Was Reality-TV für unser Gehirn bedeutet 

Datum
12. Juni 2024
Autor*in
Henriette Alex
Redaktion
politikorange
Themen
#Leben #Reality-TV
Henriette

Henriette

Zwischen Kandidat*innen, Konkur­renz und kogni­tiven Fähig­keiten: Reality-TV ist eine leichte, beliebte Unter­hal­tungs­form, um einfach mal abzu­schalten. Aber inwie­fern schaltet dabei auch unser Gehirn ab? Was wollen Produzent*innen wirk­lich errei­chen? Wie verschie­dene Studien belegen, macht Reality-TV zumin­dest in Teilen dumm.

Zwischen Kandidat*innen, Konkur­renz und kogni­tiven Fähig­keiten: Reality-TV ist eine leichte, beliebte Unter­hal­tungs­form, um einfach mal abzu­schalten. Aber inwie­fern schaltet dabei auch unser Gehirn ab? Was wollen Produzent*innen wirk­lich errei­chen? Wie verschie­dene Studien belegen, macht Reality-TV zumin­dest in Teilen dumm.  

Henriette

Brain on Vacation. Bild: Jugendpresse e.V.

Einschalten und Abschalten im Hirn

599 Probanden, zwei bis drei Stunden am Tag, 20 Jahre lang: Eine Studie von Forschenden der John Hopkins Bloom­berg School of Public Health in Balti­more (USA), die 2021 im Fach­ma­gazin Brain Imaging and Beha­vior“ veröf­fent­licht wurde, zeigt einen klaren Zusam­men­hang zwischen Reality-TV Konsum und Gehirn­struktur. Eine Versuchs­gruppe konsu­mierte über den Zeit­raum der Studie regel­mäßig Reality-TV, während eine Vergleichs­gruppe darauf verzich­tete. Nach den 20 Jahren Versuchs­zeit stellten die Forscher*innen abschlie­ßende Messungen der Gehirn­struk­turen gegen­über und bemerkten Verän­de­rungen bei jener Gruppe, die regel­mäßig vor dem Fern­seher saß. Die soge­nannte graue Substanz“, deren Anteil auch über die Intel­li­genz des Menschen entscheidet, hatte sichtbar abge­nommen. Auch das Volumen zweier Gehirn­areale litt im Verlauf der Studie und war geschrumpft. Diese Bereiche sind unter anderem für unser Erin­ne­rungs­ver­mögen zuständig. Ähnliche Ergeb­nisse zeigen kogni­tive Tests, bei denen der Reality-TV Konsum eben­falls in Zusam­men­hang mit tenden­ziell nied­ri­geren kogni­tiven Fähig­keiten gebracht wurde. Lang­fristig sei sogar Demenz im späteren Alter begüns­tigt. 

Ist das von Produzent*innen so gewollt? Was für ein Ziel wird hinter den Kulissen von GNTM, Bachelor und Dschun­gel­camp wirk­lich verfolgt?

Dumm­heit als Add On eines Geschäfts­mo­dells

Das, wovon wir uns so gerne berie­seln lassen, ist nicht so unschuldig wie man zunächst denkt. Hinter dem vermeint­lich realis­ti­schen Gesell­schafts­spiegel steckt in Wahr­heit ein ausge­klü­geltes Geschäfts­mo­dell. Folgen für unser Gehirn spielen erstmal keine Rolle. Pädago­gi­scher Mehr­wert muss sich der Gewinn­ma­xi­mie­rung beugen; die Produzent*innen wissen genau, worauf das Publikum anspringt. 

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Den Fernseher nach einer Folge Reality-TV wieder auszuschalten fällt oft gar nicht so leicht. Die einfachen Inhalte entpuppen sich als psychologisch gut durchdacht. Foto: Freepik.

People like to sit up and make decis­ions. I like you; I don’t like you“. Es ist ein einfa­cher Wirkungs­me­cha­nismus, von dem die Anbieter ausgehen, bestä­tigt eine Studie von Dr. Laura Sūna, Medi­en­wis­sen­schaft­lerin an der Univer­sität Siegen. Unsere Rolle dabei, die der Zuschaue­rinnen und Zuschauer? Wir sind nichts weiter als leicht abzu­fan­gendes Publikum, die das Geschäfts­mo­dell ermög­li­chen. Und was wir wollen, ist eben mitfühlen, lästern und urteilen. Müssen wir uns deswegen jetzt schlecht­fühlen? Ohne Reality-TV machen wir das im realen Leben doch genauso, oder? 

Reality-TV: Hoffent­lich nicht Realität

Die Frage gilt es wohl eher anders­herum zu stellen. Hinter dem Begriff Reality-TV verbergen sich nämlich Medi­en­häuser, die über­haupt nicht die Realität abbilden wollen. Die Shows folgen keines­falls einem gesell­schaft­li­chen Wandel im echten Leben der Zuschauer*innen, sondern orien­tieren sich an simplen Tren­d­er­schei­nungen. Kommt bald wieder Size Zero? YouTube Kommen­tator Ramon Wagner, der selbst aktiv in der Reality-TV Branche ist, hält das bei einer entspre­chenden Tren­d­er­schei­nung sogar für unab­dingbar. Wen wir in den nächsten Staf­feln unserer Lieb­lings-Reality-TV Show auf dem Bild­schirm sehen, sei in jedem Fall primär wirt­schaft­lich begründet. Mögliche Auswir­kungen auf Psyche und Gehirn finden im gewinn­ori­en­tierten Geschäfts­mo­dell also keinen Platz. 

Was bedeutet das jetzt für den nächsten GNTM-Donners­tag­abend? Wie gehen wir mit diesen beun­ru­hi­genden Aussichten und Studi­en­ergeb­nissen um? 

Richtig“ Reality-TV schauen: Der Inhalt macht das Gift

Wie die erwähnte Studie im Fach­ma­gazin Brain Imaging and Beha­vior“ (2021) zum Fazit zieht, kann man sich beim Konsum von Reality-TV auf zwei Prin­zi­pien verlassen. Erstens: Je anspruchs­loser der Inhalt, desto größer der Einfluss auf unser Gehirn. Sprache, Narra­tive und Inter­ak­tion der Kandidat*innen werden von uns schnell über­nommen und beein­flussen uns in unserem Denken und Handeln. Und zwei­tens: Je mehr wir schauen, desto größer auch die Konse­quenzen. Exzes­siver Reality-TV Konsum bringt weitaus größere Auswir­kungen mit sich als der Konsum in geringem Maße. Das bedeutet aber nicht, dass wir komplett von unseren Lieb­lings­shows absehen müssen. Solange wir Reality-TV in Maßen konsu­mieren und auf den Anspruch der Sendungen achten, steht der Unter­hal­tungs­form nichts im Weg. Wichtig ist es, das dahin­ter­ste­hende Geschäfts­mo­dell im Kopf zu behalten, kritisch gegen­über der Inhalte zu bleiben und sich mögli­cher Folgen bewusst zu sein.

Im Zeit­alter von Fake News, Popu­lismus und Politiker*innen auf TikTok ist Reality-TV jedoch nicht das einzige Problem. Oft werden Inhalte verein­facht, einseitig und nach simplen pola­ri­sie­renden Narra­tiven darge­stellt – viele Frage­zei­chen mit Blick auf mögliche Folgen für unser Gehirn bleiben offen. Der Landes­schü­ler­spre­cher der baye­ri­schen Mittel­schulen Dalton Del Salto Blanco ist über­zeugt, dass Medi­en­kom­pe­tenz“ im Skillset zukünf­tiger Gene­ra­tionen nicht mehr wegzu­denken ist – es lohnt sich also, schon heute den kriti­schen Blick auf unschul­dige, scheinbar objek­tive Inhalte nicht zu verlieren und auch die eigene Medi­en­kom­pe­tenz einmal zu hinter­fragen.


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