Heidi Klums bunter neuer Anstrich – wie divers ist GNTM wirk­lich?

Datum
12. Juni 2024
Autor*in
Jona Neubig
Redaktion
politikorange
Themen
#Leben #Reality-TV
Heidi_Klum_by_Glenn_Francis - Kopie

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Copyright by Glenn Francis and Pacific Pro Digital Photography
Ist der progres­sive Wandel der Show wirk­lich glaub­würdig? Welche Beweg­gründe stecken hier dahinter? Unser Redak­teur Jona blickt hinter die Fassade der augen­schein­lich so vorbild­li­chen Kult­sen­dung.

Mir war es immer schon wichtig, so unter­schied­liche Mädchen wie möglich die Chance zu geben, Germany’s next Topmodel‘ zu werden“, sagte Heidi Klum im Jahr 2021. Gut, Germany’s Next Topmodel vor zehn Jahren war wohl für einiges bekannt – Diver­sity gehörte nicht dazu. Im Vorder­grund standen damals wie heute persön­liche Geschichten, Konflikte zwischen Teilnehmer*innen und ja irgendwo auch das Modeln an sich. Mora­li­sche Über­zeu­gungen mussten sich hierbei der Quote unter­ordnen. So wurde beispiels­weise eine Teil­neh­merin in der 8. Staffel (2013) öffent­lich bloß­ge­stellt, nur weil sie zwei Kilo zunahm. Ähnlich respektlos war die Aussage eines Jurors aus der glei­chen Staffel: Wenn du mir sagst, dass du zwei, drei Kilo zuge­nommen hast, dann kannst du dir nicht, wenn wir Mittag essen, die Pommes rein­pfeifen mit kräftig Mayo und Ketchup. Ich hab wirk­lich gedacht, ich fall‘ vom Stuhl.“ Ob also Heidi schon immer Diver­sity bei ihren Teilnehmer*innen gesucht hat, könnte man zumin­dest anzwei­feln.

Im krassen Gegen­satz dazu steht die aktu­elle Staffel. Diver­sity wird so groß­ge­schrieben, dass jetzt sogar Männer von Heidi objek­ti­fi­ziert werden dürfen. Natür­lich sollte erwähnt werden, dass dieser Wandel im Allge­meinen komplett zu begrüßen ist. Unsere Gesell­schafft ist divers – das sollte sich das auch in solchen Reality-TV Formaten wider­spie­geln. Eine Fern­seh­sen­dung, die Kindern und Jugend­li­chen einredet, Mayo würde ihren Körper und somit ihren Selbst­wert zerstören hat und hatte noch nie eine Berech­ti­gung. Warum diese progres­siven Werte nun plötz­lich auch bei Heidi ange­kommen sind, sollte man sich trotzdem noch einmal etwas genauer anschauen.

Nur die Quote zählt

Auch wenn GNTM unbe­streitbar einen Kult­status besitzt, sank die Quote nach 2011 konti­nu­ier­lich – irgend­wann hält sich die Empa­thie beim 12. Umsty­ling eben in Grenzen. Um schluss­end­lich die Quote doch noch zu retten, reagierte die Show auf die Kritik und gab sich einen neuen Anstrich. Ganz selbstlos gibt Heidi Menschen (fast) jeden Alters sowie Körper­typs, unge­achtet ihrer Herkunft, die Chance, in die Mode­welt – oder zumin­dest in die Reality-TV-Welt – einzu­treten. Die neuen progres­siven Werte zahlen sich aus, weshalb der Auftakt zur aktu­ellen Staffel mit 23,3 Prozent Markt­an­teil den besten Start seit 15 Jahren markierte. Auch Dr. Laura Sūna, Medi­en­wis­sen­schaft­lerin an der Uni Siegen, verwies im Gespräch mit der poli­ti­ko­range-Redak­tion auf die Stra­tegie von Produk­ti­ons­firmen die wirt­schaft­liche Verwert­bar­keit des Themas Diver­sity erkannt zu haben und deshalb dieses Thema in den Sendungen aufzu­greifen. Diver­sity ist somit eher der Marke­ting­spruch einer profit­ori­en­tierten Produk­tion, als der progres­sive Wert als der er gerne darge­stellt wird.

RamonWagner_profile

Ramon Wagner. Foto: Maximilian Maurizio.

Zu einer ähnli­chen Einschät­zung kommt auch Ramon Wagner, der für seine humor­vollen Reak­tionen zu Reality-Formaten in den sozialen Medien bekannt ist. Vor allem durch sein Bran­chen­wissen kann man ihn gut und gerne auch als Experten in der Reality-TV Bubble bezeichnen. Man passt sich halt dem aktu­ellen Zeit­geist an, wenn man so ein Format so lange am Leben erhalten will“, antwor­tete er auf die Frage, wie sich GNTM über die Jahre verän­dert hat. Als Grund für diesen Wandel sieht er ein rein wirt­schaft­li­ches Inter­esse, wie bei allen anderen Shows. Wenn heute Curvy ange­sagt ist, machen alle Curvy. Wenn morgen Size Zero ange­sagt ist, machen alle Size Zero. Man passt sich halt dem Zeit­geist an und natür­lich steht da das Geld im Mittel­punkt.“

Wir bestimmen, was ausge­strahlt wird

Dass das finan­zi­elle Inter­esse bei diesem Wandel an oberster Stelle ist, steht wohl außer Frage. Aber wie ist das einzu­ordnen? Natür­lich sind die Sender in unserem System profit­ori­en­tiert, daher ist es auch nicht verwun­der­lich, dass sich die Moral meist hinter dem Geld einordnen muss. Dementspre­chend wird von einem Sender ausge­strahlt, was von den Zuse­henden erwartet wird. Darin liegt aber auch eine riesige Chance! Wir als Zuse­hende können mit unserer persön­li­chen Entschei­dung ein Format anzu­schauen oder es zu igno­rieren beein­flussen, was produ­ziert wird. GNTM hat sich ja auch größ­ten­teils durch die Kritik von außen und die damit verbun­denen fallenden Quoten gewan­delt. Somit sollten wir akzep­tieren, dass sich bestehende Formate wohl kaum aus innerer Über­zeu­gung wandeln werden – wir jedoch alle durch unseren persön­li­chen Konsum die Wahl haben, wie das Reality-TV von morgen aussieht.


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