Germany’s next Bundes­kanz­lerIn

Datum
19. August 2017
Autor*in
Charline Lelgemann
Redaktion
politikorange
Thema
#poBTW17
Bildschirmfoto 2017-08-18 um 23.37.27

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Wie wäre es Bundes­kanzler oder Bundes­kanz­lerin zu sein? Bei der Aktion Germany’s next Bundes­kanz­lerIn“ darf sich jeder zwischen 18 und 25 Jahren im Online­wahl­kampf auspro­bieren. Char­line Lelge­mann inter­viewte den 21-jährigen Kandi­daten Nicolas Klein-Zirbes.

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Nicolas Klein-Zirbes wohnt in Frankfurt am Main. Der Student interessiert sich nicht nur für Politik und Wirtschaft, sondern auch Rap. Foto: Privat

Warum willst du Germany’s next Bundes­kanz­lerIn” werden?

Ich will Germanys next Bundes­kanzler werden, weil es in Deutsch­land und anderen Demo­kra­tien das Problem gibt, dass Jugend­liche sich poli­tisch nicht invol­vieren. Das kann zu Lasten der Jugend­li­chen gehen, weil poli­ti­sche Entschei­dungen auch ihre Zukunft betreffen. Ich glaube, die einzige Möglich­keit das zu verän­dern ist, wenn sich die Jugend­li­chen selber einmi­schen, weil es sonst keiner für sie tun wird.

Wie funk­tio­niert der Wahl­kampf bei der Aktion?

Das läuft sehr viel über Soziale Netze. Es ist natür­lich nur ein relativ kleiner Wahl­kampf, nicht zu verglei­chen mit natio­nalen Wahl­kämpfen, bei denen es die Diskus­sion um die Auswir­kungen von Social Bots gibt – auto­ma­ti­sierte Online-Profile, die Wähler anschreiben und von Parteien über­zeugen sollen. So schlimm ist es bei mir nicht, aber auch ich habe einen Groß­teil der Stimmen über soziale Netze bekommen, indem ich Freunde ange­schrieben habe.

Seit dem ersten Juli geht der Wahl­kampf. Wie bei den großen Bundes­tags­wahlen zählen die Stimmen, derzeit hast du 1015 und liegst auf dem zweiten Platz. Bist Du mit deiner Darbie­tung zufrieden?

Ich bin bisher sehr zufrieden. Ich habe in der Woche, bevor das letzte Video hoch­ge­laden werden sollte, Klau­suren geschrieben. Das war vorerst wich­tiger als Bundes­kanzler zu werden. So musste ich das dritte Chall­enge-Video verspätet hoch­laden und bin vom zweiten Platz für eine Woche komplett aus dem Fina­lis­ten­feld raus­ge­rutscht. In den vergan­genen vier Tagen habe ich es aber wieder auf den zweiten Platz geschafft. Ob ich den ersten Platz jetzt noch hole, wird sich dann zeigen. Für den Final­einzug reicht aber auch der zweite Platz und damit bin ich sehr zufrieden.

Wenn du Bundes­kanzler wärst, was würdest du als erstes ändern?

Mein Motto ist: Mehr Ideen wagen.“ Das ist noch keine inhalt­liche Forde­rung, sondern eine struk­tu­relle. Oft erscheinen poli­ti­sche Diskus­sionen Jugend­li­chen so fern, dass sie den Eindruck bekommen, sie könnten eh nichts ändern. Aber Einmi­schen lohnt sich. Man muss nur zeigen, dass Politik nicht alter­na­tivlos ist, sondern dass es für jedes Problem verschie­dene Lösungs­an­sätze gibt.

Zum Beispiel gab es jetzt die Diesel-Diskus­sion. Das Problem hier ist, dass Diesel schäd­lich zu sein scheint. Grund­sätz­lich würden dem wahr­schein­lich alle zustimmen. Lösungs­an­sätze gibt es aber verschie­dene: Ein striktes Fahr­verbot, man könnte in andere Tech­no­lo­gien inves­tieren oder viel­leicht erstmal abwarten und Diesel weiter erfor­schen. Man kann sich des Problems also auf verschie­dene Weisen annehmen. Ich habe oft den Eindruck, dass im poli­ti­schen Alltag alles so wirkt, als gäbe es nur den einen rich­tigen Weg. Die Parteien sollten den Mut haben, verschie­dene Anträge einzu­bringen, die Medien die Diskus­sion als Vermittler begleiten. So kann der Prozess zu einer Initia­tive der Bürger selber werden, wie es das Grund­ge­setz vorsieht: Das Volk als Souverän.

Stich­wort: Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit. Was sind deine Anliegen?

Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit ist auf verschie­denen Ebenen notwendig, beispiels­weile finan­ziell oder mit Blick auf die Umwelt. Was die finan­zi­elle Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit angeht, könnte man zum Beispiel gucken, wie hoch der Schu­lend­stand pro Kopf bei der Geburt eines Kindes ist. Wenn das Kind 18 Jahre später wahl­be­rech­tigt ist, hat die Verschul­dung einen anderen Wert als bei der Geburt, oftmals einen höheren. Die Diffe­renz zwischen beiden Werten, zum Beispiel 6.000 Euro, könnte dann als Steu­er­frei­be­trag ange­rechnet werden. Schließ­lich sind die Schulden in einem Zeit­raum entstanden, in dem der jewei­lige Bürger noch keine poli­ti­schen Entschei­dungen treffen konnte, also gegen seinen Willen. Das ist ein provo­kantes Konzept, aber eine neue Idee, wie man für mehr Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit sorgen könnte.

Was ist der Vorteil einer Direkt­wahl des Bundes­kanz­lers oder Kanz­lerin gegen­über der Abge­ord­neten des Bundes­tags?

Der Wille unseres Volkes kana­li­siert sich laut dem Grund­ge­setz bereits heute in den Abge­ord­neten, die den Bundes­kanzler wählen. Es ist dennoch viel­leicht gar nicht blöd, mehr Mitbe­stim­mung zu ermög­li­chen. Viel­leicht sollte man direkt­de­mo­kra­ti­sche Elemente aber zunächst in Perso­nen­fragen auspro­bieren und nicht sofort bei den Inhalten. Denn auch die Demo­kratie ist per se kein Wunder­mittel. Inwie­weit sich das grund­ge­setz­kon­form reali­sieren ließe, müssen Juristen bewerten. Ich würde nicht mit dem Bundes­kanzler auf Bundes­ebene anfangen, es aber grund­sätz­lich begrüßen, wenn es mehr direkte Entschei­dungen gäbe.

Auf Face­book hast du kurz nach den US-Wahlen 2016 gepostet: Kommt, ihr habt doch 100% auch alle mal aus Spaß (Sic) den Trottel zum Klas­sen­spre­cher gewählt”. Martin Schulz wurde mit 100 Prozent zum Kanz­ler­kan­didat der SPD gewählt. Denkst du, das ist auch das Motto der SPD?

Die SPD ist eine tradi­ti­ons­reiche Partei. Ich weiß nicht, ob man den Dele­gierten unter­stellen will, dass sie eben alle aus Spaß einen Trottel” wählen. Aber tatsäch­lich sind in einer Demo­kratie die Entschei­dungen nur so gut, wie die Leute infor­miert sind und abhängig von ihren Absichten. Ergeb­nisse von 100 Prozent sind für mich, als plura­lis­tisch und frei­heit­lich denkenden Menschen, immer sehr suspekt. Sie klingen nach Perso­nen­kult und dem einen, einzigen rich­tigen Weg. Dabei lebt Demo­kratie eigent­lich nicht vom Konsens. Das, was sie von allen anderen poli­ti­schen Systemen, die wir vorher hatten, unter­scheidet, ist der Wider­spruch. Das bedeutet, dass auch abwei­chende Meinungen ertragen werden und dass es eben nicht immer 100 Prozent Zustim­mung bei allem geben muss. Bei solchen Ergeb­nissen kriege ich einen kleinen DDR-Flash­back.

Der Jugend heut­zu­tage wird immer wieder Poli­tik­ver­dros­sen­heit vorge­worfen. Wie kann man die Jugend stärker für Politik begeis­tern und einbinden?

Die Jugend­li­chen sind eigent­lich gar nicht in der Bring­schuld. Sie werden in ein System rein­ge­boren, in dem man von ihnen erwartet, dass sie sich für Politik inter­es­sieren und wählen gehen. Doch während sie aufwachsen, treffen die meiste Zeit andere, nämlich die Eltern, für sie Entschei­dungen. So denkt man schnell, dass andere Menschen eben im eigenen Sinne handeln, wie es viel­leicht die Eltern tun. Und erst, wenn man älter wird, merkt man viel­leicht, dass man manche Dinge selbst ganz anders gemacht hätte. So ist das auch bei poli­ti­schen Entschei­dungen. Deswegen ist es wichtig, schon ganz früh in der Schule und durch gelebten Dialog in der Politik Jugend­li­chen zu zeigen, dass sie selber mitent­scheiden können und dass es nur zu ihrem Nach­teil sein kann, sich nicht einzu­bringen.

Was möch­test Du den jungen Menschen, die im September das erste Mal wählen dürfen, mit auf den Weg geben?

Nicht nur auf den zu hören, der am lautesten schreit, sondern sich auch andere Stimmen anzu­hören und sich dann in Ruhe Gedanken zu machen, was dem eigenen Welt­bild am ehesten entspricht. Und wenn es keine solche Partei gibt, dann sich selber zu enga­gieren. Aber resi­gnieren kann nicht die rich­tige Entschei­dung sein.


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