht den Weg der wohl­do­sierten Schritte. Solche, die für sie auch realis­tisch nach­prüfbar sind. Als Klein­un­ter­neh­merin werde ich keine besseren Arbeits­be­din­gungen in allen Fabriken dieser Welt durch­setzen können. Sehr wohl kann ich mir aber aussu­chen, wo ich produ­ziere und so einen gewissen Druck auf den Markt ausüben“. Das tut Perbandt. In Polen und Deutsch­land, in Ländern, denen Perbandt eine faire soziale Behand­lung attes­tiert, lässt sie ihre Klei­dung nähen. Stoffe bezieht sie aus Frank­reich und Italien.

Trotz aller Erklä­rungen: Auch die letzten Skep­tiker möchte Perbandt davon über­zeugen, dass Verän­de­rungen möglich sind. Dazu verweist sie auf das Bio-Siegel. Früher hat auch niemand geglaubt, dass wir mal maßvoller mit unserer Ernäh­rung umgehen. Ich bin fest davon über­zeugt, dass sich hier Einiges verbes­sert hat. Denn unser Ziel muss sein, besser zu werden – nicht perfekt zu sein!“


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