Ich bin ein Star – Wer arbeitet hier für wen?

Datum
12. Juni 2024
Autor*in
Martin Michael Wilhelm
Redaktion
politikorange
Themen
#Leben #Reality-TV
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Arbeiten die Teilnehmer*innen für die Einschalt­quoten des Senders? Oder arbeiten die Produzent*innen für die Karriere der Teilnehmer*innen? Viel­leicht arbeiten auch die Produzent*innen für die Unter­hal­tung der Zuschauer*innen? Oder sind doch die Teilnehmer*innen für die Unter­hal­tung der Zuschauer*innen zuständig?

Arbeiten die Teilnehmer*innen für die Einschalt­quoten des Senders? Oder arbeiten die Produzent*innen für die Karriere der Teilnehmer*innen? Viel­leicht arbeiten auch die Produzent*innen für die Unter­hal­tung der Zuschauer*innen? Oder sind doch die Teilnehmer*innen für die Unter­hal­tung der Zuschauer*innen zuständig? Ein Kommentar über Gewis­sens­fragen.

Das geht ja mal gar nicht“

Auf der einen Seite kann man kriti­sieren, dass im RTL-Dschun­gel­camp Menschen vorge­führt werden. Die Teilnehmer*innen werden die ganze Zeit gefilmt, müssen sich vor den Zuschauer*innen beweisen und sich in den soge­nannten Dschun­gel­prü­fungen“ Sterne verdienen, um mehr Essen zu erhalten. In diesen Prüfungen sollen beispiels­weise Tiere wie Maden, Kaker­laken oder Ratten für den gewissen Ekel­faktor“ sorgen.

Wenn ein*e Teilnehmer*in gegen die Regeln der Produk­tion verstößt, sind Bestra­fungen die Folge. Im dies­jäh­rigen Dschun­gel­camp wurden, einer Schät­zung der Augs­burger Allge­meinen nach, von der Produk­tion zwischen 15.000 und weit über 100.000 Euro pro Teil­nahme ausge­geben. Die Gagen hängen von der Bekannt­heit der teil­neh­menden Person ab, obwohl sich alle Teilnehmer*innen denselben Heraus­for­de­rungen stellen.

Meiner Ansicht nach ist es kriti­sierbar, dass man Menschen bezahlt, damit sie würde­lose Dinge vor ganz Deutsch­land tun. Dies dient dann der Unter­hal­tung und Belus­ti­gung von Zuschauer*innen.

Enter­tain­ment pur?

Fakt ist aber, dass es wissen­schaft­lich erforschte Gründe gibt, warum viele Menschen Reality-TV-Formate schauen. Die Medi­en­wis­sen­schaft­lerin Dr. Laura Sūna von der Univer­sität Siegen berichtet aus ihrer Forschung, dass Menschen, die regel­mäßig solche Sendungen schauen, eine empha­tisch-emotio­nale Bindung zu den Teilnehmer*innen entwi­ckeln. Außerdem bilden diese Zuschauer*innen soge­nannte Emoti­ons­ge­mein­schaften“. Damit ist gemeint, dass die Zuschauer*innen oft gemeinsam mit Freund*innen solche Sendungen schauen und sich über die Sendungen austau­schen. Dabei lästern sie oft über die Teilnehmer*innen und grenzen sich dadurch von ihnen ab. Zu dieser Abgren­zung gehören Sätze wie: Die nehmen da doch frei­willig teil“, Die wissen doch worauf sie sich einlassen“ oder Die bekommen doch Geld dafür, dass ich es mir anschaue. Also warum beschweren die sich?“

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Einfach mal abschalten. Foto: Jan Vasek JESHOOTS.COM (Unsplash).

Die Sache mit dem Gewissen

Ich schaue selbst seit Jahren gerne Ich bin ein Star holt mich hier raus“ und habe mir bisher nicht viele Gedanken über meinen Konsum gemacht. Bei dieser Gele­gen­heit habe ich mich mehr mit ethi­schen und mora­li­schen Fragen beschäf­tigt. Kritik­punkte wie der, dass Menschen für Geld vorge­führt werden, kann ich nach­voll­ziehen. Aller­dings spricht der Erfolg des Dschun­gel­camps für sich. Beispiels­weise sahen laut Rhei­ni­scher Post über fünf Millionen Menschen die Auftakt­folge der dies­jäh­rigen Staffel.

Für mich persön­lich hat die Sendung einen Lager­feuer-Charakter“ (im doppelten Sinne), da es sich um nichts Welt­be­we­gendes handelt und man sich sehr gut über solche Bana­li­täten am nächsten Morgen im Büro oder Hörsaal austau­schen kann. Die Sendung dient dem Enter­tain­ment und man kann dabei super vom stres­sigen Alltag abschalten. Ich fühle mich nicht schlecht, wenn ich die Sendung schaue. Die Teilnehmer*innen haben frei­willig bei vollem Bewusst­sein den Vertrag unter­schrieben und verdienen sich eine goldene Nase. Viele Menschen in Deutsch­land träumen von so einem Gehalt. Entweder kommen Teilnehmer*innen aus klei­neren Formaten und wollen die Chance nutzen, sich einem größeren Publikum zu präsen­tieren. Oder sie versu­chen Jahre nach dem ersten Durch­bruch wieder in die Öffent­lich­keit zu treten.

Die Verant­wor­tung liegt bei uns allen

Außerdem gibt es die Sendung bereits seit 2004, sodass beide Seiten (Zuschauer*innen und Teilnehmer*innen) wissen, was auf einen zukommt. Auch zu erwähnen ist, dass in so einem Format gesell­schaft­lich rele­vanten Themen eine Platt­form gegeben werden kann. Beispiels­weise sprach die Gewin­nerin der dies­jäh­rigen Staffel, Lucy Diakovksa, im Camp über ihre Homo­se­xua­lität. Meiner Meinung nach macht sie das zu einem Vorbild für viele Menschen. Außerdem finde ich, dass es einer der Mitgründe war, warum sie Dschun­gel­kö­nigin wurde.

Aufgrund der genannten Gründe, finde ich es nicht verwerf­lich, wenn man das Dschun­gel­camp schaut. Klar ist, dass jede zuschau­ende Person es mit ihrem eigenen Gewissen selbst verein­baren muss. Jeder (voll­jäh­rige) Mensch ist für sein eigenes Handeln und Auftreten verant­wort­lich. Egal ob auf der Seite der Zuschauer*innen, der Teilnehmer*innen oder der Produzent*innen.


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