Leis­tungs­kurs Gesund­heit

Datum
09. Mai 2021
Autor*in
Sara Rigotti
Redaktion
politikorange
Themen
#JPT21 #Leben
Junge Erwachsene sehen sich oft mit vielen wegweisenden Entscheidungen konfrontiert.
Foto: Jugendpresse Deutschland/ Finja Pollen

Junge Erwachsene sehen sich oft mit vielen wegweisenden Entscheidungen konfrontiert. Foto: Jugendpresse Deutschland/ Finja Pollen

Die Nach­frage an psych­ia­tri­schen und psycho­the­ra­peu­ti­schen Gesund­heits­leis­tungen wird immer höher. Oft kann sie nicht hinrei­chend abge­deckt werden. Auch viele junge Menschen sind betroffen und leiden unter einer gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Stig­ma­ti­sie­rung.

Gene­ra­tio­nen­un­ter­schiede

Die frühe Lebens­phase bis zum Alter von 27 Jahren ist prägend: Auszug und Ausbil­dungs­be­ginn fallen in diese Zeit. Die hohe Dichte an prägenden Erleb­nissen trägt jedoch dazu bei, dass junge Menschen anfäl­liger für psychi­sche Erkran­kungen sind. Genau wie körper­liche Gesund­heit hängt der Zugang zu mentaler Gesund­heit mit Privi­le­gien und Ressourcen zusammen. Auch der soziale Status hat Einfluss darauf, ob jemand sein Leben gesund führen kann.

Junge Menschen stehen heute durch einen erhöhten Leis­tungs­druck und ein digi­ta­li­siertes Zeit­alter vor anderen Heraus­for­de­rungen. Das nach­zu­voll­ziehen, kann vorhe­rigen Gene­ra­tionen schwer­fallen, hatten sie doch tenden­ziell weniger Optionen und mate­ri­elle Möglich­keiten. Doch Krank­heit entsteht mehr­di­men­sional. Die Ursa­chen sind viel­fältig.

Konkur­renz­kampf in der Leis­tungs­ge­sell­schaft

Entschei­dende Faktoren für mentale Gesund­heit sind emotio­nale Unter­stüt­zung, finan­zi­elle Mittel und ein persön­li­ches Bezie­hungs­netz­werk. All dies erhöht oder senkt die Chancen, Träume zu verwirk­li­chen und persön­liche Fähig­keiten zu entwi­ckeln. In einer sich dyna­misch wandelnden Welt sieht sich die jüngere Gene­ra­tion zuneh­mend Zukunfts­ängsten wie der Klima­krise ausge­setzt. Gesell­schaft­lich leiden junge Menschen unter dem Druck, studieren zu müssen und sind immer häufiger in befris­teten Arbeits­ver­hält­nissen ange­stellt. Im Jahr 2018 waren Menschen unter 25 Jahren zu 46 Prozent häufiger von einer Befris­tung betroffen als ältere Arbeitnehmer*innen.

Durch den scheinbar ins uner­mess­liche wach­senden Wett­be­werb gibt es eine lange Liste an persön­li­chen Anfor­de­rungen, die in möglichst kurzer Zeit erfüllt werden müssen – der Lebens­lauf soll voll­ge­packt sein von Auslands­auf­ent­halten, Sonder­qua­li­fi­ka­tionen und sozialem Enga­ge­ment.

Hinzu kommt der bei vielen seit dem Grund­schul­alter mitschwin­gende Gedanke, bewertet und kate­go­ri­siert zu werden. Gleich­zeitig mindert Krank­heit die Leis­tungs­fä­hig­keit, Schüler*innen geraten in eine Abwärts­spi­rale. Dabei sind sie für die Gesell­schaft eine wich­tige Zukunfts­res­source. Schulen fördern kaum Gesund­heits­kom­pe­tenz, obwohl die Entstig­ma­ti­sie­rung schon hier statt­finden könnte.

Im Wett­be­werb finden sich junge Menschen auch im Internet – in einer durchs Influen­certum befeu­erten Schein­rea­lität und dem stän­digen Vergleich mit anderen, was Unzu­frie­den­heit mit dem eigenen Körper schafft. Durch Kommen­tare und Beur­tei­lungen anderer wird die eigene Person verzerrt wahr­ge­nommen: Kinder und Jugend­liche orien­tieren sich an ihren vermeint­li­chen Defi­ziten.

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Verstärkter Leistungsdruck wirkt sich negativ auf unsere Gesundheit aus. Foto: Jugendpresse Deutschland/ Finja Pollen

Gesund­heit als Wert­ge­gen­stand

In jungen Lebens­phasen sind viele Entschei­dungen zu treffen: von der Berufs- bis hin zur Partner*innenwahl. Es herrscht ein großer Druck, sich richtig zu entscheiden. Einzelnen Entschei­dungen wird ein großer Wert zuge­messen und wenn Zeit ist Geld“ gilt, darf vermeint­lich keine Zeit für Irrwege verschwendet werden. Für die Pflege der eigenen Gesund­heit muss Zeit in Anspruch genommen werden. Hierzu braucht es Struk­turen, die junge Menschen als anfällig für psychi­sche Erkran­kungen aner­kennen und ihnen eine umfang­reiche Präven­tion und Gesund­heits­ver­sor­gung bieten. Dafür müssen Ange­bote nied­rig­schwellig sein, beispiels­weise sollen Betrof­fene sie ohne großen büro­kra­ti­schen Aufwand in Anspruch nehmen können. Genauso müssen Termine in Fülle vorhanden und ohne teils mona­te­lange Warte­zeiten wahr­nehmbar sein.

Im Gespräch wünscht sich AG-Teil­neh­merin Lina einen offe­neren Umgang mit dem Thema mentale Gesund­heit. Medien sollten Betrof­fene nicht pauschal als funk­ti­ons­un­tüchtig darstellen. Auch plädiert sie für geziel­tere Präven­ti­ons­maß­nahmen und zieht den Vergleich zum Zahn­arzt: Schon früh bekommen wir gezeigt, wie man Zähne putzt und besu­chen regel­mäßig Vorsor­ge­ter­mine – warum nicht schon frühe Aufklä­rungs­maß­nahmen, wenn es um psychi­sche Gesund­heit geht?


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