Big Brother im Umbau: Warum das Haus langsam zur Baustelle wird

Datum
12. Juni 2024
Autor*in
Sophie Wurmb
Redaktion
politikorange
Themen
#Leben #Reality-TV
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Wir schreiben das Jahr 2000: Reality-Formate erleben in den USA, dem Ursprungs­land von Real Life Soaps, einen Boom und auch in Deutsch­land sorgt nun Big Brother“ für Aufmerk­sam­keit.

Wir schreiben das Jahr 2000: Reality-Formate erleben in den USA, dem Ursprungs­land von Real Life Soaps, einen Boom und auch in Deutsch­land sorgt nun Big Brother“ für Aufmerk­sam­keit. RTL 2 (heute: RTLZWEI), Produk­ti­ons­firma der ersten Staffel, kündigt diese damals schon als alles andere als korrekt“ an. Diskus­sionen über die Menschen­würde sorgen schon vor der Ausstrah­lung für Aufsehen. Denn das neue Format, bei dem Personen ständig von Kameras umgeben sein sollen, wird eine Revo­lu­tion des Fern­se­hens einläuten.

Von Tradi­tion zu Trash

Auf Grund der Einfüh­rung des dualen Systems in der BRD, wodurch privat-kommer­zi­eller dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk gleich­ge­setzt wird, erhalten private Fern­seh­sender, welche keinen festen Programm­auf­trag verfolgen müssen, mehr Aufmerk­sam­keit. Kandidat*innen dieser Reality-Shows sollen hierbei einer zuge­wie­senen Biografie entspre­chen, was auch von Seiten der Redak­tion fest­ge­legt wird. Bereits in der ersten Staffel von Big Brother werden so Kandidat*innen als Macho­single“ präsen­tiert und auch noch 2020 hat sich an dieser Art der Sexua­li­sie­rung nichts geän­dert. Im Jahr 2000 läuten Reality-Shows den Wandel einer Gesell­schaft ein, welche geprägt ist von tradi­tio­nellen Lebens­formen und nach persön­li­cher Iden­tität und eigener Entschei­dung sucht. Nach dem Sozio­logen Michael Hainz ist dieser Vorgang durch die Indi­vi­dua­li­sie­rung der Menschen und die folgende Ausstrah­lung und Präsen­ta­tion des Privat­le­bens nach außen zu begründen. Ulrich M.Schmitz, Psycho­loge in der ersten Staffel, nennt das neue Zeit­alter bereits 2001 ein Zeit­alter der Grenz­über­schrei­tung, welches durch die neue Verbin­dung durch das Internet ermög­licht wird. Big Brother inte­griert bereits zu Anfang die Zuschauer*innen und entwi­ckelt das Einbe­ziehen des Publi­kums bis heute immer weiter, wodurch es den Zuschauer*innen ermög­licht wird, Entschei­dungen durch das Internet für die Kandidat*innen zu treffen und auch auf Strea­ming-Formaten die Sendung zu verfolgen.  

Von Kritik zu Inter­es­sen­ver­lust

Die Show erreicht 2000 einen durch­schnitt­li­chen Markt­an­teil von 20% der 14- bis 49-Jährigen Doch diese Zahl nimmt stetig ab. Bereits in der dritten Staffel eröffnet sich eine große Breite an Big Brother-ähnli­chen Formaten, welche Zuschauer*innen den Über­blick verlieren und die Quoten einstürzen lässt. Die Kritik ist zahl­reich und sorgt auch dafür, dass 20 Jahre später der Markt­an­teil in der jungen Ziel­gruppe nur noch bei etwa zwei Prozent liegt. Und dennoch: Die Ziel­gruppe der Show bleibt über die Jahre gleich. Unklar bleibt jedoch auch nach Jahren der Entwick­lung, wie viel Teilnehmer*innen der Reality Formate über die anste­henden Aufgaben und Risiken wissen und welche Einschrän­kungen mit der aktiven Entschei­dung des Einzuges verbunden sind. Privat­sphäre würde, bestä­tigen Interne, ermög­licht werden, doch Toiletten-Szenen aus den Anfangs­jahren und eine noch heute andau­ernde Über­wa­chung auf der Toilette, welche für Sicher­heit sorgen solle, stellt hierzu ein Gegen­ge­wicht dar und veran­lasst auch die Landes­me­di­en­an­stalten in 2000 dazu, ein Ausstrah­lungs­verbot errei­chen zu wollen.

Heute wird nur noch selten über die Risiken und Einschrän­kungen disku­tiert, denn seit 2000 erwei­tert sich das Angebot- und Strea­ming-Dienste gewinnen an Reich­weite. Außerdem entwi­ckelt sich das Inter­esse der Zuschauer*innen hinzu Shows mit Prominenten‑, sowie Dating-Shows, wie es auch eine Umfrage von YouGov aus dem Jahr 2023 zeigt. Während sich für die zweite Staffel noch 70.000 Inter­es­sierte bewerben, sind es davon in 2024 nur noch ein Fünftel. So wurde nach 2011 der Dreh von Big Brother einge­stellt und bis 2020 nicht mehr fort­ge­führt.

Während dieser Zeit nimmt der eben­falls privat-kommer­zi­elle Sender Sat.1 den Dreh der Promi-Version von Big Brother auf, welcher eine auffällig hohe Quote erreicht. Diese folgt nun nicht mehr dem Prinzip, dass unbe­kannte Menschen unvor­ein­ge­nommen ihren Alltag präsen­tieren, was nach der Sozio­login Angela Keppler1 das Prinzip von Real-Life-Soaps sei. Der aktu­elle Wunsch nach Diver­sität in Reality-Shows besteht und bereits im Jahr 2000 wird bei Big Brother auf indi­vi­du­elle Charak­tere geachtet. Auch der Execu­tive Director Rainer Laux wünscht sich für 2024 Menschen, welche norma­ler­weise nicht abge­bildet werden, unab­hängig von Alter und Beruf. Warum Sat.1 sich entschieden hat, erneut Promi­nente zu wählen und damit rück­läufig hinsicht­lich Diver­sität arbeitet, liegt wahr­schein­lich an dem Inter­esse der Zuschauer*innen. 

Von Erfolg zu Lange­weile

2024, nach jahre­langen Unsi­cher­heiten wer Big Brother ausstrahlt, läuft die Reality-Life-Soap heute fast nur noch auf dem Anbieter Joyn Plus“. Für die stän­dige Live­über­tra­gung muss hier ebenso bezahlt werden, wie bereits schon für die fünfte Staffel. Für die aktu­elle Staffel gibt es auf X viel Kritik. Es wird darüber disku­tiert, warum die Teilnehmer*innen in die gleiche Unter­kunft ziehen, wie die vorhe­rigen Promi Big Brother Teilnehmer*innen. Weitere Kritik sind mangelnde Abwechs­lung und empfun­dene Lange­weile beim Schauen der Live­streams. Sat.1 wird in dem Zuge vorge­worfen, dass es kein Inter­esse an Big Brother hätte.

Das Ergebnis, dass die Einzugs­show der Promi Version eine mit 1,73 Millionen etwa 700.000 Menschen mehr einge­schaltet haben, als zur nicht-Promi Version, spie­gelt die Inter­essen der Zuschauer*innen wieder und somit auch die der Produzent*innen. In einem Gespräch mit einem Psycho­logen, welcher die Kandidat*innen der ersten Staffel betreute, spricht dieser im Spiegel über die verflie­gende Faszi­na­tion des Alltags­le­bens. Schmitz gibt an, dass Produzent*innen einen gewissen Druck hätten, etwas Neues zu machen, wenn die Faszi­na­tion nicht mehr da ist, was sicher­lich auch als ausschlag­ge­bender Punkt für den Dreh­start von Promi Big Brother gilt. Jene Ergeb­nisse zeigen auf, dass die Entwick­lung von Reality-TV abhängig ist von Inter­essen der Zuschauer*innen und somit nicht direkt als positiv oder negativ darge­stellt werden kann, da diese Shows stück­weise unsere Gesell­schaft wider­spie­geln und Produzent*innen auf Ände­rungen dieser reagieren.


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