Zwischen Volks­emp­fänger und Shit­s­torm

Datum
07. November 2015
Autor*in
Sabrina Winter
Redaktion
politikorange
Thema
#JMT15
Ausstellung

Ausstellung

Dominik Martin Aukschlat

Es war wie für die Jugend­me­di­en­tage gemacht. Während Teilnehmer*innen und Teamer*innen in den Semi­nar­räumen im Haus der Geschichte erzählen, recher­chieren und arbeiten, gab es im Erdge­schoss eine Ausstel­lung mit dem Namen Unter Druck! Medien und Politik“. Wer konnte, schlen­derte hindurch oder schloss sich einer Führung an. Die poli­ti­ko­range-Redak­tion war auch dabei.

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Eine kleine Umfrage unter den JMT-Teilnehmer*innen, die bei der Führung waren. (Foto: Dominik Martin)

Journalist*in kann sich heute jeder nennen. Denn es ist kein geschützter Begriff. Das war in Deutsch­land nicht immer so. Zur NS-Zeit mussten Journalist*innen einen Schrift­lei­ter­aus­weis“ haben. Erst dann durften sie für Zeitungen schreiben. So konnte die Regie­rung jeden, der ihr nicht passte, davon abhalten, Öffent­lich­keit herzu­stellen. Im Natio­nal­so­zia­lismus wurden Medien zur Propa­ganda genutzt. Damals ganz neu: der Volks­emp­fänger. Heute würden wir Radio sagen. Hitler und Göbbels nutzten das intensiv, um ihre Ideo­logie in die Wohn­zimmer der Bevöl­ke­rung zu trans­por­tieren. Auf diesen Zusam­men­hang von Politik und Medien trifft man gleich zu Anfang der Ausstel­lung.

Von der Spie­gel­af­färe zum #Aufschrei

Chro­no­lo­gisch geht es weiter. Man stößt auf die ersten Zeit­schriften wie den Stern oder die Bild. Sie wurden gegründet, als Deutsch­land noch aus vier Besat­zungs­zonen bestand. Schließ­lich ein Einschnitt in der deut­schen Pres­se­ge­schichte: 1962 die Spie­gel­af­färe. In der Ausstel­lung steht eine Tür, die die Gefäng­nis­zelle reprä­sen­tiert, in der Rudolf Augstein fest­ge­halten wurde. Der ehema­lige Chef­re­dak­teur des Spiegel und sein Redak­teur Conrad Ahlers wurden damals verhaftet, weil Ahlers in einem Artikel geschrieben hat, dass die deut­sche Bundes­wehr mangel­haft ausge­stattet sei und im Ernst­fall einen russi­schen Angriff nicht abwehren könne. Die Anzeige gegen den Spiegel lautete: Landes­verrat. Der Streit zwischen Spiegel und Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rium landete vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt. Das entschied zugunsten der Pres­se­frei­heit. Augstein und Ahlers wurden frei­ge­lassen.

Vorbei am heißen Stuhl“, dem Vorläufer von Polit­talks, geht es weiter zur Bericht­erstat­tung über Chris­tian Wulff und schließ­lich landet man im digi­talen Zeit­alter, begegnet dem Hashtag #Aufschrei und in diesem Zusam­men­hang natür­lich Twitter und Shit­s­torms in sozialen Netz­werken. Wer hinschaut, entdeckt das Motto der Jugend­me­di­en­tage. Denn in der Ausstel­lung geht es um Frei­heit und Verant­wor­tung. Und um die Macht der Medien.

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Auch alte Stücke gibt es in der Ausstellung. (Foto: Dominik Martin)

Wer beein­flusst hier wen?

Immer wieder fragt man sich: Beein­flussen eigent­lich die Medien die Politik oder die Politik die Medien? Die Antwort lautet wohl: beides. Denn Medien machen Öffent­lich­keit und geben so der Politik die Aufmerk­sam­keit, die sie braucht. Aber sie stellen auch Dinge in den Fokus, die der Politik nicht passen. Die Medien bestimmen also, worüber die die Bürger*innen infor­miert werden. In der Kommu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft spricht man von der Theorie des Agenda-Settings. Da die Politik sich dessen bewusst ist, versucht sie natür­lich Einfluss auf Medien und Jour­na­listen zu nehmen – ein enges Zusam­men­spiel, in dem manchmal Grenzen verschwimmen. Denkt man an den Volks­emp­fänger“ zurück, wird auch klar: Welche Rolle die Medien spielen, kann man erst erklären, wenn man auf das poli­ti­sche System schaut. In Demo­kra­tien sollen Medien infor­mieren und zur Meinungs­bil­dung beitragen. In Dikta­turen dienen als Propa­ganda-Instru­ment. Ihr Zweck ist es dann die Staats­ideo­logie unter der Bevöl­ke­rung zu verbreiten.

Am Ausgang der Ausstel­lung landet man fast in der Gegen­wart, nämlich im Jahr 2014. Ein Rate­spiel: Welches Thema haben die Medien in diesem Jahr am meisten behan­delt – Fußball, den IS, die Flücht­lings­krise? Das Ergebnis: Über die Ukraine-Krise haben Journalist*innen am meisten berichtet. Medien und Politik – ein enges und schwie­riges Verhältnis. Am Ende entscheidet wohl der Medi­en­nutzer, was er darüber lesen möchte und welche Art von Jour­na­lismus es wert ist, Geld dafür zu zahlen.


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