Frag­wür­diger Feiertag in Marokko

Datum
14. November 2017
Autor*in
Stefanie Huschle
Redaktion
politikorange
Thema
#Archiv
westsahara

westsahara

von TUBS via Wikimedia Commons, Bearbeitung (=Beschriftung) durch bpb

Was passiert eigent­lich im Konflikt um die West­sa­hara? Unsere Autorin Stefanie Huschle macht gerade in der marok­ka­ni­schen Haupt­stadt Rabat ein Prak­tikum bei einer poli­ti­schen Stif­tung und erklärt, worum es geht.

Vor 42 Jahren machten sich etwa 350 000 marok­ka­ni­sche Zivi­lis­tinnen und Zivi­listen auf, um die Grenze zur West­sa­hara zu über­treten – fried­lich, mit Natio­nal­flaggen und Koran­bü­chern in den Händen. Dieser histo­ri­sche Grüne Marsch“ – nach der Farbe des Islam benannt – wurde vom dama­ligen König Hassen II initi­iert. Mit der Demons­tra­tion brachte er die marok­ka­ni­schen Besitz­an­sprüche auf das Gebiet der West­sa­hara zum Ausdruck. Die West­sa­hara war damals noch eine Kolonie Spaniens.

In Marokko wird der Grüne Marsch“ jedes Jahr am 6. November als genialer Coup des ehema­ligen Königs zele­briert. Dieses Datum kann jedoch auch als der symbo­li­sche Beginn des bis heute andau­ernden West­sa­ha­ra­kon­flikts betrachtet werden. In dem Konflikt bean­spru­chen zwei Parteien die Herr­schaft über das Terri­to­rium der West­sa­hara: Marokko und die Poli­sario-Front. Letz­tere reprä­sen­tiert die Sahr­auis, arabi­sche Nomaden, die den Groß­teil der west­sa­ha­ri­schen Bevöl­ke­rung ausma­chen.

Wie kam es zum West­sa­ha­ra­kon­flikt?

Für mehr als 90 Jahre, von 1884 an, war die West­sa­hara eine Kolonie Spaniens. Im Jahr 1973 grün­dete sich die Befrei­ungs­front Poli­sario und forderte die Unab­hän­gig­keit der West­sa­hara. Die Vereinten Nationen unter­stützten diese Forde­rung, sie plädierten schon seit 1965 für eine unab­hän­gige West­sa­hara.

Spanien kündigte schließ­lich 1974 an, in der West­sa­hara ein Refe­rendum über die Unab­hän­gig­keit des Gebiets abzu­halten. Doch nicht nur die Poli­sario-Front, sondern auch Marokko und Maure­ta­nien erhoben Ansprüche auf das Terri­to­rium und wandten sich damit noch im selben Jahr an die UN-Voll­ver­samm­lung. Diese betraute den Inter­na­tio­nalen Gerichtshof in Den Haag damit, die Berech­ti­gung der von Marokko und Maure­ta­nien geäu­ßerten Gebiets­an­sprüche zu unter­su­chen.

Der inter­na­tio­nale Gerichtshof wies im Oktober 1975 die Herr­schafts­an­sprüche beider Staaten zurück und befür­wortet eine Selbst­be­stim­mung der Bewohner der West­sa­hara. In der Vergan­gen­heit hätten zwar teil­weise recht­liche Bindungen von Marokko und Maure­ta­nien zur West­sa­hara bestanden. Diese reichten jedoch nicht aus, um einen Gebiets­an­spruch zu recht­fer­tigen.

Für König Hassan II genügte die Bestä­ti­gung dieser ehema­ligen recht­li­chen Bindungen zwischen der West­sa­hara und Marokko, um den Grünen Marsch“ zu initi­ieren. Die mehr­tä­gige Demons­tra­tion wurde von der spani­schen Besat­zung geduldet. Etwa einen Monat nach dem Grünen Marsch“ beschloss Spanien, sich aus der West­sa­hara zurück­zu­ziehen und das Gebiet zu einem Drittel Maure­ta­nien und zu zwei Drit­teln Marokko zu über­lassen. Im Gegenzug erhielt Spanien Berg­bau­an­teile und Fisch­fang­rechte.

Die Poli­sario-Front, unzu­frieden mit der Auftei­lung der West­sa­hara, forderte weiterhin die Unab­hän­gig­keit des Gebiets. 1976 rief sie die Demo­kra­ti­sche Arabi­sche Repu­blik Sahara (DARS) mit einer Exil­re­gie­rung in Alge­rien aus. Mehrere Jahre führte die Poli­sario-Front Krieg gegen Marokko und Maure­ta­nien – ein großer Teil der Sahr­auis flüch­tete nach Tindouf in Alge­rien und wartet dort noch heute auf eine Lösung des Konflikts.

Maure­ta­nien schloss 1979 einen Frie­dens­ver­trag mit der Poli­sario-Front und zog sich aus der West­sa­hara zurück. Daraufhin besetzte Marokko auch diesen Teil des Landes. In den 1980er-Jahren errich­tete Marokko einen mehr als 2000 Kilo­meter langen und teil­weise verminten Schutz­wall. Heute kontrol­liert das Land mehr als zwei Drittel des Terri­to­riums der West­sa­hara. Seit 1991 herrscht Waffen­still­stand zwischen Marokko und der Poli­sario-Front. Ein UNO-Frie­dens­plan sieht die Durch­füh­rung eines Refe­ren­dums vor, bei dem die Bewohner und Bewoh­ne­rinnen der West­sa­hara zwischen Unab­hän­gig­keit und der Zuge­hö­rig­keit zu Marokko wählen können. Bis heute streiten sich Poli­sario und Marokko darüber, welche Teile der Bevöl­ke­rung abstim­mungs­be­rech­tigt sein sollten. Der Konflikt bleibt also unge­löst. Während­dessen kriti­sieren Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tionen Marokko regel­mäßig für seinen Umgang mit der west­sa­ha­ri­schen Bevöl­ke­rung.

Warum ist die West­sa­hara so wichtig für Marokko?

Die West­sa­hara spielt für Marokko eine große wirt­schaft­liche Rolle. Im Nord­westen des Gebiets befindet sich eines der größten Phos­phat­vor­kommen der Welt. Außerdem verfügt das Terri­to­rium über Eisenerz, Kupfer und ergie­bige Fisch­gründe im Atlantik.

Wie posi­tio­nieren sich die EU und Deutsch­land in dem Konflikt?

Weder die Euro­päi­sche Union noch Deutsch­land erkennen die Demo­kra­ti­sche Arabi­sche Repu­blik Sahara (DARS) als Staat an. Von einigen anderen Staaten wird die DARS hingegen aner­kannt, von einem Teil der Länder der Afri­ka­ni­schen Union zum Beispiel. Die DARS ist Mitglied der Afri­ka­ni­schen Union.

Deutsch­land legt Wert darauf, die Bezie­hungen zu Marokko nicht zu belasten. Im Februar 2016 haben sich die beiden Staaten darauf geei­nigt, dass marok­ka­ni­sche Staats­bürger und Staats­bür­ge­rinnen ohne Aussicht auf Asyl schneller nach Marokko zurück­ge­führt werden können. Im Gegenzug hat Deutsch­land Marokko bei einem Verfahren der EU gegen die Poli­sario-Front unter­stützt.

Im Zuge dieses Verfah­rens hat der Euro­päi­sche Gerichtshof im Dezember 2016 entschieden, dass die West­sa­hara nicht Teil Marokkos ist, und damit das Handels­ab­kommen zwischen Marokko und der EU nicht für Produkte aus der West­sa­hara gilt.

Der ehema­lige deut­sche Bundes­prä­si­dent Horst Köhler ist dieses Jahr zum UN-Sonder­be­auf­tragten für den West­sa­ha­ra­kon­flikt ernannt worden.


Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild