Realität aus, Reality an – wie toxisch ist unser Verhältnis zu Reality-TV?

Datum
12. Juni 2024
Autor*in
Dennis Stockfisch
Redaktion
politikorange
Themen
#Leben #Reality-TV
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Love Island und Co. erfreuen sich seit geraumer Zeit an großer Beliebt­heit. Drama – solange es nicht im eigenen Leben statt­findet – ist einfach unter­haltsam. Dabei nehmen wir das Ganze als seichte Unter­hal­tung hin, um neben dem stres­sigen Alltag einfach mal den Kopf abzu­schalten. So einfach ist es dann aber doch nicht. Zwischen dem Lachen über das Spek­takel und unserer Rolle als Zuschau­ende liegt oft eine Grenze, die es zu hinter­fragen gilt.

Love Island und Co. erfreuen sich seit geraumer Zeit großer Beliebt­heit. Drama – solange es nicht im eigenen Leben statt­findet – ist einfach unter­haltsam. Dabei nehmen wir das Ganze als seichte Unter­hal­tung hin, um neben dem stres­sigen Alltag einfach mal den Kopf abzu­schalten. So einfach ist es dann aber doch nicht. Zwischen dem Lachen über das Spek­takel und unserer Rolle als Zuschauer*innen liegt oft eine Grenze, die es zu hinter­fragen gilt.

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Drama im TV - das Geschäft mit den Emotionen. Foto: Jugendpresse e.V..

Die Zukunft ist divers – oder?

Zur Erin­ne­rung: Unter­hal­tungs­me­dien – unab­hängig, ob linear oder über Strea­ming-Dienste ausge­strahlt – leben davon, ange­schaut bezie­hungs­weise ange­hört zu werden. Der Indus­trie im Hinter­grund sind Ethik und Moral längst nicht so wichtig, wie die neu gefun­dene Diver­sität von Germany’s Next Topmodel“ uns es viel­leicht glauben lassen möchte. Dennoch ist zu beob­achten, dass durch Formate wie Prin­cess Char­ming“ oder The Ulti­matum: Queer Love“ nun endlich Shows Platz finden, die nicht dem Narrativ einer hete­ro­nor­ma­tiven Gesell­schaft unter­liegen. Diese sind zwar noch nicht im linearen Fern­sehen zu sehen, sondern mit einem Abon­ne­ment von Strea­ming-Dienst-Anbie­tern verbunden, dennoch ist es ein Anfang. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass das Ausstrahlen von queeren Formaten, die stär­kere Präsenz von BIPoC oder das Zeigen von nicht dem aktu­ellen Schön­heits­ideal entspre­chenden Menschen nicht mehr als eine kalku­lierte Marke­ting­stra­tegie ist. Diver­sity ist gerade ange­sagt. Mit Blick auf aktu­elle Wahl­um­fragen fragt sich, wie lange noch.

Gesell­schafts­spiegel Reality-TV

Über die Zeit haben sich Produ­zie­rende genau gemerkt, was uns bei Reality-TV wichtig ist. Spoiler: Die Darstel­lung von gesunden zwischen­mensch­li­chen Bezie­hungen ist es nicht. Genauso wie der Groß­teil der Zuschau­enden aktuell gerne Diver­sität in Shows vertreten sieht, ist ihnen das Drama mindes­tens genauso wichtig. Dass Kandidat*innen durch Schnitt, Inter­views und gerne auch mal Alkohol so darge­stellt werden, wie der Regie das für ihre Drama­turgie passt, ist da erstmal egal. Es ist nämlich viel einfa­cher, sich über das künst­lich erzeugte Drama zu erfreuen, als das Reality“ in Reality-TV zu hinter­fragen. Kritik richtet sich fast ausschließ­lich an die Kandidat*innen. Nie aber mal an uns, die es genau deswegen schauen oder an die, die es nach unseren Wünschen produ­zieren. Es ist erschre­ckend, wie persön­lich über Menschen gespro­chen wird, deren Verhalten nicht unseren Wert­vor­stel­lungen entspricht. Auffällig dabei ist, dass Menschen, die sich den Kandidat*innen intel­lek­tuell über­legen fühlen, sich beson­ders abfällig über Verhalten und Personen äußern. Ange­schaut werden sich dann aber genau die Formate, die von der beson­deren Inten­sität der Konflikte leben.

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Reality-TV als spannendes Heimkino Erlebnis. Foto: Pexels / JESHOOTS.com

Das opti­male Karrie­re­sprung­brett?

Charak­tere, die an diesen Formaten teil­nehmen, sind gerne mal ausge­fal­lener und extro­ver­tierter. Den meisten Teil­neh­menden wird auch klar sein, wie in Teilen der Bevöl­ke­rung darüber gedacht wird, an solch einer Show teil­zu­nehmen. Was also bewegt Menschen dazu, da mitzu­ma­chen? Ob man es glaubt oder nicht, manchen ist es egal, was andere über sie denken. Sie möchten einfach nur jemanden kennen­lernen oder aufre­gende Erfah­rungen sammeln. Andere hingegen gestalten auf dieser Grund­lage ganze Medi­en­kar­rieren. Egal ob Teil­nahmen an weiteren Formaten, Influencer*in oder etwas ganz anderes. Der Spiel­raum ist groß. Mit der rich­tigen Taktik ist man im Anschluss eine Person des öffent­li­chen Lebens. Verfolgt man dieses Ziel, ist es wichtig, im Rahmen der Show aufzu­fallen. So lässt sich nämlich hervor­ra­gend Reich­weite gene­rieren – also Follower*innen. Wenn man bedenkt, dass sich laut Schät­zungen des Steu­er­por­tals Accoun­table“ ab einer Follower*innenzahl von 50.000 bereits 200 bis 1.000 Euro pro Insta­gram Post oder Story verdienen lassen, ist das ein cleveres Ausspielen der eigenen Stärken und ein kluger Karriere-Schachzug. Da ist es doch nur logisch, dass sich Menschen bei solchen Shows anmelden, die jetzt nicht als zurück­hal­tend zu beschreiben sind. Dann wären die Shows, die wir so gerne sehen, nämlich ziem­lich lang­weilig.

Der Ton macht die Musik

Reality-TV lebt vom Verhalten der Kandidat*innen. Es ist völlig in Ordnung, sich über die Hand­lung auszu­lassen oder Witze darüber zu machen. So funk­tio­niert diese Art von Unter­hal­tung nun mal. Gese­henes zu kriti­sieren, ist wichtig. Jedoch sollten wir immer darauf achten, wie persön­lich und tief­grei­fend die Kritik an Kandidat*innen ist und an welchen Stellen wir bei den Produzent*innen oder sogar bei uns selbst ansetzen müssen. Sich diese Shows nur anzu­sehen, um sich über die Teil­neh­menden lustig zu machen, ist höchst bedenk­lich. Wir sollten das Ganze als Unter­hal­tung aner­kennen und verstehen, dass dabei auch Rollen gespielt werden und Personen nicht zwin­gend so sind, wie sie darge­stellt werden. Zudem sollten wir darüber nach­denken, warum wir uns so sehr an Konflikten und Drama erfreuen und was wir dabei über unser eigenes Leben lernen können.


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