Von Stol­per­steinen im Jour­na­lismus

Datum
06. Oktober 2018
Autor*in
Annick Goergen
Redaktion
politikorange
Thema
#JMT18
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Medi­en­kri­tiker werden immer lauter: Das post-fakti­sche Zeit­alter habe begonnen und Fake News seien zur Norm geworden! Doch stimmt das wirk­lich und mit welchen Schwie­rig­keiten werden Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen bei ihrer Arbeit konfron­tiert? Während der Jugend­me­di­en­tage disku­tieren vier Menschen, die es wissen müssen. Annick Goergen hat zuge­hört und mitge­schrieben.

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Auf dem Podium diskutierten (von links): Gemma Pörzgen ("Reporter ohne Grenzen"), Angelique Geray (Axel Springer Akademie), Markus Bickel (Amnesty Journal) und Lutz Kinkel (Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit). Foto: Jugendpresse Deutschland/Kurt Sauer

Medi­en­kri­tiker werden immer lauter: Das post-fakti­sche Zeit­alter habe begonnen und Fake News seien zur Norm geworden! Doch stimmt das wirk­lich und mit welchen Schwie­rig­keiten werden Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen bei ihrer Arbeit konfron­tiert? Während der Jugend­me­di­en­tage disku­tieren vier Menschen, die es wissen müssen.

Gerade Kollegen, die im Ausland und in Krisen­ge­bieten arbeiten, werden nicht mehr adäquat bezahlt“, kriti­siert Gemma Pörzgen von Reporter ohne Grenzen“ die derzei­tigen Arbeits­be­din­gungen für Jour­na­listen und Jour­na­lis­tinnen. Es mangele an Fest­an­stel­lungen, sagt die Jour­na­listin. Nur Medi­en­schaf­fende, die vor Ort leben, könnten über die tagtäg­li­chen Miss­stände eines Landes berichten. Wenn es jedoch nur einen Auslands­kor­re­spon­denten für beispiels­weise ganz Zentral­afrika gebe, werde die Bericht­erstat­tung merk­lich an Substanz und Qualität verlieren. Die Folge? Weiße Flecken in der Bericht­erstat­tung.

Lutz Kinkel vom Euro­päi­schen Zentrum für Presse- und Medi­en­frei­heit geht sogar weiter: Das größte Problem ist die Korrup­tion. Möchte ich in einem korrupten Staat über eben diesen recher­chieren, schützt mich niemand mehr. Nicht mal mehr die Polizei.” Auf diesem Weg werde eine gute Recherche und eine umfang­reiche Bericht­erstat­tung verhin­dert. Die eigent­liche Aufgabe der Presse, nämlich das Aufklären von Miss­ständen, könne somit nicht erfüllt werden ohne, dass sich die Berich­tenden selbst in Gefahr begeben. Das war auch der Fall bei Daphne Caruana Galizia in Malta und bei Ján Kuciak in der Slowakei. Beide wurden demons­trativ exeku­tiert“, sagt Kinkel. So berich­tete Kuciak über Verbin­dungen zwischen Regie­rungs­par­teien und orga­ni­sierter Krimi­na­lität, Galizia über die mögliche Korrup­tion des Premier­mi­nis­ters in Malta. Ziel dieser Morde war es, ein deut­liche Botschaft zu senden: Lasst die Finger von unseren Geschäften.

Das Internet: Fluch und Segen?

Doch nicht nur die Bericht­erstat­tung aus dem Ausland bereitet den Medi­en­ma­chenden Sorgen. Der ökono­mi­sche Druck, der auf jedem Medi­en­ma­chenden lastet, ist ein großes Thema der Medi­en­land­schaft. Immer mehr Zeitungen beklagen nied­ri­gere Auflagen und somit auch deut­lich gerin­gere Einnahmen. Während sich Jour­na­listen und Jour­na­lis­tinnen früher unter Umständen weniger Gedanken um die Inter­essen ihrer Lesenden machen mussten, um ihre Zeitung zu verkaufen, müssen sie heute viel schneller Nach­richten veröf­fent­li­chen. Kinkel glaubt jedoch, dass diese Schnell­le­big­keit eben­falls ihren Preis fordere. Wer in kürzester Zeit viele Artikel schreiben müsse, habe notge­drungen weniger Zeit für Recherche und Vorbe­rei­tung. Gleich­zeitig gilt es immer öfter, klick­bare Artikel zu publi­zieren, welche online auf große Reso­nanz stoßen. Für Gemma Pörzgen und Lutz Kinkel ist die Situa­tion alles andere als optimal. Wie gut sich das Thema online vermarkten lässt, sollte kein Argu­ment sein, nicht über ein Thema zu berichten”, sagt auch Ange­lique Geray von der Axel Springer Akademie.

Medi­en­profis: Die Vermittler zwischen wissenden und wiss­be­gie­rigen Menschen

Dennoch konsu­mieren und beziehen immer mehr Menschen ihre Nach­richten über die Sozialen Netz­werke. Wir müssen uns wieder auf unsere ursprüng­liche Rolle als Gate­keeper besinnen. Auch wenn Social Media uns diese Arbeit nicht unbe­dingt leicht­macht”, sagt Geray. In der Vergan­gen­heit seien Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen meist die wich­tigsten Vermittler zwischen den zwei Fronten gewesen: die der Wissenden und die der zu infor­mie­renden Menschen. Auch heute liege es in ihren Händen, welche Themen behan­delt würden und mit welcher Gewich­tung man sich dieser Themen inner­halb des eigenen Mediums widmen wolle. Doch im Zeit­alter des Inter­nets kann jeder seine Meinung äußeren und mit dieser auch auf Gehör stoßen. Geray sieht in dieser Frei­heit sowohl Fluch als auch Segen, denn obwohl eine funk­tio­nie­rende Demo­kratie von der Parti­zi­pa­tion ihrer Mitbürger lebe, wird es für den Rezi­pi­enten immer schwie­riger zwischen Meinungen und Fakten zu unter­scheiden. Markus Bickel von Amnesty Journal behauptet sogar: Die Idee vom Web 2.0, die die Demo­kratie näher an den Bürger bringen soll, ist geschei­tert.” Er berichtet von einem vermehrten Aufkommen von Hate Speech und Beschimp­fungen online. Jour­na­listen werden als Feind­bild aufge­baut”, sagt Kinkel. Dies führe dazu, dass Jour­na­listen immer öfter mit Gewalt konfron­tiert würden. Wir müssen im Netz lernen, neu mitein­ander zu kommu­ni­zieren. Dafür sind Social-Media-affine Redak­teure unab­ding­lich“, sagt Pörzgen. Bickel stimmt dem zu. Er glaubt, dass soziales Konflikt­ma­nage­ment daher zum zukünf­tigen Berufs­bild des Jour­na­lismus gehört. Für den direkten Dialog ist es wichtig, dass die Lesenden ein Gesicht zur Geschichte haben”, sagt Geray.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Yalla Media Akademie, eine Koope­ra­tion zwischen der Jugend­presse Deutsch­land und dem Verein Eed be Eed („Hand in Hand“) aus Berlin. Der Text erschien zuerst in der Print­aus­gabe des Weser-Kuriers.


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