Gauland im Wider­spruch

Datum
27. September 2016
Autor*in
Sandra Kluck
Redaktion
politikorange
Thema
#Zeitungskongress 2016
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Jonas Walzberg

Auf dem dies­jäh­rigen BDZV-Zeitungs­kon­gress setzen sich Presse und Wissen­schaft mit der Medi­en­schelte Gaulands ausein­ander. Der zeigt sich in der Podi­ums­dis­kus­sion über­ra­schend defensiv und offen­bart tiefe Wider­sprüche in sich und seiner Politik. Sandra Kluck kommen­tiert.

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Gauland rechnet mit der Presse ab, wirkt aber in der direkten Konfrontation mit ihren Vertretenden äußerst zahm. Foto: Jonas Walzberg

Bereits zwei Jahre ist es her, dass der Begriff Lügen­presse“ zum Unwort des Jahres gewählt wurde. In der Tat fällt mir kein anderes Wort ein, welches den Pres­se­ver­tre­tenden auf dem dies­jäh­rigen BDZV-Zeitungs­kon­gress saurer aufstoßen könnte. Selbst heute ist die Lügen­presse“ derart en vogue, dass der BDZV ihr eine eigene Podi­ums­dis­kus­sion gewidmet hat.

Doch wie lange das Gespenst der Lügen­presse auch umher­geht: Die Diskus­sion wird nicht weniger rele­vant mit der Zeit. Viel­leicht ist sie auch gerade jetzt so rele­vant wie nie zuvor. Unab­hängig davon, auf welchen Platz PEGIDA auf der redak­tio­nellen Agenda rutscht, gedeiht weiterhin eine Teilöf­fent­lich­keit, die sich gegen­seitig darin bestä­tigt, dass die Presse lügt wie gedruckt. Oder besser – Sie druckt wie gelogen und zwar die Lügen der Merkel-Auto­kratie.

Umso span­nender ist es, wenn der Vorwurf nicht bloß vertikal an die da oben“ gerichtet wird, sondern Redak­teure und Redak­teu­rinnen großer Zeitungen selbst dazu Stel­lung nehmen, wie auf dem BDVZ. Trotz der gelun­genen Auswahl an Vertre­tenden aus Presse und Wissen­schaft auf der Bühne lässt sich nicht leugnen, das einen die Schau­lust hinsicht­lich des einzigen Vertre­ters aus der Politik umtrieb: Alex­ander Gauland gastierte als Medi­en­kri­tiker und Enfant Terrible in der Runde und wurde nicht müde, diese Rolle auch auszu­leben. Doch im Vergleich zu anderen laut­starken Partei-Aushän­ge­schil­dern ging er an diesem Nach­mittag in einem mit starken Argu­menten gela­denen Wort­wechsel unter.

Gauland spielt Außen­sei­ter­rolle aus

Dabei nahm diese Diskus­sion einen leicht nach­voll­zieh­baren Lauf, ohne dass sich – um es mit den Worten von Chef­re­dak­teur Peter Pauls vom Kölner Stadt­an­zeiger zu sagen – Bauklötze um die Ohren“ geschlagen wurden. Dreh- und Angel­punkt war die von Gauland unter­stellte Verzer­rung in der Lücken­presse“. Von Beginn an spielte er die Underdog-Karte und beklagte die Igno­ranz der Medien gegen­über der AfD samt Hofstaat. Dabei spielte es keine Rolle, was Niko­laus Blome (BILD) und Miriam Meckel (Wirt­schafts­Woche) für halt­bare Einwände lieferten, wie sehr sie sich auch erklären mochten, das Dunkel­deutsch­land-Stigma bleibt Gaulands Herzens­an­ge­le­gen­heit.

Erfreu­li­cher­weise gewann die Diskus­sion schon früh an Eigen­dy­namik. Nicht zuletzt stellte jedoch Mode­rator Peter Stefan Herbst die treff­si­cheren Fragen und über­nahm im rich­tigen Moment das Ruder, um auch einen zurück­hal­tenden Herrn Gauland aus der Reserve zu locken.

Viele Köche verderben nicht den Brei

Machen wir uns nichts vor: Das Stigma der frem­den­feind­li­chen Ostdeut­schen, die mit Mist­ga­beln und Fackeln gen Flücht­lings­heim ziehen, hat sich tatsäch­lich in unseren Köpfen einge­nistet. Genauso wenig sind eine Jour­na­listin oder ein Jour­na­list frei von Vorur­teilen. Wird hier also womög­lich eine Gruppe von Bürgern und Bürge­rinnen zu wenig reprä­sen­tiert? Der letzte Gast, Prof. Werner J. Patzelt von der TU Dresden, legte dies zumin­dest nahe: In den Redak­tionen der Bundes­re­pu­blik finde sich ein Quer­schnitt aus grünen Sozi­al­christ­de­mo­kraten und ‑demo­kra­tinnen, in dem sich einige nicht wieder­finden können. Schwarz-grün-rot-roter Einheits­brei sei das, spitzte Gauland noch zu.

Lieber Herr Gauland: Unter einem schwarz-grün-rot-roten Brei könnte ich mir noch eine kuli­na­ri­sche Skur­ri­lität vorstellen – aber keine einsei­tige Bericht­erstat­tung. Tatsäch­lich klingt das nach einer recht guten Abde­ckung verschie­dener poli­ti­scher Geschmacks­rich­tungen, die sicher ergänzt werden könnten und sollten, aber mitnichten einseitig sind. Was Ihnen nicht daran mundet ist, dass die AfD kein Teil dieses Rezepts ist.

Presse als Sprach­rohr für Menschen in Not

Viel­leicht ist es an der Zeit sich die Frage zu stellen, weshalb die Ansichten der AfD nicht auf Beliebt­heit stoßen. Sie würden nun beteuern, dass eine beacht­liche Anzahl an Mitbür­gern und Mitbür­ge­rinnen dem Credo Wir schaffen das“ skep­tisch gegen­über­stehen. Skepsis wird aber der Komple­xität der Situa­tion nicht gerecht: Steht man der reibungs­losen Unter­brin­gung von Flücht­lingen skep­tisch gegen­über? Durchaus. Wollen wir deswegen Grenzen mit Waffen­ge­walt vertei­digen? Spätes­tens an dieser Stelle ist sich eine große Anzahl an Deut­schen schon deut­lich sicherer, dass wir das schaffen. Der Unsi­cher­heit folgt Mensch­lich­keit. Die schaffen das.

Bezeich­nend fand ich Ihren kurzen Aussetzer, in dem Sie entgeg­neten, dass wir das gar nicht schaffen WOLLEN. Hier kam ans Licht, worum es im Kern geht: Unter­las­sene Hilfe­leis­tung und die irra­tio­nale Angst vor dem Fremden. Und diese kann so oft intel­lek­tua­li­siert werden, wie es Doktor­titel in der AfD gibt, aber am Ende ist Frem­den­feind­lich­keit keine poli­ti­sche Heimat für besorgte Bürger und Bürge­rinnen, sondern doch nur: Frem­den­feind­lich­keit. Die Presse ist zudem nicht nur verpflichtet, Außen­sei­tern der AfD eine Stimme zu geben, sondern auch Menschen in wirk­li­cher Not. Und wem das nicht schmeckt, der wirft gegen­tei­lige Meinungen gern in den Einheits­brei­topf der Lügen- und Lücken­presse. Diese hat sich in der Diskus­sion bestens geschlagen.


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