wir mussten auf den Namen Assad mit Blut stem­peln“

Datum
11. September 2017
Autor*in
Betül Mis
Redaktion
politikorange
Thema
#poBTW17
Mazan Foto:Privat

Mazan Foto:Privat

Man könne meinen, dass ein syri­scher Flücht­ling, der in einem auto­kra­ti­schen Regime aufge­wachsen ist, kein Gespür für Demo­kratie hat. Bei Mazen täuscht man sich da. Betül Mis im Inter­view mit Mazen Kayas Bitar. 

Mazan Foto: Privat

Mazen arbeitet eigentlich als Schuster, doch neben bei auch im Weltladen. Foto: Privat

Mazen ist 29 Jahre alt und kommt aus Aleppo. In Syrien hat er als Schuh­ma­cher gear­beitet, bis er vor zwei Jahren nach Deutsch­land floh. Heute lebt in Speyer, in Rhein­land-Pfalz und führt seinen Beruf mit der Spezia­li­sie­rung auf ortho­pä­di­scher Schuhe fort. 

Wie unter­scheiden sich die Wahlen in Syrien von den Wahlen in Deutsch­land? 

In Syrien gibt es nicht diese Demo­kratie, wie hier. Hier kann man wählen, wen man will. In Syrien haben wir nur eine Partei. Wir müssen nur Assad wählen. Dann können wir entweder ja, oder ja sagen, und zwar alle sieben Jahr, anstatt wie in Deutsch­land alle vier Jahre. Als ich in der Armee war, die letzten zehn Jahre, mussten wir wählen. Die Soldaten wählen nicht wie die normale Zivil­be­völ­ke­rung. Sie stachen uns eine Nadel in den Finger und wir mussten auf den Namen Assad mit unserem Blut stem­peln. Und so hatte ich das auch gemacht. Und als ich sagte, dass ich den Assad nicht mehr will wurde ich zum Terro­risten erklärt. 

Wie nimmst du das poli­ti­sche und gesell­schaft­liche Enga­ge­ment in Deutsch­land wahr? Kannst du Vergleiche zwischen deinem Ursprungs­land und Deutsch­land ziehen? 

Ich finde es normal, wenn Menschen gegen oder für Merkel sind, wenn sie Nazis oder auslän­der­freund­lich sind. Alles kann und wird es geben, weil wir hier nicht im Para­dies sind und demnach nicht alle Engel. In den zwei Jahren, in denen ich hier in Deutsch­land bin, habe ich gesehen, dass die Deut­schen sehr inter­es­siert an der Politik sind. Die, die ich kenne, hassen alle Parteien. Sie sagen immer: Ich weiß nicht, welche Partei ich wählen soll, weil alle gleich­schlimm sind“. Sie haben viele Forde­rungen für ein besseres Deutsch­land, die die Politik nicht erfüllen kann. In Syrien haben wir uns keine Gedanken über die Präsi­dent­schaft gemacht, bis vor sieben Jahren, als in Ägypten die ersten Demons­tra­tionen begannen. In Syrien ist die Familie sehr wichtig und Menschen enga­gieren sich meis­tens in ihren Fami­lien. 

In vielen Ländern gibt es alle vier Jahre ein sehr wich­tiges Ereignis für die Bürger es ist die Wahlen. Die Syrer haben auch jede vier Jahre ein wich­tiges Ereignis. Es ist die Welt­meis­ter­schaft. Das Leben in Deutsch­land ist zwar viel besser, aber das bedeutet nicht, dass das Leben in Syrien schlecht war. Es gibt immer Vor- und Nach­teile. In Syrien kann zum Beispiel eine Frau, die das Kopf­tuch trägt einfa­cher eine Arbeit finden. Niemand zwingt sie bei der Arbeit es abzu­legen oder eines anzu­ziehen. Die Quali­fi­ka­tionen zählten. 

Würdest du gerne in Deutsch­land wählen gehen? 

Wenn die Flücht­linge ein Wahl­recht hätten, würden sie alle für Merkel stimmen. Ich würde gerne wählen. Ich finde es wichtig, wählen zu dürfen, weil ich hier nicht nur einfach leben will, sondern mit gestalten. 

Was sind Deine Forde­rungen an den neuen Bundestag? 

Ich hoffe, dass sie den Flücht­lingen nicht nur ein Jahr Duldung geben. Diese Flücht­linge brau­chen das gesamte Jahr für die Büro­kratie. Sie können nicht Deutsch lernen und sich nicht einleben. Ich hoffe auch, dass ich in Deutsch­land keine Probleme mit meiner reli­giösen Praxis bekomme. Mein Chef glaubt an keinen Gott, aber er gewährt mir, dass ich während der Arbeit meine Gebet verrichte. Ich hatte Angst, als ich ihm die Frage nach dem Gebet während der Arbeits­zeit stellte. Aber er sagte, falls ich keinen Gebets­tep­pich habe, kaufe er mir gerne eines. Reli­gion und Arbeit sind getrennte Ange­le­gen­heiten aber die Werte meiner Reli­gion beein­flussen mich in meinem Arbeiten. Wenn zum Beispiel mein Chef nicht anwe­send ist, darf ich nicht lang­samer arbeiten und muss ehrlich sein. 

Wie hast du dich in Syrien enga­giert und wie nun in Deutsch­land? 

In Syrien habe ich mit 15 Jahren ange­fangen zu arbeiten und nebenbei Englisch an der Volks­hoch­schule gelernt. Dort enga­gierte ich mich in der Moscheen, genauso wie auch hier. Am Wochen­ende arbeite ich im Welt­laden, für andere Menschen, damit sie fair verdienen. Außerdem unter­stütze ich andere Flücht­linge beim Deutsch­lernen an der Volks­hoch­schule. Es ist besser, als herum­zu­sitzen.  


Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild