Baer­bock oder Scholz? Im Wahl­kreis 61 haben die Menschen die Wahl

Datum
16. September 2021
Autor*in
Christine Laqua
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Wahlen
Vorschau_Scholz und Baerbock_Christopher Folz

Vorschau_Scholz und Baerbock_Christopher Folz

Scholz gegen Baer­bock: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land konkur­rieren zwei Kanz­ler­kan­di­die­rende um das Direkt­mandat in einem Wahl­kreis. Gewinnen kann dabei nur eine*r. Aber wie wichtig ist das eigent­lich? Chris­tine Laqua über das Duell um Wahl­kreis 61.

Aufmacher_Veranstaltung Baerbock_Christine Laqua

Ein Wahlkreis, zwei Kanzlerkandidat*innen. Foto: Jugendpresse Deutschland / Christine Laqua 

Am 26. September 2021 wählen die Bürger*innen aus Potsdam und einigen umlie­genden Gemeinden mit ihrer Erst­stimme, welche*r Politiker*in als Abgeordnete*r für den Wahl­kreis 61 in den Bundestag einziehen soll. Neben Anna­lena Baer­bock (Die Grünen/​Bündnis90) und Olaf Scholz (SPD) sind Dr. Saskia Ludwig (CDU) und Norbert Müller (Die Linke) sowie 13 weitere Kandi­die­rende für das Direkt­mandat zuge­lassen. Wer die meisten Stimmen hat, gewinnt den Wahl­kreis. Auf diese Art wird die Hälfte der Plätze im deut­schen Bundestag besetzt. Die andere Hälfte wird durch die Zweit­stimme bestimmt.

Der Wahl­kreis 61, der Potsdam, sowie die angren­zenden Gemeinden Klein­machnow, Michen­dorf, Nuthetal, Schwie­lowsee, Stahns­dorf, Teltow und Ludwigs­felde umfasst, gilt histo­risch als stark umkämpft. Bei den Bundes­tags­wahlen entschieden immer nur wenige Prozent­punkte, ob die Kandi­die­renden der SPD oder CDU die Mehr­zahl der Stimmen erhielt. Wahl für Wahl tauschten die beiden Parteien immer wieder den ersten Platz. 2017 erhielt Manja Schüle als einzige SPD-Abge­ord­nete in Ostdeutsch­land ein Direkt­mandat für den Bundestag. Bei den Land­tags­wahlen 2019 gewann erst­mals die Grünen das Direkt­mandat für den Wahl­kreis Potsdam I. Im Moment liegt Olaf Scholz laut dem Progno­se­portal elec​tion​.de klar vorne und wird zu 99% das Direkt­mandat gewinnen.

Sind Baer­bock und Scholz Potsdamer*innen?

Ein Kandidat*in für die Erst­stimme muss nicht zwin­gend im Wahl­kreis wohnen. Trotzdem entscheiden sich viele für eine Kandi­datur in ihrem Wohnort. So auch die beiden Kanzler*innenkandidierenden.

Anna­lena Baer­bock ist in Potsdam keine Unbe­kannte. Sie trat bereits für die Bundes­tags­wahlen 2013 und 2017 als Direkt­kan­di­datin im Wahl­kreis 61 an. Seit circa zehn Jahren wohnt sie in Potsdam. Mein Herz und mein Zuhause sind in Potsdam“, schreibt sie auf ihrer Webseite. Vor ein paar Jahren hat sie zusammen mit ihrem Mann den Verein Hand in Hand Potsdam e.V.“ gegründet, der es Flücht­lingen erleich­tern soll, in der Landes­haupt­stadt anzu­kommen. Den Vorsitz hat sie aller­dings abge­geben.

Der SPD-Kanz­ler­kan­didat Olaf Scholz ist eigent­lich mehr mit Hamburg verwur­zelt. Dort war er sieben Jahre lang Bürger­meister, bis er 2018 zum Bundes­fi­nanz­mi­nister ernannt wurde. Er nennt die Stadt Potsdam seit vier Jahren sein Zuhause. Für die 300.000 Menschen aus seinem Wahl­kreis möchte er nun deren Stimme im Bundestag sein“.

Gemä­ßigter Wahl­kampf oder große Bühne?

im Text_Plakate_Christine Laqua

Um auch die Bevöl­ke­rung der Landes­haupt­stadt und Umge­bung zu über­zeugen, ist Scholz nach Auskunft an einem Wahl­stand der SPD beson­ders oft in der Region unter­wegs. Er führt viele Bürger*innengespräche, meist ohne viel Aufre­gung auf kleinen Bühnen oder am Steh­tisch. Es würde schon ein beson­derer Fokus auf den Wahl­kreis 61 gelegt, so Pete Heuer, Mitglied im Vorstand der SPD-Frak­tion Potsdam: Das hier ist Kampf­ge­biet.“

Das weiß auch Anna­lena Baer­bock. Ähnlich wie ihr Kontra­hent ist sie neben ihrer Deutsch­land­tour viel im Wahl­kreis unter­wegs. Ihren Wahl­kampf vor Ort zieht sie aller­dings etwas größer auf. Bei ihrem Format Frag Anna­lena Baer­bock“ stellt sie sich auf großer Bühne medi­en­wirksam den Fragen der Pots­damer Bürger*innen. Auch wer in der Innen­stadt unter­wegs ist, kommt nicht umher, sich mit dem Wahl­pro­gramm der Grünen zu beschäf­tigen. Auf der Fried­rich-Ebert-Straße kurz vor der Fußgän­ger­zone hat der Kreis­vor­stand der Grünen einen Begeg­nungsort einge­richtet – inklu­sive inter­ak­tiver Tafel, Selfie-Requi­siten und einer Ausstel­lung der Wahl­pro­gramm­in­halte. Vor Ort seien immer zwei Personen, die für alle Fragen ansprechbar sind. Auch die langen Öffnungs­zeiten seien bewusst gewählt, erklärt Ken Gericke, Vorsit­zender des Kreis­vor­standes.

Dabei ist das alles gar nicht so wichtig, oder?

Beide Kandi­die­renden machen also intensiv Werbung für sich in Potsdam und Umge­bung. Dabei haben sie eigent­lich nichts zu verlieren. Sollten Scholz oder Baer­bock nicht die Mehr­zahl der Erst­stimmen im Wahl­kreis erhalten, würden sie durch ihren jeweils ersten Listen­platz über die Zweit­stimme einen Sitz im Bundestag bekommen. Armin Laschet, Kanz­ler­kan­didat der CDU, tritt beispiels­weise gar nicht als Direkt­kan­didat in seinem Wahl­kreis Aachen II an und wird nur über die Zweit­stimme gewählt. Um Bundeskanzler*in zu werden, braucht es aber nicht einmal das. Das Grund­ge­setz sieht nicht vor, dass Kanzler*innen dem Bundestag ange­hören müssen.

Aber wozu dann der ganze Wahl­kampf um die Erst­stimmen im Wahl­kreis 61? Auch wenn man über das Direkt­mandat nicht die Leitung der Bundes­re­gie­rung wählt, so setzt sich doch die Hälfte der Sitze aus den gewählten Erst­stimmen zusammen – und das ist wichtig bei Abstim­mungs­ent­schei­dungen. Und es gibt noch einen weiteren, einfa­chen Grund: Aus Respekt vor dem System“, erklärt Nico Marquardt, Mitglied der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung der SPD Potsdam.


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