Vor der Wahl: Die FDP spuckt große Töne

Datum
26. September 2021
Autor*in
Felicitas Nagler
Redaktion
politikorange
Themen
#BTW21 #Wahlen
Christian Lindner im Gespräch mit den politikorange Redakteur*innen.

Christian Lindner im Gespräch mit den politikorange Redakteur*innen.

Jugendpresse Deutschland e. V./Christopher Folz

Partei der Reichen, Kanzler*innenmacher, One-Man-Show — die FDP erhält kurz vor der Wahl viele Zuschrei­bungen. Feli­citas Nagler beob­achtet das Auftreten der Partei beim Wahl­kampf­ab­schluss in Berlin.

Sebastian Czaja, Jörg Woltmann, Christian Lindner und Christoph Meyer stehen auf der Bühne vor dem Wahlplakat von Christian Lindner und sprechen miteinander.

v.l.n.r.: Sebastian Czaja, Mitglied des Abgeordnetenhauses in Berlin, Jörg Woltmann, Inhaber der Porzellan-Manufaktur, Parteivorsitzender Christian Lindner und Christoph Meyer, Abgeordneter im Bundestag. Foto: Jugendpresse Deutschland / Christopher Folz

Wenn wir es schaffen, unseren Wohl­stand mit Frei­heit und Klima­schutz zu verbinden, dann sind wir ein Modell für die Welt – und dann werden uns andere auch folgen können“, ruft Chris­tian Lindner. Der Partei­chef erntet tobenden Applaus, murmelnde Zustim­mung und nickende Köpfe. Hier, vor der König­li­chen Porzel­lan­ma­nu­faktur in der geho­benen Gegend der Fried­richs­straße findet der Wahl­kampf­ab­schluss der FDP Berlin statt. Pinke und blaue Licht­säulen erstre­cken sich in die Höhe und erhellen die Gesichter hunderter Zuschauer*innen, die zu Füßen der stei­nernen Treppe den Worten der Spre­chenden lauschen.

Lindner steht oben, ohne Krawatte, seine Rede unter­malt er mit ausla­denden Hand­be­we­gungen. Hinter ihm steht ein Groß­flä­chen­plakat der FDP. Darauf: Chris­tian Lindner. Zu Beginn seiner Rede wischt der echte Partei­chef imagi­nären Staub von seinem Bild. Er wech­selt einen Blick mit dem Publikum. Viel­leicht bin ich so selbst­ver­liebt, wie die Medien sagen, könnte das heißen. Aber nicht ohne Grund.

Eine neuge­bo­rene Partei?

Eine Zeit­rei­sende aus 2013 würde die FDP nicht wieder­erkennen. Zunächst noch Regie­rungs­partei wurden die Libe­ralen wöchent­lich von der Heute Show in die Mangel genommen, bei der Bundes­tags­wahl flog die FDP schließ­lich mit 4,8% aus dem Bundestag. 2021 ist die FDP jung und cool. Teen­ager in Anzügen und Hoodies stehen wie selbst­ver­ständ­lich neben älteren Damen mit Gold­ringen. Was ist passiert? Chris­tian Lindner, natür­lich. Seit Dezember 2013 ist er Vorsit­zender; die Wahl­pla­kate 2017 und 2021 setzen voll auf sein Gesicht. Chris­toph Meyer, seit 2017 im Bundestag, kennt noch einen anderen Grund für das Revival der Partei. Wir versprühen einen Zeit­geist, der junge Menschen anspricht“, verrät er.

Christian Lindner steht in der Bildmitte vor Wahlplakaten, rechts stehen die beiden Redakteur*innen von Politikorange.

Die politikorange Redakteur*innen im Gespräch mit Christian Lindner. Foto: Jugendpresse Deutschland / Christopher Folz

Ange­bote statt Verbote“, predigt Lindner von der Bühne. Mit den Ängsten vor Fremd­be­stim­mung weiß er zu spielen. Wir lassen euch mit dem Auto fahren“, verspricht er, das ist der Unter­schied zwischen uns und den Grünen.“ Er erntet Gelächter, nicht zum ersten Mal an dem Abend. Die FDP betont den Stel­len­wert der persön­li­chen Frei­heit – und das zieht auch viele junge Menschen an. Die Veran­stal­tung empfiehlt eine Gesichts­maske, doch nur wenige kommen dem nach. Es gilt die 3G-Rege­lung, aber keine Über­prü­fung findet statt. Jede*r ist selbst dafür verant­wort­lich, sich per Corona-Warn- oder Luca-App in die Veran­stal­tung einzu­loggen.

Relatable statt hoch zu Ross

Der Grund­tenor des Abends: Es gibt eine Menge Unter­schiede zwischen der FDP und den anderen Parteien. Lindner schlän­gelt sich rheto­risch geschickt durch die Themen des Wahl­pro­gramms, ob Digi­ta­li­sie­rung über Bildung bis zur Rente, und erspart dabei keiner einzigen Partei süß-sauren Spott. Sei es Armin Laschet, der Geld wie Kamellen um sich werfe oder die Grünen, die Berlin zum Bullerbü“ machen wollen würden. Mit seinen zahl­rei­chen Anek­doten von Fern­seh­shows verwan­delt Lindner den Platz in sein Wohn­zimmer, er macht die wild­fremden Menschen zu Vertrauten. Einmal ertönt Applaus, bevor Lindner sein Plädoyer zu Ende führen kann. Sie sind schon meiner Meinung“, scherzt er, aber ich würde trotzdem gerne noch ein Argu­ment nach­lie­fern.“ Lindner bemüht sich, kompe­tent aufzu­treten, dabei aber gleich­zeitig down-to-earth-relatable zu wirken. Bloß nicht das alte Image nähren, die FDP sei abge­hoben oder fern vom Menschen. Dazu passt die Anek­dote, die er von einem Masken­bil­dern vor einem Fern­seh­auf­tritt erzählt. Der habe ihn nach seinem Stern­zei­chen gefragt und auf die Antwort Stein­bock“ zufrieden fest­ge­stellt, dass Lindner damit ein guter Finanz­mi­nister wäre.

Jamaica Aus? Jamaica Erfolg!

Christoph Meyer steht in der Bildmitte, rechts sind die Redakteur*innen von politikorange zu sehen.

Mitglied des Bundestages Christoph Meyer im Gespräch mit den politikorange Redakteur*innen. Foto: Jugendpresse Deutschland / Christopher Folz

Auf diese Weise bringt der Partei­chef elegant eine mögliche Regie­rungs­be­tei­li­gung ins Spiel. Die geplatzten Jamaica-Verhand­lungen von 2017 hangen noch lange als dunkler Schatten über der Partei. Doch was damals von vielen als das Versagen einer sturen, kompro­miss­un­fä­higen Partei wahr­ge­nommen wurde, verkauft die Partei heute als Erfolgs­ge­schichte. 2017 haben wir gezeigt, dass wir zu unseren Inhalten stehen“, erklärt etwa Chris­toph Meyer. Die Story: Die FDP ist stand­haft, sie ist verläss­lich und die einzige Partei, der man vertrauen kann, das umzu­setzen, was sie verspro­chen hat. Am Ende seiner Rede mahnt Lindner das Publikum, bei dieser Wahl nicht taktisch zu wählen. Das Einzige, was Sinn habe: Alle Stimmen für die Frei­heit.“

Und wie geht es am Montag weiter, wenn die ersten Ergeb­nisse fest­stehen? Chris­tian Lindner erwähnt poli­ti­ko­range gegen­über, dass Jamaica dieses Mal defi­nitiv eine Möglich­keit ist. Alles habe sich verän­dert, vor allem die betei­ligten Personen. Auf die Frage, von wem er sich den ersten Anruf am Montag­morgen wünsche, Olaf Scholz oder Armin Laschet, antwortet Chris­tian Lindner: Die Frage ist eher, wen wir anrufen.“ Und er zwin­kert.


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