Klein­partei: Neue Libe­rale – Die Sozi­al­li­be­ralen 

Datum
18. September 2017
Autor*in
Linda Göttner
Redaktion
politikorange
Thema
#poBTW17
Foto: Neue Liberale - Die Sozialliberale

Foto: Neue Liberale - Die Sozialliberale

In Deutsch­land gibt es mehr als vierzig Parteien. Ein paar der klei­neren Parteien hat sich die politikorange-Redak­tion näher Ange­schaut. Linda Göttner hat mit Chris­tian Bethke von Neue Libe­rale – Die Sozi­al­li­be­rale“ über seine Partei gespro­chen.

Foto: Neue Liberale

Neue Liberale - Die Sozialliberale in Hamburg an ihrem Parteistand. Foto: Neue Liberale - Die Sozialliberale

Grün­dung: Die Partei grün­dete sich am 24 September 2014. Unter den Grün­dungs­mit­glie­dern waren einige ehema­lige FDP-Mitglieder, darunter Grün­dungs­vor­sit­zende Sylvia Canel. 2015 nahm die Partei in Hamburg an ihrer ersten Wahl teil.

Philo­so­phie: Die Neue Libe­rale verfolgt den Sozi­al­li­be­ra­lismus. Im Zentrum steht die Frei­heit des Menschen und die soziale Gerech­tig­keit.

Mitglie­der­an­zahl:  275 (Stand 21. März 2017)

Durch­schnitts­alter: 41,7 Jahre

Ergebnis der letzten Bundes­tags­wahlen: -

Direkt­kan­di­daten für BTW 2017Jim Preuß, Thomas Cohnen, Markus Jakupak

Vorsit­zender: Chris­tian Bethke ist Bundes­vor­sit­zender der Neuen Libe­ralen“. Gleich­zeitig ist er auch Mitglied bei den Piraten und kandi­dierte für sie 2013 für den Bundestag.

Im Inter­view war der Partei­vor­sit­zende Chris­tian Bethke. 

Warum lohnt es sich für Sie in einer Partei aktiv zu sein, die voraus­sicht­lich 2017 nicht in den Bundestag kommt? 

Es ist eine Über­zeu­gungs­sache. Für mich spie­gelt keine der etablierten Parteien den sozialen Libe­ra­lismus wieder, den ich gerne im Bundestag hätte. Eigent­lich sind alle Parteien auf einer ganz anderen Linie. Beispiels­weise versucht sich die SPD sozial darzu­stellen, doch poli­tisch hat sie kaum soziale Ansätze. Von daher gibt es nur die Möglich­keit, sich in eine eigene, klei­nere Partei zu begeben und daran zu arbeiten, dass auch sie Mandate erringt.

Warum sind Sie in einer kleinen Partei aktiv, statt in eine große einzu­treten und diese auf den Kopf zu stellen? 

Weil ich das Gefühl habe, dass die großen Parteien viel zu unbe­weg­lich dafür sind. In den Altpar­teien durch­läuft man die Insti­tu­tionen und wird auf dem Weg in die Partei­linie zurecht­ge­rückt. Das sieht man auch anhand derje­nigen, die in diesen Parteien etwas zu sagen haben. Sie sind nicht wand­lungs­fähig genug, um sich poli­tisch zu entwi­ckeln, dass sie für mich inter­es­sant wären.

Was halten Sie von der fünf Prozent Hürde? 

Ich halte sie persön­lich für nicht notwendig. Ich habe keine Angst davor, dass man ohne der fünf Prozent Hürde, wieder in Weimarer Verhält­nisse rutschen würde. Ich halte auch das Argu­ment Dann können ja rechts­ra­di­kale Parteien ins Parla­ment kommen“ auch für eine sehr schwache Begrün­dung. Ja, das kann passieren, aber eine gut funk­tio­nie­rende Demo­kratie mit einer guten vierten Gewalt der Jour­na­listen, sollte das problemlos aushalten können, wenn auch ein Nazi im Parla­ment sitzt. Gerade jetzt bei der Bundes­tags­wahl haben wir mehrere Einthe­men­par­teien dabei. Aber ich bin mir sicher, es würde der deut­schen Demo­kratie nicht schaden, wenn auch von denen einer oder zwei im Bundestag sitzen würden.

Ange­nommen Ihre Partei kommt in den Bundestag: Mit wem könnten Sie sich eine Koali­tion vorstellen? 

Bei allen etablierten Parteien würde es mir sehr schwer fallen. Wir bewegen uns nicht auf einer poli­ti­schen Linie. Im Moment führen wir Gespräche mit der Partei der Huma­nisten“ für eine Zusam­men­ar­beit. Auch weitere Zusam­men­ar­beit mit kleinen Parteien könnte ich mir vorstellen, zum Beispiel Bündnis Grund­ein­kommen“ oder Demo­kratie in Bewe­gung“. Es ist wichtig, dass es die sozi­al­li­be­ralen Parteien geht.

Ihre Partei ist liberal, sozial und nach­haltig ausge­richtet. Was unter­scheidet sie von den etablierten Parteien FDP, SPD und Bündins 90/​Die Grünen? 

Eigent­lich die Mischung. Nach­hal­tige Politik halten wir für absolut notwendig, weil unsere Frei­heit nicht heißt mit irgend­wel­chen Diesel­autos die Umwelt zu verpesten, um dann für nach­fol­gende Gene­ra­tionen den Schaden zu hinter­lassen. Gleich­zeitig sind wir im Gegen­satz zu den Grünen aber eine Partei, die sich doch sehr intensiv die Frei­heits­rechte der Menschen auf die Fahnen geschrieben hat. Da haben die Grünen leider lange Zeit auch ähnlich geklungen und man dachte, die scheinen sich auch im libe­ralen Sektor zu bewegen. Aber die Real­po­litik dieser Partei zeigt dann doch, dass dies einfach nicht passiert. Ich meine, wir haben einen Winfried Kret­sch­mann in Baden-Würt­tem­berg sitzen, dem vom Gericht erzählt werden muss, dass er die Umwelt schützen soll. Das ist bei grüner Politik doch sehr komisch.

Die FDP halte ich nicht für eine libe­rale Partei. Sie ist eine Lobby­partei, die inhalt­lich frag­wür­dige Posi­tionen hat und mit der Frei­heit der Menschen auf der Straße wenig zu tun hat. Fast alle großen Über­wa­chungs­ge­setze in den letzten dreißig Jahren wurden von FDP-Regie­rungen mitge­tragen. Aber alles, was mit Über­wa­chung zu tun hat, halten wir nicht für liberal oder frei­heit­lich.

Die SPD möchte immer gerne ein soziales Image darlegen, das hatten sie lange Zeit auch. Doch es gab in den letzten Jahren viele soziale Einschnitte. Beispiels­weise mit dem neuen Renten­system. Jetzt haben wir vier Renten­säulen, die alle in die Rich­tung Privat­wirt­schaft gehen.

Aber wir wollen soziale Politik für die Menschen machen, haben dabei zum Beispiel auch Ideen wie Grund­ein­kommen und ähnli­ches. Zum Beispiel die Indus­trie 4.0. Wenn uns Maschinen die Arbeit abnehmen, können sich die Menschen mit anderen Dingen wie Kultur, Vereins­leben oder so beschäf­tigen. Wenn dadurch aber massen­haft Menschen arbeitslos werden und kein Auskommen haben, müssen wir als Politik eine Lösung finden und das werden mit Sicher­heit nicht Hartz IV Lösungen sein.

In Ihrem Grund­satz­pro­gramm fordern Sie, dass an der Sicher­heit des Staates gear­beitet werden soll. Wie meinen Sie das? 

Es geht weniger darum, Über­wa­chungen hoch­zu­schrauben. Über­wa­chung verhin­dert keine Verbre­chen. Man müsste aber auf jeden Fall mehr Polizei einstellen, damit die Polizei, nicht über­lastet wird. Vor allem auch Perso­nal­ausbau in der Justiz. Es kann nicht sein, dass Leute teil­weise sechs bis zwölf Monate auf irgend­welche Verfahren warten. Das wären also Punkte, wo man aus unserer Sicht Geld inves­tieren sollte. Und dann gibt es natür­lich noch den dritten Punkt, da kommen wir dann wieder in den sozialen Bereich. Man sollte einfach an vielen Stellen versu­chen die Gründe für Verbreche zu mini­mieren. Und das sind oft soziale Spal­tungen. Viele Verbre­chen passieren auch aus Not heraus. Da könnte man durchaus auch viel für die Sicher­heit der Bürger tun. Wir könnten die Über­wa­chung noch weiter aber es wird auch immer wieder Mittel geben, es zu umgehen. Wir sind gegen den Über­wa­chungs­staat, weil so der Otto Normal­bürger in den Fokus der Über­wa­chung geraten und so immer mehr in ein Korsett gedrückt würde.

Warum ist Ihnen die Frei­heit der Menschen so wichtig? 

Weil es die Errun­gen­schaft des letzten Jahr­hun­derts und auch unserer jetzigen Zeit ist. Und wenn es nicht um die Frei­heit der Menschen geht, um was sollte es sonst gehen? Ich kann es gar nicht anders sagen. Da ist einfach für mich die abso­lute Grund­lage unserer Demo­kratie und der Gesell­schaft.

Ein geei­nigtes Europa muss von den Bürgern gewollt und gelebt werden.“ Das steht in ihrem Grund­satz­pro­gramm. Bitte erklären Sie mir diese Aussage. 

Das ist natür­lich auch ein philo­so­phi­scher Ansatz. Für uns ist Europa nicht einfach nur eine Idee und schon gar nicht einfach nur eine Wirt­schafts­union. Es ist eine Möglich­keit auf einem Konti­nent des Krieges, der wir in den letzten tausend Jahren ausgiebig waren, lang­fristig Frieden und Sicher­heit für die Menschen in Europa zu schaffen. Und unter Umständen auch, wenn es gut funk­tio­niert, außer­halb von Europa. Aber wir haben momentan das Problem, dass Europa für Poli­tiker der etablierten Parteien gerne als Sünden­bock benutzt wird.

Wenn man versucht, Europa dafür zu benutzen, Gesetze umzu­setzen, die man eigent­lich im eigenen Land nicht durch­bringen könnte, dann sorgt es nicht für ein posi­tives Bild von Europa. Die Frei­zü­gig­keit Europas haben viele Menschen schon sehr verin­ner­licht und wenn morgen Grenzen kämen, dann würden sich die Menschen umgu­cken.

Inso­fern denke ich, dass wir als poli­tisch agie­rende Menschen, auf jeden Fall die Idee von einem Europa positiv weiter­geben müssen und klar machen müssen, was sie für Vorteile aus Europa haben. Das würde ein euro­päi­sches Denken fördern. In den letzten Jahren ist in den euro­päi­schen Ländern vermehrt das natio­nale Denken wieder aufge­kommen. Das hat damit zu tun, dass die euro­päi­schen Insti­tu­tionen teil­weise viel zu unde­mo­kra­tisch gestaltet sind.

Die Ehe für alle“: Wie hätte Ihre Partei abge­stimmt? 

Defi­nitiv dafür, weil jeder die Frei­heit haben sollte, mit dem Menschen zusam­men­zu­leben und Ehe schließen zu können, mit dem er möchte. Das ist glaube ich auch ein Konzept, das nicht frei­heit­lich ist, wenn man sagt, ihr dürft das nicht. Und es geht dabei vor allem auch um wirt­schaft­liche Fragen. Ich glaube für die Homo­se­xu­ellen ist es auch eine Herzens­frage, sich wirk­lich gegen­seitig das Ja-Wort geben zu dürfen. Aber aus meiner Sicht ist es bei vielen Gegnern dann doch eine sehr dogma­ti­sche Sache. Gerade christ­lich ange­hauchte Parteien versu­chen sehr das Männ­lein-Weib­lein-Konzept zu schützen, was soweit ich die Bibel kenne, auch nicht drinnen steht. Das ist eine ganz einfache frei­heit­liche Sache.

Was erhoffen Sie sich von den Bundes­tags­wahlen? 

Wir machen unseren Wahl­kampf und haben ein paar Direkt­kan­di­daten ins Rennen geschickt. Der Wahl­kampf wird vor allem dazu benutzt, uns als Partei bei den Menschen bekannter zu machen. Wenn wir auf der Straße Info­stände haben und man sich mit uns unter­hält, erleben wir oft sehr viel Zuspruch. Aber es ist natür­lich ein weiter Weg von einzelnen Personen, bis hin zu einer parla­men­ta­ri­schen Größe.

Von der Bundes­tags­wahl an sich, erwarte ich nicht viel. Es wird wieder eine große Koali­tion heraus­kommen oder es wird knapp für schwarz-gelb reichen. Bei Angela Merkel kann ich mir vorstellen, dass sie dann trotzdem eine große Koali­tion wählt. Die SPD war auch schon zuvor Erfül­lungs­ge­hilfen. So ist es ein entspanntes Regieren. Das Trau­rige wird sein, dass wahr­schein­lich eine sieben- bis acht­pro­zen­tige AfD im Bundestag sitzen wird und von denen halte ich inhalt­lich wirk­lich gar nichts. Ich glaube nicht, dass es demo­kra­tie­ge­fähr­dend ist aber das zeigt doch, dass wir momentan eine sehr unschöne poli­ti­sche Entwick­lung haben.


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