Freund oder Feind? – Das Jugendamt und die Presse

Datum
30. März 2017
Autor*in
Lynn Rossler
Redaktion
politikorange
Thema
#djht17
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Ein Kind kommt zu Schaden und Zeitungen über­schlagen sich im Wett­be­werb um die höchsten Aufla­ge­zahlen. Keine unpro­ble­ma­ti­sche Berichts­er­stat­tung. Vertreter und Vertre­te­rinnen der Jugend­hilfe und der Medien haben auf dem Deut­schen Kinder- und Jugend­hil­fetag über diese Probleme disku­tiert. Lynn Rossler war beim Podi­ums­ge­spräch dabei.

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Christine Gerber weist daraufhin, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit mit der Presse ist. Foto: Anna Rakhmanko.

Der drei­jäh­rige Alessio wird von seinem Stief­vater zu Tode geprü­gelt. Das Jugendamt war bereits für die Familie zuständig, Kinder­ärzte hatten schon vor dem Tod des Kindes immer wieder auf Spuren schweren Miss­brauchs aufmerksam gemacht. Die Öffent­lich­keit ist erschüt­tert – und die Presse sofort vor Ort. Mit ihrer stetigen Bericht­erstat­tung halten die Jour­na­listen und Jour­na­lis­tinnen die Öffent­lich­keit über das gericht­liche Verfahren auf dem Laufenden. Sie helfen dabei aber nicht nur aufzu­klären, sondern legen der Jugend­hilfe oft Steine in den Weg. Rufschä­di­gung und mitunter sogar persön­liche Beläs­ti­gung Verant­wort­li­cher sind die Folgen.

Im Rahmen der Veran­stal­tung Aufar­bei­tung von Kinder­schutz­fällen: Medi­en­macht und Expert*innenrat“ im Rahmen des 16. Deut­schen Kinder- und Jugend­hil­fetages spre­chen Mitar­beiter und Mitar­bei­te­rinnen der Jugend­hilfe und ein Vertreter der Presse über den Umgang mit Medien und wie die Kommu­ni­ka­tion zwischen beiden Berufs­gruppen verbes­sert werden kann.

Lokale Medi­en­kon­kur­renz und fehlende Trans­pa­renz

Felix Berth, selbst jahre­lang tätig als Redak­teur etwa bei der tages­zei­tung“ in Bayern und der Süddeut­schen Zeitung“, weiß, warum Fälle von Kinder­miss­brauch beson­ders heut­zu­tage in der Presse viel Beach­tung erhalten. Der Fokus liegt heute mehr auf den Kindern als noch vor 20 Jahren. Früher hatte die Familie an sich mehr Stel­len­wert, heute sind es die Kinder, für die man sich beson­ders einsetzt. Zudem spielt die lokale Medi­en­kon­kur­renz eine Rolle. Diese führt dazu, dass eine inves­ti­ga­tive und skan­dal­ori­en­tierte Recherche geför­dert wird, da sie mehr Aufmerk­sam­keit auf sich zieht und somit mehr Käufer anlockt. Auch der Wunsch Vertu­schung aufzu­de­cken und Schul­dige zu entlarven, sorgen dafür, dass das Enga­ge­ment der Presse gestei­gert und die Recher­che­ar­beit umso inten­siver verfolgt wird.

Dass es nicht immer möglich ist, alle Infor­ma­tionen heraus­zu­geben, ist den Medi­en­ver­tre­tern und ‑vertre­te­rinnen klar. Nicht nur aufgrund von Daten‑, sondern auch aus Vertrau­ens­schutz­gründen müssen Infor­ma­tionen manchmal zurück­ge­halten werden. Doch laut Felix Berth ist der rich­tige Umgang mit der Presse entschei­dend. Wichtg ist hohe Trans­pa­renz bis zur Grenze und jenseits der Grenze die Grenze klar markieren, und dabei erklären, warum die Grenze da ist.“

Jour­na­listen sind nicht immer nett“

Auch Chris­tine Gerber vom deut­schen Jugend­in­stitut ist der Meinung, dass man der Presse so offen wie möglich gegen­über­treten muss. Wenn ein Mensch aufgrund von Vernach­läs­si­gung und Miss­brauch sein Leben verliert, darf nicht in der Öffent­lich­keit darauf beharrt werden, dass nichts schief gelaufen ist. Denn das ist es offen­sicht­lich. Eine Teil­neh­merin des Fach­fo­rums arbeitet als Sozi­al­ar­bei­terin im Jugendamt und weist darauf hin, dass es auch nicht richtig ist, alleine dem Jugendamt die Schuld zuzu­schieben. Es treffen immer mehrere Insti­tu­tionen die Entschei­dung, das Kind bei der Familie zu lassen oder es aus der Familie heraus­zu­nehmen. In den Medien wird jedoch oft nur davon gespro­chen, dass das Jugendamt eine unsi­chere Situa­tion falsch einge­schätzt hat und somit eine folgen­schwere Entschei­dung getroffen wurde.

Felix Berth fasst zusammen: Jour­na­listen sind nicht immer nett.“ Um die Sensa­ti­ons­gier in Grenzen zu halten, betont Frau Gerber, sei Pres­se­ar­beit gene­rell wichtig – nicht nur im Krisen­fall. Das Jugendamt müsse auch in Zusam­men­hang mit Erfolgen Erwäh­nung finden und nicht erst, wenn es zur Kata­strophe kommt. Auch fordert sie die öffent­li­chen und freien Träger zur kriti­schen Refle­xion auf. Fall­ana­lysen sollen regel­mäßig durch­ge­führt werden, auch von Fällen, die nicht so öffent­lich behan­delt werden. Dies ermög­licht eine Routine und eine bessere Vorbe­rei­tung auf die Fragen der Presse. Denn die Medien behin­dern nicht nur, sie sorgen auch für Aufklä­rung und können somit Miss­ständen vorbeugen.


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